Hagen-Mitte. . Kann man Bunkergrusel mit deutsch-französischer Freundschaftskulinarik kombinieren? Dieser Frage bewegte jetzt den Hagener Kulturausschuss.

Ist dies eine angemessene Form der Erinnerungskultur? Wird hier gar ein revisionistisches Geschichtsbild geprägt, also aufgrund pseudowissenschaftlicher Erkenntnisse historische Wahrheit umgedeutet? Diesen Fragen wollte zuletzt der Hagener Kulturausschuss mit Blick auf den Hochbunker Bergstraße auf den Grund gehen.

Die Ratsfraktion BfHo/Piraten hatte erhebliche Zweifel formulierte, ob die dort jüngst eröffnete Gastronomie „Flamm’s am Bunker“ einen angemessenen Umgang mit den tatsächlichen, meist unrühmlichen Kriegswahrheiten darstelle. Fraktionssprecher Christian Specht bat um eine fachliche Einordnung durch den städtischen Historiker Dr. Ralf Blank.

Zweifel am „Histotainment“

Der Leiter des Fachdienstes Wissenschaft, Museum und Archive, vom Kulturausschussvorsitzenden augenzwinkernd als „kulinarischer Beauftragter der Stadt Hagen“ vorgestellt, machte deutlich, dass das neue gastronomische Angebot in Kombination mit dem Bunker in seinen Augen ein „merkwürdiges Geschichtsverständnis“ dokumentiere.

CDU-Ratsherr Thomas Walter sprach gar von „Histotainment“ und äußerte sein Befremden darüber, dass die privat geführte, museale Einrichtung ungeniert Bunkergrusel in Kombination mit Flammkuchen serviere. Damit hob er ab auf das Besucher-Arrangement „Bunker-Dinner & Fliegeralarm“, das auf der Homepage als Erlebnisangebot offeriert wird: „Entdecken Sie die bizarre, dunkle Bunkerwelt von damals und kosten Sie anschließende die elsässische Flammkuchen-Küche mit einem Vier-Gänge Menü im Ambiente der Kriegs- und Nachkriegszeit und genießen den Frieden, in dem wir leben.“

Ursprünglich italienische Baufacharbeiter

Blank stellte klar, dass es sich bei dem Restaurationsbetrieb eigentlich um eine Pizzeria handeln müsse, da es ursprünglich italienische Baufacharbeiter gewesen seien, die den Bunkerbau begonnen hätten. Erst als die Verpflegung arg zu wünschen übrig ließ, kehrten diese nicht mehr aus ihren Heimaturlauben zurück und wurden durch französische Kriegsgefangene ersetzt, die den Bau vollendeten.

Grundsätzlich erinnerte der Historiker daran, dass das Bunkerprogramm in der 40er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts unter den Fittichen von Hitlers Haus- und Hof-Architekten Albert Speer als steinerne Mahnmale der glorreichen Heimatfront realisiert wurde. Vor diesem Hintergrund müsse man auch heute noch kritisch hinterfragen, wie der Bunker dargestellt und rezipiert werde, mahnte Blank eine reflektierteren Umgang mit dem Objekt an: „Mir stößt das als Historiker übel auf, das könnte man besser machen.“

Bereits Ende Februar habe er Kontakt zu Bunker-Besitzerin Michaela Beiderbeck aufgenommen, um die Präsentation in ein sinnvolleres Fahrwasser zu lotsen: „Es fehlt an der historischen Betreuung“.

Ergänzung durch Bombenmuseum

Eine Kritik, die die Betroffene weit von sich weist. In dem Gespräch mit Blank sei es lediglich um dessen Idee gegangen, in dem Betonkoloss an der Bergstraße ein Bombenmuseum zu etablieren. Eine Idee, der sie durchaus aufgeschlossen gegenüber stehe, allerdings habe sie von dem städtischen Historiker seit dem Erstkontakt nichts Inhaltliches mehr gehört.

Das Bunkerkonzept, das von zahlreichen fachkundigen Experten bei ihren Besuchen gelobt und dem Einzigartigkeit attestiert werde, habe wiederum der Hagener Historiker Dr. Gerhard Osthoff entwickelt. Zudem hätten zahlreiche Zeitzeugen die Inhalte der musealen Ausstellung geprägt: „Diese sind mir die Liebsten, weil man Informationen aus ersten Hand erhält“, verweist Michaela Beiderbeck auf zahlreiche Interviews, die auch alle für die Nachwelt dokumentiert worden seien.

Veteranen ohne Berührungsängste

Aus Zeitzeugen-Kontakten sei auch die jüngste Verknüpfung des Bunker-Konzeptes mit einer frankophil geprägten Gastronomie entstanden. Dass dort französische Kriegsgefangene den Bau realisiert hätten, ergebe sich nicht bloß aus historischen Unterlagen, sondern vor allem auch aus Erzählungen von Besuchern, die in der Bergstraße damals als Nachbarn wohnten oder von ihren französischen Vätern und Großvätern berichteten, die einst auf der Baustelle gearbeitet haben.

Diese zeigten auch keinerlei Berührungsängste mit dem Zusammenspiel aus Bunkererlebnissen und kulinarischem Verwöhnprogramm. „Selbst französische Veteranengruppen, die bei uns vorbeischauen, finden das Angebot angemessen“, erzählt Beiderbeck, dass die deutsch-französische Freundschaft an der Bergstraße heute längst unbefangen durch den Magen gehe.


>>HINTERGRUND: AUTARKE WELT

Der Bunker in der Bergstraße gilt als ein Unikat, das in seinen Kellerkatakomben mit seinen originalgetreu eingerichteten Räumen die Atmosphäre der Kriegsjahre widerspiegelt.

Besucher können in den vielen kleinen Zellen das Leben der Schutzsuchenden von damals nachempfinden und die bedrückende und beengte Welt hautnah unter dem Dröhnen der Bombeneinschläge erleben.

Dabei gilt das unbequeme Mahnmal als ein sogenannter Luxus-Bunker mit seltenem Notstromaggregat, riesiger, restaurierter Lüftungsanlage, mit einer imposanten Filteranlage gegen Gasangriffe, ungewöhnlicher Heizungsanlage, Notküche, Sanitätsraum, wo Frauen ihre Kinder unterm Bombenhagel bekamen, und sogar mit eigenem Brunnen, der die Menschen hier autark überleben ließ.