Hagen. . 40 000 Zuschauer verfolgen am Rosenmontag den Umzug durch die Hagener Innenstadt. Politischen Biss gab es dabei nur wenig zu entdecken.

Mit der Karnevalskultur entwickelt es sich wie mit den meisten gesellschaftlichen Ereignissen dieser Zeit: Es kommt lediglich auf die schrille Verpackung an – die Inhalte werden immer beliebiger und flacher.

Wer Narretei als die Chance der gemeinen Bürger begreift, den sogenannten Großkopferten einmal im Jahr drastisch, frech und unverblümt den Spiegel vorzuhalten, der wurde beim Hagener Rosenmontagszug 2018 weitgehend enttäuscht.

Ballermann-Qualitäten

Fußgruppen oder Motivwagen, die mal bissig, mal augenzwinkernd, humoristisch oder mit bitterbösem Schalk den Finger in die zahlreichen Hagener Wunden legten, blieben Mangelware. Lediglich die „Hagener Schlummerland“-Fußgruppe, die auf die verpasste Chancen der Stadt abhob, und der „Erik-O-Bar“-Prunkwagen, der die Rathaus-Crew auf ihre Ballermann-Qualitäten reduzierte, entwickelten jenen lokalpolitischen Esprit, der den Karneval so reizvoll macht.

Im traditionellen Trinkergehege wird mit großer Inbrunst geschunkelt.
Im traditionellen Trinkergehege wird mit großer Inbrunst geschunkelt.

Mit einem herzlichen „Guten Morgen“ hatten kurz vor 14 Uhr Prinz Olaf I. und seine Lieblichkeit Anja II. das jecke Volk zur Schlüsselübergabe begrüßt. Dabei hatten die Tollitäten bei Oberbürgermeister Erik O. Schulz leichtes Spiel: Der gebützte Rathaus-Regent überließ willig die Insignien seiner Macht dem Hagener Prinzenpaar, zumal Olaf I. versicherte, das 1,1 Milliarden-Euro-Minus der Stadt um flotte zwei Nullen gekürzt zu haben.

Geniestreich schafft Luft für Träumereien

Ein finanztechnischer Geniestreich, der Schulz dazu verleitete, den Hagenern prompt die Erfüllung aller Wünsche zuzusagen und die diesjährigen Würdenträger, die ja erst auf den letzten Drücker gefunden wurden, auf Lebenszeit ins Prinzenamt zu loben: „Dann seid Ihr auch ohne Fußbank die Größten.“

Vor lauter finanzieller Glückseligkeit verzichtete der Prinz in diesem Jahr erstmalig darauf, seine elf närrischen Gesetze dem Narrenvolk öffentlich kundzutun. Diese hatte er beim Prinzenfrühstück lediglich dem exklusiven Kreis des Trinkergeheges preisgegeben. Dass ausgerechnet das Wohlbehagen-Pflegeteam dort das Gros der Auserwählten stellte, darf eher als besorgniserregendes Signal für die Zukunftsfähigkeit der Festkomitee-Sponsorenschaft gewertet werden.

Gehörnte Kostümideen

Den 40 000 Narren am Straßenrand, bei denen die doppelgehörnten Viecher und Teufelchen sich mit den Einhorn-Imitaten die Waage hielten, gefiel’s dennoch: Die imposante Disneyparade der Heidefreunde, die Charmeattacke der Boeler Barbies und die prallen Farbarrangements der Heide-Flamingos wärmten im Flockengestöber die Herzen der Zuschauer, die im Schunkel-Modus gegen ihre kalten Füße ankämpften.