Hagen. Eines von drei vierjährigen Kindern in Hagen (35,2 Prozent) benötigt Hilfe beim Lernen der deutschen Sprache. Das ist das Ergebnis des NRW-Sprachtests Delfin 4, das jetzt vom Schulministerium veröffentlicht wurde.

Landesweit wurde bei 24 Prozent der vierjährigen Jungen und Mädchen Aufholbedarf beim Deutschlernen festgestellt. In Nordrhein-Westfalen werden seit drei Jahren alle Kinder, die zwei Jahre später schulpflichtig werden, getestet, ob ihre Sprachentwicklung altersgemäß ist. Kinder mit sprachlichen Defiziten erhalten eine gesonderte Förderung, die verplichtend ist.

In diesem Jahr wurden die ersten Kinder, die diese zweijährige Förderung absolviert haben, eingeschult. Das erste Fazit an Hagener Grundschulen ist positiv. „Wir haben jedenfalls keine völlig sprachlosen Kinder mehr in der ersten Klasse”, sagt Natascha Löwenstein, Leiterin der Freiherr-vom-Stein-Grundschule.

Lerntempo setzt Kinder unter Druck

Kinder, die die deutsche Sprache nicht richtig beherrschen, geraten sofort in eine Drucksituation, weil sie das Lerntempo vieler Klassenkameraden nicht mitgehen können. Das führe zu Frustrationen, weiß die Grundschulleiterin. Ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache sei ein Schlüssel fürs Lernen, meint auch Maria Jüttemeier, Leiterin der Erwin-Hegemann-Grundschule. Auch sie hat den positiven Effekt der Sprachförderung beim Einschulungsjahrgang 2009 festgestellt: „Insgesamt hat sich die Situation an unserer Schule deutlich verbessert.”

Bevor vor drei Jahren das Delfin-4-Testverfahren für vierjährige Kinder eingeführt wurde, gab es lediglich einen Sprachtest für Kinder ein halbes Jahr vor der Einschulung. Wurde ein Defizit festgestellt, war die Zeit bis zum ersten Schultag zu kurz, um die Mängel auszugleichen. „In der zweijährigen Förderung bekommen die Kinder natürlich viel mehr mit”, sagt Schulleiterin Maria Jüttemeier, „es gab früher tatsächlich Kinder, die nicht wussten, was Buntstifte oder Scheren sind”.

"Sprachförderung wird ernst genommen"

Diese Zeit „ohne Worte” an den Grundschulen gehört offenbar der Vergangenheit an. Das sei auch das Verdienst einer ausgeklügelten pädagogischen Methode, meint Uwe Leicht, Leiter der Abteilung Tagesbetreuung für Kinder bei der Stadt Hagen. Die zweijährige Sprachförderung sei ein professionelles System mit ständigen Fortbildungen für die Pädagogen. „Die Sprachförderung wird sehr ernst genommen”, sagt Leicht. Das heißt nicht, dass den Kindern Deutschkenntnisse erbarmungslos eingepaukt werden. „Der Förderunterricht ist vielmehr spielerisch, die Kinder merken meist gar nicht, dass sie gefördert werden”, sagt Leicht. Finanziert wird die Vorschul-Nachhilfe aus Landesmitteln.

Meist findet die Sprachförderung in den Kindertagestätten statt; zum Teil - falls Eltern ihr Kind nicht in einen Kindergarten schicken möchten - auch in Familenzentren. In Kleingruppen können die Kinder sich an die Sprache herantasten. In den Sprachförderkursen sitzen nicht allein Kinder, die aus Familien mit Migrationshintergrund kommen. Es gibt auch Kinder aus Familien, die deutsche Wurzeln haben, die Sprachförderbedarf haben. Ob in der Kita oder im Familienzentrum: Wird nach dem Delfin-4-Verfahren ein Sprachdefizit festgestellt, muss das Kind am Förderunterricht teilnehmen, sonst droht ein Bußgeld in Höhe bis zu 400 Euro. „Wir mussten schon einige Male mit Bußgeldern drohen, verhängt haben wir sie noch nicht”, sagt Manfred Speil von der Hagener Schulverwaltung. Dass Eltern sich zunächst weigerten, ihren Kindern die Förderung zugute kommen zu lassen, sei freilich die Ausnahme.

Maria Jüttemeier, die Leiterin der Erwin-Hegemann-Schule, sieht Sprachdefizite bei vierjährigen Kindern auch nicht als Makel, für den man sich schämen müsste. „Wir versuchen den Eltern vielmehr zu erklären: „Das ist eine Chance für eure Kinder'”.