Hagen. . Die Schäden werden immer größer, die Wildschweine kommen dem Stadtzentrum von Hagen immer näher. Trotz hoher Abschusszahlen vermehren sie sich.
Marlies Kumbruch hat lange Zeit in Rummenohl gelebt, da stand höchstens mal ein Reh im Garten und knabberte an ein paar Trieben. Doch nachdem sie an ihre alte Adresse in der Böhmerstraße zurückgekehrt ist – mitten in der Großstadt Hagen – trifft sie viel häufiger auf wilde Tiere. „Die Wildschweine waren wieder da“, berichtet sie und zeigt in ihren umgepflügten Garten: „Die totale Zerstörung. Und das jetzt zum dritten Mal.“
Mit ihrer Klage reiht sich Marlies Kumbruch ein in eine lange Reihe von Anwohnern des Goldbergs, denen die Wildschweine immer ärger zusetzen. Eine oder mehrere Rotten haben sich offenbar dauerhaft auf den weitläufigen, teils schwer zugänglichen Grundstücken niedergelassen. Nachts verlassen sie ihr Versteck und durchwühlen Privatgrundstücke und Schrebergärten. „Sie machen alles kaputt, wir können nicht mehr“, stöhnt Marlies Kumbruch.
Gefährliche Querschläger
Tatsächlich scheint gegen die Wildschweine kaum etwas auszurichten zu sein. In aller Deutlichkeit stellte das auf Anfrage unserer Zeitung Förster Martin Holl fest, stellvertretender Fachleiter für Forstwirtschaft beim Wirtschaftsbetrieb Hagen (WBH): „Man kann nicht mehr tun als einen gut gesicherten Zaun zu bauen. Das kostet mitunter zwar Geld, ist aber alternativlos.“
Ein Abschuss der Tiere käme in Wohngebieten jedenfalls nicht in Frage, stellt Holl klar. Dies sei in Gärten und Parkanlagen einfach viel zu gefährlich: „Die Kugel kann den Körper des getroffenen Tieres durchschlagen und dann noch zwei Kilometer weit fliegen.“ Jeder könne sich ausmalen, was ein Querschläger, der von einer Gehwegplatte oder einem Blumenkübel abpralle, anzurichten imstande sei. „Nein, das kann niemand verantworten.“
Und den Hagener Jägern wird man auch kaum nachsagen können, dass sie nichts gegen die Plage unternehmen. Allein im Jahr 2017 haben sie in den Wäldern rund um die Stadt 567 Wildschweine erlegt – 242 mehr als im vorangegangenen Jagdjahr. Die schlauen Tiere vermehren sich dank milder Winter dennoch stark und reagieren auf die Nachstellungen mit dem Rückzug in Wohngebiete, als wüssten sie, dass der Mensch ihnen dort nichts anhaben kann: „Die wissen ganz genau, dass ihnen auf Friedhöfen, in Parks und Gärten nichts passiert“, ist Holl überzeugt.
Jäger wollen kein Gift einsetzen
Beim Landesjagdverband ist man optimistisch, die Situation früher oder später in den Griff zu bekommen. Jägersprecher Andreas Schneider verweist darauf, dass die schwarzgelbe Landesregierung einige der vom rotgrünen Vorgängerkabinett beschlossenen Jagderschwernisse wieder aufgehoben habe. Dies werde sich irgendwann auswirken: „Wenn auch nicht von heute auf morgen.“
Der Einsatz von Gift verbiete sich von selbst: „Das verträgt sich nicht mit dem jagdlichen Ethos. Wir schießen auch keine Muttertiere ab. Aber wir Jäger sind tagein, tagaus mit der Wildschweinjagd beschäftigt.“
Zäune sind einzige Hilfe
Das können die betroffenen Menschen am Goldberg kaum glauben. „Ich habe Angst, nach Einbruch der Dunkelheit aus dem Haus zu gehen“, sagt Christel Gersmann, ehemalige Lehrerin am Käthe-Kollwitz-Berufskolleg. Der Kleingartenverein auf dem Goldberg hat gar schon einige Mitglieder verloren, die infolge der wiederkehrenden Zerstörungen entnervt ihre Parzellen aufgegeben haben. „Die Wildschweine verwüsten den gesamten Goldberg. Es ist unfassbar, was hier vor sich geht“, berichtet Vorsitzender Stevo Jurisic.
Hagens Förster Holl empfiehlt den Gartenbesitzern, ihre Grundstücke mit einem Zaun zu sichern: „Es reicht schon ein Maschendrahtzaun, wenn er nur mindestens 30 Zentimeter tief im Boden gut verankert ist.“ Auch der WBH werde den Jagddruck auf die Tiere im gesetzlich erlaubten Rahmen aufrechterhalten: „Wir schießen jedes Schwein, das wir kriegen können.“
>>Hintergrund: Der rasende Keiler
- Im März 2016 rannte ein in Panik geratener Keiler durch den Stadtgarten in die City und hatte verwüstete einen Lotto-Laden. Das Tier musste von der Polizei erschossen werden.
- Im Schrebergarten von Günter und Rosemarie Pohlmann fraßen Schweine 400 Blumenzwiebeln.