Hagen. . Sie gingen brutal und skrupellos vor: Jetzt müssen sich sieben Angeklagte wegen brutaler Überfälle vor dem Landgericht Hagen verantworten.
Der Vorwurf: 15 brutale Überfälle auf Geldtransporter, überwiegend im Rheinland, im Bergischen, aber auch in Hagen-Bathey und Wetter-Volmarstein.
Die Täter, angeklagt sind seit gestern vor dem Schwurgericht sieben Männer im Alter von 31 bis 60 Jahren, schossen aus Schnellfeuerpistolen und Sturmgewehren (vom Typ Kalaschnikow) auf Mitarbeiter von Sicherheitsfirmen. Zur Einschüchterung wurde auch eine Panzerfaust eingesetzt.
Supermarkt in Bathey überfallen
Insgesamt hat die schwer bewaffnete Bande in wechselnder Tatbeteiligung bei ihren Raubzügen (zwischen 1997 und 2015) mehr als fünf Millionen Euro erbeutet. „1998, in einem Supermarkt in Bathey, waren es fast 1,3 Millionen Mark“, weiß Gerichtssprecherin Inga Papajewski.
Versuchter Habgiermord lautet der härteste Anklagevorwurf (obwohl glücklicherweise niemand ernsthaft verletzt wurde), zudem schwerer Raub, gefährliche Körperverletzung und Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz.
13 Schüsse aus der Kalaschnikow
So soll einer der Angeklagten mit seiner Kalaschnikow (Typ AK 74) mindestens 13 Schüsse auf einen Geldtransporter abgegeben haben, um ihn an der Weiterfahrt zu hindern.
Dabei wurde nicht nur gezielt auf die Reifen geschossen, sondern aus kurzer Entfernung auch auf die Trennwand zur Fahrerkabine, um den Fahrer des Geldtransporters zu treffen. Dessen Tod soll dabei in Kauf genommen worden sein.
Anklageschrift umfasst 19 Seiten
Täter schießen in Hagen auf eine Angestellte
30. November 1998, Kabeler Straße in Bathey: Vor dem Allkauf-Supermarkt (heute Real) wird ein Geldtransporter von zwei Täterfahrzeugen eingeklemmt. Durch einen aus einer Schnellfeuerwaffe abgegebenen Schuss werden die beiden Mitarbeiter der Sicherheitsfirma gezwungen, aus ihrem Transportwagen auszusteigen. Sie werden zu Boden gerissen und entwaffnet. Dann wird die verschlossene Autotür zum Wertraum geöffnet: Die Beute beträgt laut Anklage 1 291 733 Mark und 72 Pfennig. Auf eine Frau, die zufällig aus dem Personaleingang kommt, schießen die Täter. Sie wirft sich zu Boden und stellt sich tot.
29. April 2004, A1-Abfahrt Haspe/Volmarstein (An der Kohlenbahn): Zwei Autos zwingen einen Geldtransporter zum Anhalten. Als sich der Fahrer der Sicherheitsfirma weigert, auszusteigen und die Sicherheitstüren zu öffnen, fallen insgesamt 16 Schüsse aus einem Sturmgewehr: zuerst auf die Beifahrertür in Kopfhöhe der beiden Fahrzeuginsassen, dann auf die Windschutzscheibe. Einer der beiden Sicherheitsleute versteckte sich in der Schleuse des Fahrzeugs, der andere ging im Fußraum in Deckung und wurde dort durch Glassplitter getroffen. Er erlitt Schnittwunden an Armen und Händen. Keine Beute.
Staatsanwältin Julia Frehse verlas 53 Minuten lang mit lauter Stimme die 19 Seiten umfassende Anklageschrift. Danach wollten sich nur drei von den sieben Angeklagten zu den Vorwürfen äußern. Einer gab über seinen Anwalt zu, an nahezu allen Taten beteiligt gewesen, spielsüchtig und kokainabhängig zu sein: „Es gab bei ihm mehr Tage, an denen er Koks konsumierte, als drogenfreie Tage.“ Eine mögliche Tötungsabsicht wurde aber strikt zurückgewiesen: „Man war sich einig, dass auf keinen Fall Menschen zu Schaden kommen sollten.“
Das gelang nicht immer. 2002 in Werl wurde ein Sicherheitsmann mit Schüssen aus einer Pumpgun attackiert. Die Fahrzeugscheibe zersplitterte, wobei er sich blutige Schnittwunden zuzog.
Gerichtssaal wird für Mammut-Prozess umgebaut
Saal 201 des Landgerichts, in dem regelmäßig das Schwurgericht tagt, wurde für den Mammut-Prozess eigens umgebaut: Die Hälfte des Zuschauerraums ist aus Platzgründen mit Tischen für die sieben Angeklagten und ihre 14 Verteidiger zugestellt worden. Im Saal sitzen zwölf Justizwachtmeister, die für die nötige Sicherheit sorgen sollen. Es ist der erste Verhandlungstag von insgesamt 40, die bis November 2018 anberaumt sind.