Hohenlimburg. Simone Lange will gegen den Willen der Parteispitze SPD-Vorsitzende werden. Die kurze Bewerbungstour führt sie nach Hohenlimburg. Aus gutem Grund.
Schick ist es hier nicht. Mit dieser Wertung tritt man dem Haus Nordhoff an der Iserlohner Straße in Elsey sicherlich nicht zu nahe. Es ist eine einfache, etwas schlauchartige Gaststätte, es gibt Brötchen mit Aufschnitt, die Tische und Stühle sind schon etwas betagt. Kurzum: Es ist die ideale Kulisse für Simone Lange.
Die 41-Jährige ist die Frau, die am 22. April neue SPD-Bundesvorsitzende werden will. Und damit Andrea Nahles verhindern will. Also die Frau, die jetzt schon SPD-Fraktionschefin ist und mit dem Parteivorsitz das Machtzentrum der Sozialdemokraten in Deutschland werden soll. So will es jedenfalls das Partei-Establishment.
Inszenierung als Gegenentwurf
Und gerade dazu inszeniert sich Simone Lange als krasser Gegenentwurf. Ohne Macht und Einfluss ist auch sie nicht. Sie ist Oberbürgermeisterin der 95 000-Einwohner-Stadt Flensburg, sie war schleswig-holsteinische Landtagsabgeordnete. Und jetzt, am Samstagmorgen, ist sie in Hohenlimburg. Mark Krippner, Vorsitzender des SPD-Ortsvereins, hat sie eingeladen – zusammen mit dem benachbarten Ortsverein Letmathe. Aber nicht mit dem Unterbezirk Hagen.
Krippner gehörte auch mal zur lokalen Partei-Elite, war Fraktionsvorsitzender im Stadtrat. Bis er abgewählt wurde. Er hatte sich zuletzt schon in der Debatte um die Große Koalition als Gegner einer solchen positioniert. Jetzt hat er Simone Lange, die Nahles-Gegenkandidatin eingeladen. Warum? „Wir kannten uns vorher nicht. Ich habe nur über sie und ihre Positionen gelesen. Da habe ich sie angeschrieben und sie hat zugesagt.“
Parteispitze fehlt
Und das mit Bedacht, wie sie im WP-Gespräch sagt. Sie war schon in Rheine, Schwäbisch-Hall, Friedland und Hannover. Nach Hohenlimburg ist Hilden dran: „Ich fahre extra nicht in die großen Metropolen. Ich möchte eine Stimme für die Basis sein.“
Diese Botschaft wird sich dann auch wie ein roter Faden durch ihre etwa 45-minütige, frei gehaltene Rede ziehen. Etwa 70 Interessierte sind gekommen, aus ganz Hagen, Iserlohn und auch aus Bochum. Der Saal im Haus Nordhoff ist voll. Auffällig ist, wer nicht da ist: Kein Unterbezirks-Vorsitzender aus Hagen oder dem Märkischen Kreis, kein Fraktionschef, kein Bundestags- oder Landtagsabgeordneter und – außer Krippner – kein Ratsmitglied.
Linkes Programm
Aber auch das passt zu der Inszenierung von Simone Lange. Sie verspricht, dass sie als Vorsitzende die Basisarbeit massiv stärken will. Die Hälfte des Bundesvorstandes soll aus ehrenamtlichen Basis-Mitgliedern bestehen, Ämterhäufung soll vermieden werden. Auch über das Internet will sie die einzelnen Parteimitglieder stärker direkt mit dem Bundesvorstand verbinden.
Parteispitze: „Delegierte sind frei in Entscheidung“
Der SPD-Unterbezirksvorsitzende Timo Schisanowski hat von der Veranstaltung mit Simone Lange nur über Facebook erfahren. Das sagt er auf WP-Nachfrage. „Einladungen erhalten haben wohl die Mitglieder der beiden Ortsvereine Hohenlimburg und Letmathe.“
Für wen die beiden Hagener Delegierten (Anna Knipps und Matthias Kunz) beim Bundesparteitag stimmen, sei offen: „Unsere beiden Hagener Delegierten haben keine Vorgabe seitens des Unterbezirks erhalten sondern sind frei in ihrer Entscheidung.“
Persönlich betont die verheiratete zweifache Mutter ihre Bodenständigkeit: Als Polizeibeamtin habe sie „die Schattenseiten der Gesellschaft kennengelernt. Die Zeit hat mich extrem geprägt.“
Inhaltlich präsentiert sie sich in Hohenlimburg mit einem dezidiert linken Programm. Sie will ein Grundeinkommen diskutieren, den Arbeitsmarkt sozialer gestalten. Mit den Hartz-Reformen habe Gerhard Schröder vielleicht etwas Gutes gewollt. „Aber wir müssen uns eingestehen, dass wir damit einen Teil unserer Werte verraten haben. Ich werde mich als Bundesvorsitzende dafür entschuldigen.“
Simone Lange zeigt sich siegesgewiss
Bei den Besuchern im Haus Nordhoff kommt das an. Der Applaus ist groß, die Fragen in der anschließenden rund halbstündigen Diskussion sind eher eine Bestätigung für Lange als ein kritisches Nachhaken. Bernd Schmidt, Vorsitzender im Ortsverein Altenhagen, der dem Unterbezirksvorstand eher kritisch gegenüber steht, ist zufrieden: „Ich bin ganz ergebnisoffen hier in die Veranstaltung reingegangen. Aber Simone Lange war sehr erfrischend und überzeugend.“ Auch Mark Krippner hatte anfang noch tief gestapelt: Auch ihn müsse die Flensburger Oberbürgermeisterin erst einmal überzeugen. „Das hat Du geschafft. Ich spüre jetzt wieder ganz viel Lust, mich einzubringen.“
Gleichwohl: Sie alle werden nicht Simone Lange wählen können. Und die beiden Hagener Parteitagsdelegierten, die dies am 22. April tun dürfen, waren nicht vor Ort. Simone Lange gibt sich trotzdem kämpferisch: Alle sollten jetzt eben diese Delegierten anschreiben und sie von ihr zu überzeugen.