Hagen. . Nun werden Fahrverbote auch in Hagen wahrscheinlich. Die Deutsche Umwelthilfe erklärt, dass Hagen bei einer Sammelklage dabei sein könnte.

Mit dem Urteil des Leipziger Bundesverwaltungsgerichts werden künftig auch auf dem Märkischen Ring in Höhe der Finanzamtsschlucht Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge möglich sein. Und die Wahrscheinlichkeit steigt: Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), erklärte gestern im WESTFALENPOST-Gespräch, dass Hagen bei einer Sammelklage als nächstes an der Reihe sein könnte. In Hagen, so Resch, solle man das Urteil mit „besonders roten Ohren“ lesen.

33 474 Dieselfahrzeuge (Stand: Februar 2017) sind in Hagen angemeldet – und nur 5553 davon erfüllen die Euro-6-Norm, mit der man um ein Fahrverbot umhin kommt.

"Verbote sind Gift für den Handel"

Hans-Georg Panzer, Grünen-Ratsherr und Vorsitzender des Umweltausschusses

Ich begrüße das Urteil. Seit zehn Jahren doktern wir an dem Thema herum, jetzt hat die Herumeierei ein Ende. Unser Lkw-Routenkonzept können wir eigentlich in die Tonne kloppen, denn die Hauptverursacher für die Stickstoffdioxidbelastung sind die Diesel-Pkw. Wir müssen uns mit dem Thema intensiver auseinander setzen. Langfristige Maßnahmen wie ein ÖPNV-Ausbau oder Abrissszenarien greifen jetzt nicht. Vielmehr müssen wir darüber nachdenken, die Finanzamtsschlucht zu sperren oder beispielsweise nur noch Autos mit ungeraden Kennzeichen in die Stadt zu lassen. Wer das dann kontrolliert, bleibt zu klären.

Klaus Willmers, Geschäftsführer Handelsverband Westfalen

Dieselfahrverbote sind Gift für den Innenstadthandel. Ansässige Handelsunternehmen würden in ihrer Existenz bedroht. Die Kundenfrequenzen würden zudem drastisch einbrechen.

Bettina Schwegmann, Geschäftsführerin des Märkischen Arbeitgeberverbandes

Dieselfahrverbote gehen nicht nur an den alltäglichen Erfordernissen der heimischen Wirtschaft vorbei, sie bedrohen auch die Existenz vor allem unserer kleineren und mittleren Mitgliedsunternehmen, auf die Hagen ganz besonders angewiesen ist.

Michael Ellinghaus, Geschäftsführer Hagen-Agentur

Die Diskussion über mögliche Dieselfahrverbote in deutschen Großstädten ist zu einseitig. Hierbei werden in jedem Fall die Interessen des Einzelhandels, aber auch der Logistikwirtschaft nicht angemessen berücksichtigt - beide Bereiche sind von grundlegender Bedeutung für die Versorgung von Unternehmen und Menschen mit Gütern. Deshalb bedarf es intelligenter Lösungen, die über einfache Verbote hinausgehen.

Lars Martin, örtlicher Geschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes

Als Gastgeber sind unsere Unternehmen existenziell darauf angewiesen, dass Gäste sie auch erreichen können. Ein Dieselfahrverbot hätte zur Folge, dass viele Gäste schlichtweg nicht mehr die Betriebe anfahren könnten, was erhebliche existenzbedrohende Folgen für die Unternehmerinnen und Unternehmer in Gastronomie und Hotellerie hätte.

Werner König, umweltpolitischer Sprecher der SPD-Ratsfraktion

Wir sollten nicht über Fahrverbote, sondern über saubere Luft reden. Jetzt müssen die Hersteller ran und nachrüsten. Außerdem gilt es, vor allem die Maßnahmen aus dem Luftreinhalteplan konsequent umzusetzen, verkehrslenkende Maßnahmen neu zu überdenken sowie ÖPNV-Ausbau und P&R-Konzepte anzugehen.

Stephan Ramrath, CDU-Fraktionschef

„Das Urteil besagt nur, dass kommunale Fahrverbote für Dieselfahrzeuge prinzipiell möglich sind. Den Hinweis der Richter, dabei die Verhältnismäßigkeit im Blick zu behalten, kann ich nur beipflichten: Wir wollen deshalb mit einem breiten Bündel von Maßnahmen die Luftschadstoffe in Hagen reduzieren. Wir wollen pauschale Fahrverbote, welche die Erreichbarkeit der Innenstadt mindern, vermeiden.“

Peter Arnusch, umweltpolitischer Sprecher der Ratsfraktion Bürger für Hohenlimburg/Piraten

Der Schutz der menschlichen Gesundheit muss Vorrang vor allen anderen Belangen haben. Dass jedoch Otto Normalverbraucher hierfür die Zeche zahlt, während die rücksichtslosen Automobilkonzerne ungeschoren davon kommen, ist ein Skandal, den die Großkoalitionäre SPD und CDU zu verantworten haben.

Alexander Plahr, umweltpolitischer Sprecher der Hagener FDP

Jetzt rächt sich, dass sich die bisherige Strategie der Verwaltung trotz unserer Warnungen in Abwarten erschöpfte. Hagen braucht so schnell wie möglich eine Offensive für Elektromobilität. Verwaltung und städtische Töchter dürfen sich nicht darauf ausruhen, dass mögliche Fahrverbote sie anders als den Normalbürger wohl nicht treffen werden, sondern müssen erst selbst alles Machbare zur Verbesserung der Luftqualität tun, bevor der Bürger in die Pflicht genommen wird.

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Die Deutsche Umwelthilfe

„Wenn wir nach diesem Urteil nun feststellen, dass man in Hagen den Schuss nicht gehört hat, dann werden wir klagen“, sagt Jürgen Resch gestern am Telefon in einem Leipziger Hotelzimmer und macht die Entschlossenheit der DUH nochmals deutlich: „Wir werden jetzt exekutieren. Hagen steht auf der Shortlist.“ Heißt auf Deutsch: Hagen ist in der engsten Auswahl.

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Was man auch in Hagen nicht länger akzeptieren werde, seien generelle Durchhalte-Aussagen wie „Irgendwann ergreifen mal wir mal wirkende Maßnahmen.“ Resch: „Es bringt auch nichts, den ÖPNV kostengünstiger zu gestalten. Der ist so kaputtgespart worden, dass die Flotten längst nicht mehr auf dem zeitgemäßen Stand sind. Und ich bin es leid, Luft-Grenzwerte zu verteidigen, die ich vor 20 Jahren in Brüssel bekämpft habe.“

Wenn aus der Spenderschaft der DUH nun wieder die nötigen Gelder für eine Sammelklage gegen fünf oder sechs Städte zusammenkomme, dann gehöre Hagen wahrscheinlich dazu. „Wir gewinnen seit 13 Jahren, weil wir Gesetze lesen“, so Resch und sendet eine deutliche Botschaft auch nach Hagen: „Das nationale Recht ist aufgehoben worden. Schutzwerte, die höher anzusehen sind als alles andere, werden mit Füßen getreten. Damit ist jetzt Schluss.“

Sollte die DUH im Hagener Fall klagen, dann auf Einhaltung der Luftqualitätswerte mit dem schnellstmöglichen Mittel. „Das kann ein Fahrverbot sein“, sagt Resch und fragt gleichzeitig, ob man in Hagen auch schon mal über eine City-Maut nachgedacht habe.

Aus Brüssel drohen hohe Bußgelder

Die bisherige grüne Umweltzone, zu der z.B. die gesamte Hagener Innenstadt zählt, erfasst lediglich den Ausstoß von Feinstaub. Es ist jedoch inzwischen längst erwiesen, dass Stickoxide (NOx) genauso schädlich sind.

  • In vielen Großstädten, so auch in Hagen, werden die von der EU-Kommission seit 2015 vorgegebenen Luftreinhaltungsrichtwerte von durchschnittlich 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid/m³ im Jahr schon lange überschritten – im Jahr 2017 zuletzt um 20 Prozent. Hier drohen aus Brüssel hohe Buß­gelder.

  • Vor diesem Hintergrund eröffnet der Gesetzgeber den Städten die Möglichkeit, in besonders belasteten Bereichen wie der ­Finanzamtsschlucht blaue Umweltzonen einzuführen. In diese dürfen dann nur Fahrzeuge mit blauer Plakette einfahren.

  • Alle Diesel-Pkw unterhalb der Euro-6-Norm dürfen in blaue Umweltzonen nicht mehr einfahren. Außerdem erhalten alle ­Benziner, die bereits jetzt die grüne Plakette haben, auch eine blaue Plakette. Selbstverständlich auch alle Elektro- und ­Hybridfahrzeuge.

  • Bis Mitte März werde man weitere Messungen und Analysen abwarten und dann über das weitere Vorgehen entscheiden. Klar ist aber schon: Es wird juristisch eng für Hagen.

    Oberbürgermeister Schulz: "Können Innenstädte nicht abriegeln"

    „Wir können die Innenstädte nicht abriegeln“, verweist Hagens Oberbürgermeister Erik O. Schulz darauf, dass die Richter auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in den Vordergrund gerückt hätten. Daher appelliert er an den Bund, jetzt nicht bloß durch Einführung der blauen Plakette eine einheitliche Regelung herbeizuführen, sondern auch die Automobilindustrie in die Pflicht zu nehmen, neben Software-Updates effektive technische Nachrüstungen zu liefern. Für Hagen bedeute das Urteil, neben intelligenter Verkehrssteuerung noch konsequenter die Maßnahmen aus dem gültigen Luftreinhalteplan umzusetzen.

    Konkret denkt Schulz dabei an ein E-Mobilitätskonzept, das neben der WBH- und der Bus-Fahrzeugflotte auch Taxen und Car-Sharing-Anbieter umfasst. Zudem müsse die innerstädtische Lieferlogistik noch einmal überprüft werden und die Stadtverwaltung sich auch selbst fragen, wie die 2500 Bediensteten eigentlich täglich unterwegs seien. „Ob das am Ende reicht, dahinter mache ich noch ein großes Fragezeichen. Ich kann heute Fahrverbote nicht ausschließen, sie müssen jedoch die Ultima Ratio sein.“ Der OB betont, dass er das Leipziger Urteil als einen Impuls betrachte, die Debatte in Hagen mit größerer Ernsthaftigkeit zu führen.

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