Eckesey. . Der Werkhof in Hagen hat sich dem Gedanken der Nachhaltigkeit verschrieben. Hier werden nicht nur gebrauchte Möbel und Haushaltswaren verkauft.

Im Büro von Ralph Osthoff steht ein Regal mit geschwungenen Wänden, erst auf den zweiten Blick ist zu erkennen, dass es aus Spanplatten gefertigt ist. Es handelt sich wahrscheinlich um das billigste aller Möbelstücke, das ein Manager in Hagen in seinem Arbeitszimmer aufgestellt hat. Doch für Osthoff, Leiter des Werkhofs in Eckesey, verkörpert das Regal nicht bloß eine Gelegenheit zur Ablage von Akten und Büchern, sondern es ist ein Symbol des Betriebes: „Wir wollen alten Möbeln einen zweiten Lebenssinn verschaffen. Unsere Aufgabe ist es, Möbelschrott wieder aufzuarbeiten.“

Der Werkhof, eine gemeinnützige GmbH, hat sich dem Gedanken der Nachhaltigkeit verschrieben. In den Räumen der alten Villosa-Bonbonfabrik in Eckesey entstand 1998 ein Sozialkaufhaus, in dem alte Möbel aufgearbeitet und zu regelrechten Schleuderpreisen verkauft werden. Dieses System soll natürlich in erster Linie benachteiligten Menschen zugute kommen, doch im Grunde kann sich hier jedermann für kleines Geld eine Wohnungseinrichtung zusammenstellen.

Dramatischer Preisverfall

Gebrauchte, gut erhaltene Möbel und Haushaltswaren aus Spenden oder Haushaltsauflösungen werden im Kaufhaus ausgestellt. Für eine Woche gilt der ausgeschriebene Preis, dann fällt er auf 50 Prozent. Nach einer weiteren Woche kostet jedes Teil, auch die noch so große Schrankgarnitur, nur noch 1 Euro. „Wir retten jedes Jahr Tonnagen von Holz und Möbeln vor der Verbrennung“, sagt Osthoff. Der soziale und ökologische Leitgedanke hinter dieser Strategie geht so weit, dass die alten Möbel nicht einmal neu gestrichen geschweige denn lackiert werden: „Dadurch würden ja wieder Ressourcen verschwendet“, betont der Geschäftsführer.

Zwar wird der Werkhof weitgehend mit der Abteilung „Möbel & mehr“ identifiziert, doch das soziale, karitative Unternehmen ist mehr als ein Möbelmarkt. Vor allem ist es eine Qualifizierungsstätte für Langzeitarbeitslose, jugendliche Streuner, Behinderte, Flüchtlinge und alle anderen Menschen, denen es schwer fällt, in der Gesellschaft Fuß zu fassen.

Geregelte Tätigkeit

In der Schreinerei des Werkhofs, in der Boutique, der Kantine, der Verwaltung, im Lager oder in der Logistik finden sie eine geregelte Tätigkeit und damit Zugang zu einem strukturierten Leben. „Die Arbeit bedeutet mir sehr viel“, berichtet Kai Weber (42), der im Möbelmarkt beschäftigt ist, von seinen Erfahrungen: „Hier habe ich viel mit Menschen zu tun, das liegt mir. Und es ist sehr wichtig für mich, dass mir dieser Job einen geregelten Tagesablauf ermöglicht.“

53 Ein-Euro-Jobber sind derzeit im Werkhof tätig, sie erhalten 1,50 Euro pro Stunde, im Krankheitsfall wird die Bezahlung eingestellt und es gibt auch keinen Urlaub. Dennoch bleiben erstaunlich viele der Teilnehmer an den verschiedenen Qualifizierungsmaßnahmen am Ball, immerhin knapp 20 Prozent der Langzeitarbeitslosen können nach ihrer Beschäftigung im Werkhof in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden – eine beachtliche Quote für eine Gruppe, die die Statistik der Arbeitsagentur regelmäßig mit Negativmeldungen verdüstert.

Gemeinnützige Gesellschaft

Mit den herkömmlichen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen oder honorigen Ansprachen könne man diese Menschen nicht dazu bringen, einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen, berichtet Sozialpädagogin Ina Schulz: „Das kriegt man nur hin, wenn man eine betriebsähnliche Struktur hat. Die Motivation der Betroffenen entsteht erst durch die Erfahrungen, die sie in der täglichen Routine bei uns machen.“

Auch beim Werkhof selbst sind einige dieser Frauen und Männer nach dem Durchlaufen diverser Fördermaßnahmen inzwischen fest angestellt.

Schwarze Null

Als gemeinnützige Gesellschaft im Besitz der öffentlichen Hand unterliegt der Werkhof nicht der Direktive, möglichst viel Profit einzufahren. Ein gewisser marktwirtschaftlicher Druck existiert aber dennoch. Zum einen geht es im Kantinengeschäft und auf der Plattform „Ecomöbel“, wo hochwertige, schadstoffgeprüfte und individuell gestaltete Gebrauchtmöbel angeboten werden, sehr wohl darum, Gewinne zu machen. Deshalb dürfen in diesen Bereichen auch keine Ein-Euro-Jobber eingesetzt werden.

Doch auch der gemeinnützige Teil des Unternehmens ist verpflichtet, eine schwarze Null zu schreiben. Nie wieder soll es zu einem Desaster wie 2006/07 kommen, als der Werkhof auch im Baugewerbe engagiert war, von einer Krise in die nächste taumelte, das gesamte Eigenkapital vernichtete und die Existenz akut gefährdet war. Sogar betriebsbedingte Kündigungen mussten damals ausgesprochen werden – für einen Betrieb mit sozialpolitischem Anspruch, dessen Miteigentümerin noch dazu die Stadt Hagen war, eigentlich ein undenkbares Szenario.

Sozialstunden ableisten

Und doch musste der Werkhof, um sein Überleben zu sichern, die Bausparte aufgeben. „Heute sind wir eine unpro­blematische Tochter der Stadt“, blickt Osthoff auf die erfolgreiche Konsolidierung zurück.

Ina Schulz liegen besonders ihre jugendlichen Schützlinge am Herzen. Vom Schulschwänzer bis zum Straftäter können junge Leute im Werkhof Sozialstunden ableisten – Mädchen zumeist in der Küchenreinigung, Jungs im Lager: „Irgendwelche Arbeiten finden sich immer.“

Anspruchsvolle Förderung

Anspruchsvoll gestaltet sich das vom Land NRW unterstützte Förderprogramm „Teilzeitberufsausbildung“, von dem vor allem Alleinerziehende und junge Frauen, die ihre Eltern pflegen, profitieren. Oft haben sie aufgrund ihrer familiären Probleme keine Ausbildung oder Umschulung absolviert.

„Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Betroffenen sich umso weniger um ihre eigene Zukunft kümmern, desto schwieriger ihre familiäre Belastung ist“, sagt Ina Schulz, die die Teilnehmer bis hin zum Schreiben von Bewerbungen umfassend betreut. Auch dies mit Erfolg: Von 21 jungen Frauen, die seit 2015 im Rahmen dieses Programms gefördert wurden, haben immerhin zehn eine ordentliche Berufsausbildung aufgenommen.

Erfolgreiche Programme

Das Patchwerk bietet dagegen moslemischen Frauen mit Migrationshintergrund eine Arbeitsgelegenheit. Zehn von ihnen sind in der kleinen Textilwerkstatt tätig und nähen unter der Anleitung von Schneidermeisterin Kerstin Grundmann, die seit sechs Jahren im Werkhof tätig ist: „Sie können hier in einem geschützten Raum arbeiten, denn es ist ihnen unangenehm, beobachtet zu werden. Es herrscht ein herzliches Miteinander.“

Und das, obwohl die Frauen ganz unterschiedlichen Nationalitäten (Türkei, Kurdistan, Griechenland, Syrien) angehören, die nicht unbedingt für ein freundschaftliches Verhältnis zueinander bekannt sind. In der Textilwerkstatt spielt die Nationalität keine Rolle, schließlich trainieren die Frauen über die tägliche Arbeit hinaus den Gebrauch der deutschen Sprache. Der Werkhof ist eben viel mehr als ein Möbelmarkt.

>>Hintergrund: HVG hält Mehrheit

  • Die gemeinnützige Werkhof GmbH befindet sich zu 51 Prozent im Besitz der Hagener Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft (HVG). 23 Prozent der Anteile hält die Stadt Hagen, 26 Prozent der Werkhof Hohenlimburg e.V.
  • Aus diesem Kulturzentrum, das sich um die ehemalige Hohenlimburger Schlossbrauerei kümmerte und dabei auch Arbeitslosen eine Ausbildung verschaffte, ging die GmbH auch hervor. Sie wurde 1997 gegründet und übernahm seitdem vielfältige Arbeits- und Ausbildungsprojekte.
  • Bekannt ist der Werkhof heute vor allem für seine Sozialkaufhäuser in Eckesey, Iserlohn und Halver. Werb alte Möbel abzugeben hat, kann sich unter 922850 melden.
  • Das Fun-Werk in der Obernahmer ist eine freizeitpädagogische Einrichtung, wo unter anderem Fußball, Kicker und Darts gespielt werden.
  • Im Projekt „Rückspiel“ reparieren Menschen mit unterschiedlichem Förderbedarf gebrauchtes Spielzeug, das dann an bedürftige Familien wieder abgegeben wird. Wer Spielzeug abgeben möchte, kann dies vor Ort in der Kaiserstraße 1 oder in der Arbeitsagentur (Körnerstraße) tun.
  • Weitere Infos und Projekte zum Werkhof gibt es unter der Internetadresse www.werkhof-hagen.de.