Hagen. . Der Fahrradkurs hat zehn Frauen, die aus Syrien, Afghanistan oder Somalia kommen, viel gebracht. Das Kooperationsprojekt kommt gut an.

„Den Blick nicht nach unten richten, sondern immer nach vorne schauen“, empfiehlt Thomas Dörl. Der Verkehrssicherheitsberater der Polizei kennt die Probleme von Radfahranfängern. Heute schult Dörl jedoch keine Kinder, sondern Erwachsene. Junge Frauen, die erst seit kurzem in Hagen leben und versuchen, ihre Fluchterfahrungen zu verarbeiten.

Bibi ist eine von ihnen. Die junge Frau stammt aus Afghanistan, nimmt am Projekt „Fahrradtraining für Migrantinnen“ teil und nimmt die Ratschläge von Thomas Dörl gern an.

Heute, in der letzten von elf Trainingseinheiten, ist die 23-Jährige schon sicherer als am Anfang, „da hatte ich wirklich Angst, vom Rad zu fallen. Aber ich hab’ zu mir gesagt: Ich werde das schaffen“.

In Kundus bleiben Frauen zu Hause

Genau wie die weiteren neun Frauen, die den Fahrradkurs des Rad-Sport-Clubs Hagen (RSC) besuchen. Keine von ihnen hat in ihrem vorigen Leben schon mal auf einem Rad gesessen. Natürlich gebe es in Afghanistan Fahrräder, erzählt Bibi, doch sie stamme aus der Stadt Kundus, wo Krieg herrsche, „dort gibt es keine guten Straßen, außerdem müssen Frauen zu Hause bei den Kindern bleiben“.

Mit ihrer Schilderung hat die junge Afghanin eine Steilvorlage geliefert – für Penelope Soultanidou-Bögemann vom Stadtsportbund, der das Projekt mitträgt. „Es geht nicht darum, dass die Frauen künftig schneller von A nach B kommen, wir fördern vielmehr die Selbstständigkeit“, erklärt sie.

Aus sechs Nationen

Frauen aus sechs Nationen – Syrien, Iran, Irak, Afghanistan, Tadschikistan und Somalia – haben bei der Integrationsagentur der Caritas ihr Interesse am Kurs bekundet. „Und wir haben heute schon für Sommer 2019 eine lange Warte­liste“, sagt Christiane Vonnahme von der Integrationsagentur.

Rückblick: Anfang des Monats startete der Kurs; geübt wurde zwei Mal pro Woche auf dem Parkplatz vor der Ischelandhalle. „Seit vier Tagen trainieren wir hier nun in der Jugendverkehrsschule“, erklärt Christel Plätke vom RSC. „Zu Beginn haben wir die Sättel festgehalten und sind neben den Frauen hergelaufen“, erinnert sie sich, „und natürlich haben wir die Frauen motiviert“.

Kinder haben keine Angst

Thomas Dörl nickt: „Man kann das Training nicht mit einem Kurs für Kinder vergleichen. Kinder haben eine schnellere Auffassungsgabe als Erwachsene, sie fahren anders. Und die meisten Kinder haben einfach keine Angst.“

Bei Adule war nicht die Angst vor der Höhe des Sattels das Hauptproblem, sondern das Abbiegen. „Ich hab’ immer vergessen, den Arm nach links oder rechts zu strecken“, sagt die Syrerin.

Doch mittlerweile hat sie den Bogen raus, „allerdings werde ich noch nicht gleich auf der Straße fahren, sondern noch ein bisschen im Park üben“, sagt die 33-Jährige und folgt damit dem Ratschlag des Verkehrssicherheitsberaters der Polizei. Adule hat eine dreijährige Tochter und einen knapp zweijährigen Sohn. „Ich bin stolz, dass ich den beiden, wenn sie etwas älter sind, das Fahrradfahren beibringen kann.“

Auf etwas freut sich die junge Frau besonders: „Jetzt können die Kinder auch mal beim Papa bleiben und ich fahre mit dem Rad einkaufen.“

>>>HINTERGRUND

  • Das Training für Migrantinnen wird vom Rad Sport Club in Kooperation mit der Integrationsagentur der Caritas, dem Stadtsportbund, der Polizei und Zweirad Trimborn durchgeführt.
  • Im Vorfeld wurden gespendete Fahrräder aufgearbeitet; die Frauen trainierten darauf und dürfen sie nun behalten. Außerdem war ein Erste-Hilfe-Kursus Teil der Integrationsmaßnahme.