Hagen. . Eine Hagener Ärztin ist laut Amtsgericht für die schwere Behinderung eines Kindes verantwortlich. Sie wird zu einer Geldstrafe verurteilt.

Das Amtsgericht hat die Ärztin (56) eines Hagener Krankenhauses wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 19 200 Euro verurteilt. Die Medizinerin hatte im Sommer 2013 einer schwangeren Patientin ein Präparat verordnet, dass bei der Frau einen allergischen Schock auslöste. Dadurch kam ihr Kind schwerstbehindert zur Welt.

Tanja (41) und Thorsten Zinkann (42) haben gekämpft und werden auch weiterhin kämpfen müssen. Das Leben des Ehepaares aus Ennepetal-Voerde hat sich seit dem 6. August 2013 dramatisch verändert. Da wurde, völlig ungeplant in der 31. Schwangerschaftswoche, ihre heute vierjährige Tochter Lara Viktoria geboren: „Unsere kleine Maus“, wie die Eltern das Mädchen liebevoll nennen. Doch aufgrund eines verhängnisvollen Arztfehlers wird ihr Kind für immer auf Hilfe angewiesen sein – und „die kleine Maus“ bleiben.

Vierjährige Lara auf dem Stand eines Säuglings

Denn Lara Viktoria hat durch eine fragwürdige Medikamentengabe irreparabele Hirnschädigungen davongetragen: „Meine Tochter ist bis heute auf dem Stand eines Säuglings“, berichtete Mutter Tanja Zinkann gestern tapfer vor Gericht, „sie kann nicht sitzen, nicht krabbeln, nicht sprechen, nicht stehen, nichts.“

Vor Zivilkammer am Landgericht läuft weiterer Prozess

Aufgrund des Ärztefehlers haben die Eheleute Zinkann auch eine Zivilklage beim Landgericht eingereicht. Es geht um Schadensersatz und Schmerzensgeld.

Verlangt werden 560 000 Euro. Das Krankenhaus hat signalisiert, nur 75 Prozent der geforderten Summe zahlen zu wollen. Eine Entscheidung steht noch aus.

Die Klinikärztin, angeklagt vor dem erweiterten Schöffengericht, hatte die Patientin seinerzeit an einen Tropf mit „Gelafundin“-Lösung anschließen lassen. Damit sollten bei der schwangeren Frau die Fruchtwasserproduktion angeregt werden. Kaum war das Medikament injiziert, lief Tanja Zinkann krebsrot an, alles brannte, die Luft blieb ihr weg. Allergische Schockreaktion. Die Patientin musste reanimiert werden. Zu diesem Zeitpunkt ging es um Leben und Tod von Mutter und Kind.

Sauerstoffzufuhr war unterbrochen

Schwestern und Ärzte, auch aus einem anderen Krankenhaus, eilten zur Hilfe herbei. Tanja Zinkann: „Ich hatte panische Angst, mit einem Kind, das sich im Bauch zu Tode strampelt. Das vergisst man nie.“ Währenddessen ist die Sauerstoffzufuhr zum Kind im Mutterleib unterbrochen. Die Notgeburt musste eingeleitet werden. Lara Viktoria kam mit schwerem Hirnschaden zur Welt und wird immer ein Pflegefall (Stufe 5) bleiben.

Die Ärztin hat bis heute kein Wort der Entschuldigung gefunden, im Gegenteil: „Ich ärgere mich im Nachhinein darüber, denn eigentlich hatte ich damals schon seit zwei Stunden Feierabend“, erklärte sie dreist. „Mein eigenes Pflichtbewusstsein hat mich auf die Anklagebank gebracht. Sonst säße heute eine Kollegin hier.“

Krankenhaus zieht Medikament aus dem Verkehr

Das Krankenhaus hat das umstrittene Medikament seit dem tragischen Ereignis nie mehr bei Schwangeren eingesetzt. Bis zu diesem Vorfall war es hingegen ein jahrelang praktizierter Routinefall, obwohl auf dem Beipackzettel ausdrücklich davor gewarnt wird.

Vorsitzender Richter Michael Brass im Urteil: „Das Strafrecht kommt hier an die Grenzen seiner Funktion. Denn die Eltern und das Kind werden zeitlebens unter den Folgen zu leiden haben.“