Hagen. . Ein Kneipenbesuch – für Rollstuhlfahrer in Hagen ist das trotz aller Hilfsbereitschaft unmöglich. Das ist ein Ergebnis eines Studentenprojekts.

Es gibt diese kleine Geschichte, die sich am Rande abspielt. Und doch weist diese Geschichte auf etwas hin, an das niemand so ohne Weiteres denkt, der nicht selbst betroffen ist. Kneipentour durch Hagen, Gasthaus Spinne. Als die junge Frau im Rollstuhl dieses menschliche Bedürfnis verspürt, verabschiedet sie sich aus der Runde. Die Stufen hinab zu den Toiletten bilden ein unüberwindbares Hindernis. Sie will nach Hause. Mit dem Bus. Eine halbe Stunde Fahrtzeit.

„Nicht auszudenken“, sagt Professor Michael Boecker vom Fachbereich Angewandte Sozialwissenschaften an der Fachhochschule Dortmund, „es gibt in der Innenstadt keine öffentliche, barrierefreie Toilette. Und wenn Menschen mit Behinderung aufs Klo müssen, dann können sie das ohne Hilfe nur zu Hause.“

Quellensuche im Stadtarchiv

Ausstellung „Menschen mit Behinderung in Hagen
Ausstellung „Menschen mit Behinderung in Hagen": Michael Boecker (Zweiter von rechts) und Meinhard Wirth (links) mit Studenten. © Michael Kleinrensing

„Behinderung im Wandel der Zeit in Hagen“ heißen Projekt und Ausstellung der Fachhochschule in Zusammenarbeit mit der Caritas. Studenten waren gemeinsam mit Menschen mit Behinderung auf einer Kneipentour durch die Stadt unterwegs. Sie haben geforscht in den Akten des Stadtarchivs. Sie haben Menschen mit und ohne Behinderung interviewt. Und sie haben den europäischen Protesttag für Menschen mit Behinderung besucht.

„Dabei“, so sagt Michael Boecker, „war uns immer wichtig, die Menschen mit Behinderung mit in unser Vorhaben einzubeziehen. Sie sollten sich nicht wie Objekte vorkommen, die es zu erforschen gilt. Sie waren unsere Experten, haben die Studenten begleitet, immer wieder wertvolle Hinweise gegeben.“

Teilhabe am gesellschaftlichen Leben

Caritas-Werkstätten unterstützten Projekt

Das Projekt hat die Fachhochschule Dortmund in Kooperation mit den St.-Laurentius-Werkstätte der Caritas realisiert.

In den Werkstätten wird Menschen mit Behinderungen eine Eingliederung in das Arbeits- und Gesellschaftsleben ermöglicht.

Ein Ansatz, den Irina Bergmann unterstreicht. „Es ist ja nicht so, als wenn Menschen mit Behinderung das gesellschaftliche und politische Geschehen nicht wahrnehmen würden“, so die Studentin, „sie verstehen es genau. Aber: Sie fühlen sich nicht ernst genommen. Sie wollen kein Mitleid. Aber sie können auch Beleidigungen wie ,Ey – bist du behindert’ nicht hören.“

„Bei der Forschung sind die Studenten in Hagen auf viele offene Ohren gestoßen. Bei der Kneipentour gab es viele, die sofort gekommen sind und den Rollstuhlfahrern geholfen haben“, sagt Meinhard Wirth, Leiter der Caritas-Werkstätten, „auf der anderen Seite zeigt die aktuelle Diskussion um einen barrierefreien Zugang am Bahnhof Rummenohl auch, wie schwer man sich manchmal noch mit dem Thema tut.“

Eröffnung im Schumacher-Museum

Das, was sie bei ihrer Arbeit herausgefunden haben, wollen die Studenten einer breiten Öffentlichkeit in Hagen präsentieren. Nicht in einer wissenschaftlichen Broschüre, sondern in einer leicht verständlichen Ausstellung, die an einem Ort zu sehen sein wird, der auch für Menschen mit Behinderung gut zu erreichen ist. Zentral, verkehrsgünstig und ebenerdig. Präsentiert werden die Ergebnisse bei einer Auftaktveranstaltung am 29. Juni um 11 Uhr im Auditorium des Emil-Schumacher-Museums. Die Ausstellung selbst wird dann vom 3. bis zum 28. Juli im Sparkassen-Karree gezeigt.