Altenhagen. . „Meine Gedanken sind bei der Familie des Opfers.“ Das sagt die Schwester des 24-Jährigen, der seine Freundin mit einem Schuss getötet hat.

Die 24-jährige Frau, die am Freitag von ihrem gleichaltrigen Freund in einem Mehr­familienhaus an der Behringstraße in Altenhagen lebensgefährlich mit einer Pistole verletzt worden ist, ist tot. Die junge Frau starb in der Nacht zu Samstag an ihren Verletzungen. Das erklärten Staatsanwaltschaft und Polizei. Der mutmaßliche Täter wurde dem Haftrichter vorgeführt. Er sitzt in Untersuchungshaft.

Während sich Polizei und Staatsanwaltschaft am Wochenende zu Details nicht äußerten bzw. nicht zu erreichen waren, berichtet die Schwester des mutmaßlichen Täters gegenüber unserer Zeitung, wie sich die Tage, Stunden und ­Minuten vor und nach dem schrecklichen Ereignis aus ihrer Sicht zugetragen haben.

Seit Mittwoch ist Paar zu Besuch in Hagen

Mutter wird in Kindheit zum Pflegefall

Der mutmaßliche Täter ist laut Aussage der Schwester 24 Jahre und nicht – wie von der Staatsanwaltschaft bekanntgegeben – 25 Jahre alt.

Weil der Vater früh starb und die Mutter zum Pflegefall wurde, habe sie mit ihren Geschwistern den Bruder großgezogen.

Konflikte mit der Polizei, so sagt sie, habe es ihrer Kenntnis nach bisher nicht gegeben. Lediglich als Schulschwänzer sei ihr Bruder als Jugendlicher in Erscheinung getreten.

„Mein Bruder, seine Freundin und das Kind seiner Freundin ­waren seit dem späten Mittwochnachmittag bei uns zu Besuch“, sagt die fünffache Mutter. „Sie leben eigentlich gemeinsam in Niedersachsen.“ Das Paar, so die Schwester, habe sich länger gekannt. „Seit sechs Monaten sind sie liiert“, so die 33-Jährige: „Die Freundin meines Bruders war so eine liebe, junge Frau. Die beiden waren glücklich.“

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So habe sie es auch am Mittwoch, Donnerstag und Freitag empfunden, erklärt die Schwester. „Wir ­waren in Dortmund, wir haben zusammen gegessen“, sagt sie, „zu Hause haben wir gekocht. Ich habe ihr noch gezeigt, wie man in meiner Heimat Albanien Speisen zubereitet. Sie wollte so gerne unsere traditionelle Kleidung ausprobieren. Wir haben sie dazu geschminkt.“

Ausgelassene Momente auf Smartphone-Fotos

Auf ihrem Smartphone hat sie diese Momente festgehalten. Auf den Fotos wirkt die Familie ausgelassen. Sie zeigt einen Chatverlauf, zwischen ihr und der Freundin ihres Bruders, in dem diese sich für die schöne Zeit in Hagen bedankt.

Freitag, 1. Juni: Es ist der Tag, an dem die 24-Jährige so schwer durch einen Schuss in den Hinterkopf verletzt wird, dass sie später stirbt. „Alles war ganz normal“, sagt die Schwester des mutmaßlichen ­Täters, „wir wollten alle nach Niedersachsen fahren, um die Hochzeit meines Onkels vorzubereiten.“

Tödlicher Schuss fällt im Hausflur

In diesem Flur fällt am Freitag der tödliche Schuss.
In diesem Flur fällt am Freitag der tödliche Schuss. © Michael Kleinrensing

Kurz vor der Abfahrt sei passiert, was die 33-Jährige kaum begreifen kann. „Wir hatten die Kinder schon aus der Wohnung geschickt“, sagt sie, „mein Bruder und seine Freundin waren im Hausflur. Ich selbst bin in die Küche zurück, weil ich eine Flasche Wasser holen wollte. Plötzlich habe ich einen Knall gehört.“

Im nächsten Moment, so die 33-Jährige, habe ihr Bruder geschrien: „Schatz, was habe ich getan!“ Sie sei in den Flur gelaufen. Die Freundin des Bruders habe auf dem Boden gelegen, „Mein Bruder hat geweint“, sagt sie.

Retter kämpfen um Leben der Frau

Der Täter wird am späten Freitagnachmittag in Altenhagen festgenommen.
Der Täter wird am späten Freitagnachmittag in Altenhagen festgenommen. © Michael Kleinrensing

Die Rettungskräfte, so schildert es die 33-Jährige, hätten Wiederbelebungsversuche gestartet. Die Freundin ihres Bruders sei dann mit einem Rettungs­wagen abtransportiert worden. Ihr Bruder sei mit dem Kind seiner Freundin weggelaufen. „Ich denke, damit der Kleine das Blut und seine schwer verletzte Mutter nicht sehen musste“, sagt die 33-Jährige. Wie sie später erfuhr, sind ihr Bruder und das Kind zu einer Wohnung in der Helmholtzstraße gegangen. Der 24-Jährige kannte die Adresse, weil er dort zuvor noch geholfen habe, einen Kühlschrank hineinzutragen. „Dort war niemand zu Hause. Wie er reingekommen ist, weiß ich nicht.“

Die Polizei geht zu diesem Zeitpunkt von einer Flucht aus. Sie kann nicht ausschließen, dass der 24-Jährige mit dem Kind in der Wohnung bewaffnet ist. Deshalb wird ein Spezialeinsatzkommando gerufen. Gegen 17.40 Uhr wird der 24-Jährige verhaftet.

Schwester: „Paar hat nicht gestritten“

Mit ihrem Bruder hat die 33-Jährige über die Tat nicht sprechen können. Sie will ihn im Gefängnis besuchen. Über das, was genau im Treppenhaus geschehen ist, kann sie nichts sagen: „Ich denke, dass er angeben wollte, dass er mit der Waffe gespielt hat, dass sich versehentlich ein Schuss gelöst hat.“

Einen Streit zwischen den beiden, so behauptet sie, habe es nicht gegeben. „Sie haben sich geliebt. Mein Bruder war so stolz. Wenn er sie hätte töten wollen – warum in diesem Moment? Das ergibt keinen Sinn.“

Von Waffe nichts gewusst

Woher er die Waffe hatte und warum er sie mit nach Hagen gebracht hat – das kann sie nicht sagen. „Wenn ich gewusst hätte, dass er eine Pistole bei sich hat, hätte ich ihn rausgeschmissen.“ Das Geschehene verarbeiten, es den Kindern erklären – das kann die 33-Jährige noch nicht: „Meine Gedanken sind vor allem bei der Familie des Opfers. Was geschehen ist, ist so furchtbar. Mir fehlen die Worte, um zu beschreiben, was ich empfinde. Ich kann nur immer wieder sagen, wie unendlich leid es mir tut.“

Auch bis Montagmittag wollten die Ermittlungsbehörden noch keine Einschätzung zu den Schilderungen der Schwester des mutmaßlichen Täters abgeben. Für den Nachmittag wurde zwar eine weitere Presseerklärung angekündigt. Darüber hinaus könne aber zum jetzigen Zeitpunkt aus ermittlungstaktischen Gründen nichts gesagt werden.