Hagen. . Nach zwei Jahren Sprachlerngruppe landet Issa Jadaan (17) in einer Hauptschulklasse, in der niemand Deutsch spricht. Eine Parallelwelt.

Dieser Hilferuf legt alle Schwierigkeiten, die Hagen aktuell bei der Integration von Flüchtlingsschülern hat, offen. Der 17-jährige Syrer Issa Jadaan sieht seine Inte­gration in die Stadtgesellschaft gefährdet. Nach zwei Jahren in einer Integrationsklasse am Ricarda-Huch-Gymnasium ist der lernwillige junge Mann auf der Hauptschule gelandet. In einer Klasse ohne deutsche Jugendliche, in der fast nur Rumänisch gesprochen wird. Die Bezirksregierung und das Hagener Schulamt greifen den Fall erst auf, als die WESTFALENPOST recherchiert.

Deutschkenntnisse nochmal überprüft

Auf Wunsch von Jadaan sind seine Deutschkenntnisse im

Hinblick auf Klasse 10 B überprüft worden. Die Prüfung, so die Bezirksregierung, sei für ihn nicht zufriedenstellend ausgefallen, so dass er sich entschlossen habe, die Klasse „10AP“ (Praktikumsklasse) zu besuchen. Seine Prognose deute allerdings auf einen sehr guten Hauptschulabschluss hin.

Teilweise haben Jadaans Mitschüler keine schulische Vorbildung, teilweise sind sie Analphabeten. „So verliere ich doch alle Sprachkenntnisse und finde keinen Anschluss an die deutsche Gesellschaft“, sagt Jadaan in nahezu fließendem Deutsch.

Sein Sprachstand entwickelt sich rasch. Als er 2015 nach Hagen floh, sprach er kein Wort Deutsch. Nach zwei Jahren in einer Sprachvorbereitungsklasse des Ricarda-Huch-Gymnasiums sprach er viel besser. Für die Pädagogen aber noch nicht so gut, dass Jadaan am Gymnasium hätte bleiben dürfen. So schickte man ihn zur Geschwister-Scholl-Hauptschule (Standort Vorhalle), wo er ein unterfordertes und isoliertes Dasein fristet.

In seiner Not schrieb er einen Brief an die Bezirksregierung. Er schilderte die Zustände in seiner Klasse. Dass es keine deutschen Mitschüler gebe, dass nur Rumänisch gesprochen werde und die Mitschüler Gesetze und Regeln missachten würden und keinerlei Lust auf Bildung hätten.

Bezirksregierung: Schwierige Situation in Hagen

Ein Hilfebrief, den eine Sozialarbeiterin für ihn verfasst, wird in der Arnsberger Behörde erst ein Thema, als die Stadtredaktion Hagen anfragt und Antworten zum Fall Jadaan haben will. Die Behörde muss eingestehen, dass die Organisation von Sprachlerngruppen und weiteren Regelklassen nicht nur in diesem Fall in Hagen „nicht geglückt“ sei. „So eine Klasse wie die von Issa Jadaan ist nicht das Integrationsziel. Sie muss durchmischt sein, auch auf sprachlicher Ebene“, sagt Christoph Söbbeler, Sprecher der Bezirksregierung. Die Situation in Hagen sei „angespannt“ und die Bearbeitung der vielen Fälle „schwierig“.

Schulamt verweist auf Arnsberg

Im Hagener Schulamt, wo die Stadtredaktion ebenfalls anfragt, erklärt man zunächst, gar nichts von Jadaans Hilferuf zu wissen. Die Redaktion schickt den Hilfebrief ins Schulamt. Dort heißt es: Man kümmere sich sofort und gebe eine Rückmeldung. Doch statt einer lokalen Einordnung der schwierigen Hagener Integrationsbemühungen angesichts zahlreicher Flüchtlingsschüler erklärt man wenig später, dass der Brief nun „bearbeitet“ sei und nur noch die Bezirksregierung weitere Auskünfte gebe – es bleibt ein Hin und Her.

Perspektive: Die Klasse 10 B

Nun gibt es endlich eine Antwort auf den Brief. Die vielen Aufnahmen von Schülern zum Schuljahr 2017/18 aus Realschulen sowie von Flüchtlingskindern bzw. neu zugewanderten Schülern hätten es nötig gemacht, zuerst aus den bestehenden zwei Klassen 8 im Übergang zur Jahrgangsstufe 9 an der Geschwister-Scholl-Hauptschule drei Klassen einzurichten. Dann seien unter massivem Zeitdruck weitere Schüler der Hauptschule zugewiesen worden und eine weitere Klasse habe gebildet werden müssen.

Hier seien dann Schüler aus dem Seiteneinstieg und ehemalige Seiteneinsteiger mit Sprachproblemen zusammengefasst worden, um intensive Förderung in einer möglichst homogenen Gruppe sicherstellen zu können. Jadaan, so die Bezirksregierung, werde das zweitbeste Zeugnis der Schule erhalten und habe damit die Berechtigung, die Klasse 10B zu besuchen und dort den Mittleren Schulabschluss anzustreben. Diese Klasse 10 B, so die von der Behörde aufgezeigte Perspektive, habe dann eine bessere Zusammensetzung.