Hagen. 20 Fragen in 18 Minuten beantworten – der Aufgabe hat sich Hagens Oberbürgermeister Erik Schulz gestellt. Die Antworten gibt es auch als Tonspur.

Am Ende ist es eng geworden für den Oberbürgermeister. Zumindest zeitlich. Erik O. Schulz musste bei dem neuen Interview-Format der WESTFALENPOST erkennen, dass die 18 Minuten schnell vorbei waren, in denen er 20 Fragen beantworten musste. In Sachen Müll, Gewerbeflächen oder auch Integration blickt er auf das kommende Jahr.

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1. Was war für Sie persönlich der bewegendste Moment im vergangenen Jahr?

Erik O. Schulz: Für mich persönlich war sicherlich der bewegendste Momente der Tod meines Schwiegervaters.

2. Was war Ihr größter Erfolg im vergangenen Jahr?

Schulz: Dass es uns nach einem Vierteljahrhundert gelungen ist, einen ausgeglichenen Haushalt auszuweisen, der noch nicht unsere Schuldenproblematik löst, aber der zeigt, dass die Stadt mit dem Geld, das sie reinbekommt, erstmals wieder auskommt. Da hat mich schon ein Stück weit stolz gemacht.

3. Was war ihr größter Misserfolg im vergangenen Jahr?

Schulz: Dass die Stadt mit dem Versuch der Regionale-Bewerbung gescheitert ist. Das hab ich zwar sportlich gesehen. Wenn man sich an einem Wettbewerb beteiligt, dann muss man einkalkulieren, dass man auch verlieren kann. Aber natürlich habe ich das schon als Misserfolg für die Stadt gewertet – nicht unbedingt als persönlichen. Auf der anderen Seite hat es uns auch angespornt, einen neuen Weg zu finden.


Die Stoppuhr spielt eine entscheidende Rolle bei dem neuen Interview-Format: Oberbürgermeister hat sich als Erster den 20 Fragen gestellt, die er in 18 Minuten beantworten muss.
Die Stoppuhr spielt eine entscheidende Rolle bei dem neuen Interview-Format: Oberbürgermeister hat sich als Erster den 20 Fragen gestellt, die er in 18 Minuten beantworten muss. © Mike Fiebig

4. Welches Thema wird das wichtigste für Hagen im kommenden Jahr werden?

Schulz: Mit der Ausarbeitung des Stadtentwicklungskonzept wollen wir uns verständigen, wo wir eigentlich hin wollen in dieser Stadt. Wie wollen wir wohnen? Wo wollen wir arbeiten, wie soll die Stadt aussehen? Das wird 2018 ganz stark die Politik und die Arbeit in der Stadt beschäftigen. Das zweite wichtige Thema wird sicherlich sein, wie es uns gelingen wird, in der Stadt die Zuwanderung von Menschen zu gestalten.

5. Das Welche Initiativen wollen Sie als OB starten, um dem Problem im Jahr 2018 Herr zu werden?

Schulz: Wir haben mit den beiden Grundreinigungsaktion gezeigt, dass es geht. Und die waren ja durchaus mit dem Ziel auf den Weg gebracht worden, ein Stück Hoffnung zu machen, weil der ein oder andere ja vorher das Gefühl hatte: Das macht doch eh keinen Sinn. Es nutzt aber auch nichts, sich eine rosarote Brille aufzusetzen. Am Ende glaube ich – das habe ich vor Jahren auch mal anders gesehen – kommen wir nicht um stärkere Kontrollen und nicht um ein rigideres Vorgehen umhin. Ich glaube, die Bürger haben auch einen Anspruch darauf, dass zur öffentlichen Sicherheit auch die öffentliche Ordnung wird. Das bedeutet, dass man möglicherweise auch mit etwas drakonischeren Strafen vorgehen muss. Das ist nicht ganz einfach. Aber da muss Verwaltung sich einen Kopf machen.

6. Welche neuen Gewerbeflächen werden sie als OB im nächsten Jahr ganz konkret Interessenten anbieten können?

Schulz: Wir brauchen 60 Hektar in den nächsten 15 Jahren. Das ist eine Menge, die haben wir derzeit nicht. Deshalb haben wir mit der neuen städtischen Flächenentwicklungsgesellschaft HIG das richtige Signal gesetzt. Wir wollen die Varta-Insel kaufen und entwickeln. Sie wissen, dass wir auf der Fläche, die zwischen Bahnhof- und Bahnhofshinterfahrung entsteht, eine schwierige Entscheidung getroffen haben. Eine Stadt, die Gewerbeflächenmangel hat, kann nicht an der ersten Stelle – auch wenn der Reiz groß war und ich auch deutlich Kritik dafür eingesteckt habe – sagen, . Wir sind beim Thema Gewerbeflächen ein gutes Stück vorangekommen. Aber klar ist auch, im Jahr 2018 muss es auch dazu kommen, dass wir Flächen ankaufen.

7. Nicht so viel über Hagen als grüne Stadt reden, sondern mehr Energie auf den Ausbau der Straßen und der Infrastruktur legen. So lautet der Weckruf, den SIHK-Geschäftsführer Ralf Geruschkat und DGB-Chef Stefan Marx in der WP gesendet hat. Haben Sie sich davon angesprochen gefühlt?

Schulz: Es war richtig, dass wir mit der SIHK, dem DGB, dem Arbeitgeberverband, dem Handwerk, der Wirtschaftsförderung und anderen den Standort-Dialog verstetigt haben. Die Partner sitzen jetzt regelmäßig mehrfach im Jahr an einem Tisch und diskutieren alle Standortfragen – von der Infrastruktur bis zu Gewerbeflächen. Natürlich fühle ich mich angesprochen. Vieles von dem, was Sie Weckruf nennen, wird ja mit dem Integrierten Stadtentwicklungskonzept auf den Weg gebracht.

8. Mehr Flüchtlinge, viele Zuwanderer aus Südosteuropa. Viele Hundert Menschen sind binnen kurzer Zeit nach Hagen gekommen. Hand aufs Herz: Kann da die Integration überhaupt gelingen? Oder wird es nicht doch Parallelgesellschaften geben?

Schulz: Parallelgesellschaften darf es nicht geben. Das ist eine Herausforderung für die Stadtgesellschaft. Aber noch mal im Klartext: Wir müssen – das habe ich früher übrigens ein wenig anders gesehen – sehr deutlich sagen, mit welchen Werten und Vorstellungen wir in dieser Gesellschaft zusammen leben wollen. Da gibt es eine Wertekultur, der man sich auch ein Stück weit anzupassen hat.

Das komplette Interview anhören

18 Minuten sind eine kurze Zeit. Einerseits. Andererseits sind sie aber auch zu lang. Zu lang, um jedes gesprochene Wort auf dieser Seite zu protokollieren. So finden Sie hier in der schriftlichen Form eine Zusammenfassung des Gesprächs mit leichten redaktionellen Bearbeitungen.

So hat der OB auf die Frage 9 schon eine (lange) Antworten geben, die eigeltich erst zu den Fragen 10 und 11 passte. Wir haben dies entsprechend angepasst.

Auch ist die Tonspur etwas länger als 18 Minuten – exakt 19 Minuten und 5 Sekunden. Wir haben großzügig die Anmoderation und das Verlesen der Fragen rausgerechnet.

Das alles können Sie, liebe Leserinnen und Leser, aber komplett anhören. Wir stellen Ihnen in diesem Artikel eine Tonspur zu Verfügung, in dem das Interview in voller Länge zu hören ist.

Und in den kommenden Wochen werden wir noch weitere Persönlichkeiten aus ganz unterschiedlichen Bereichen zum Jahr 2018 in dem Format „20 Fragen in 18 Minuten“ befragen. Und zwar:

28. Dezember: Theaterintendant Francis Hüser

30. Dezember: André Dahlhaus, Bürgermeister Breckerfeld

6. Januar: Phoenix-Basketballer Dominik Spohr

12. Dezember: Fernuni-Rektorin Ada Pellert

9. Steht das Thema Familienfreundlichkeit bei Ihnen eigentlich weit genug oben auf der OB–Agenda?

Schulz: Ich glaube schon. Obwohl ich natürlich mit Familien über Kitagebühren sprechen, die neidisch auf andere Städte schauen. Insofern glaube ich, die Notwendigkeit familienfreundliche Angebote in der Stadt ist angekommen. Die finanziellen Möglichkeiten sind bei uns schlicht enger.

10. Sehen Sie eine Chance, dass die Kita-Gebühren gesenkt werden?

Schulz: Ich sage ihnen offen: Ich würde nichts lieber tun, als Familien zu unterstützen, für Kitas nichts zahlen zu müssen. Wenn wir uns verständigen in dieser Gesellschaft, mit Bund und Land, dass das eine gemeinsame Aufgabe ist, dann bin ich sofort dabei. Wenn die Verständigung heißt, dass die Kommunen das alleine stemmen müssen, sage ich ehrlich: Das schaffen wir im Moment nicht.

11. Eltern Sicherheit geben, dass sie einen Kita-Platz in der U-3-Betreuung und einen OGS-Platz bekommen. Wie wollen Sie das als OB erreichen?

Schulz: Wir hatten ja jetzt eine Diskussion um Platzmangel im Offenen Ganztag, und haben das als Verwaltungsvorstand zum Anlass für eine Initiative genommen: Wir können nicht akzeptieren, dass Menschen, die in dieser Stadt berufstätig sein wollen, keine gesicherte Grundschul-Betreuung haben. Deshalb haben wir uns bei der Haushaltsplanungen verständigt, 125 zusätzliche Plätze im OGS-Bereich zu schaffen.

12. Das letzte Drittel der Wahlperiode bricht an. Welche drei Schwerpunkte wollen Sie neu angehen?

Schulz: Erstens: Wir müssen die Chancen, die uns Hengstey- und Harkortsee bieten, auch im Zusammenspiel mit den Nachbarkommunen nutzen. Insofern bin ich froh, dass wir den Brückenbau an der Volmemündung und den jetzt aktuell beschlossenen Flächenkauf am Hengsteysee, der früheren Cargobeamer-Fläche, realisiert haben. Der zweite Punkt: Wir haben mit der Wohnungsmarktstudie die Perspektive aufgezeigt: 300 Wohnungen pro Jahr müssen zurückgebaut und 150 neue errichtet werden. Wir merken jetzt bei den ersten Initiativen, wie schwer das ist. Sobald es konkret wird, sobald es um den einzeln Block geht, gibt es natürlich die Bedenken. Aber wenn wir tatsächlich etwas erreichen wollen, dann müssen wir das auch in absehbarer Zeit anpacken und können es nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben. Das dritte Thema: Wir werden im kommenden Jahr eine große Debattes bekommen, wie wir eigentlich mit der verkehrlichen Situation in der Stadt umgehen.

13. Was wünschen Sie sich von den Ratsmitgliedern im letzten Drittel?

Schulz: Dass das, was uns in den letzten Monaten besser gelungen ist als zu Beginn meiner Amtszeit, noch weiter ausgebaut wird: Durch sachbezogenen Umgang nach gemeinsamen Lösungen suchen – über Parteigrenzen weg. Gucken Sie sich die letzten drei Jahre an und schauen, welche Entscheidung da tatsächlich parteipolitisch präjudiziert sein mussten und welcher sachlich entschieden hätten werden können. Da glaube ich, ist ein bisschen Luft nach oben.

14. Treten Sie im Jahr 2020 wieder an? Nur mit einer Partei im Rücken oder auch völlig unabhängig?

Schulz: Die dreieinhalb Jahre haben mir viel Freude gemacht. Und ich habe das Gefühl, dass ich auch noch eine Menge Energie habe, insofern ist meine Botschaft: weitermachen. Ich gehe davon aus, dass ich weiter die Unterstützung dafür bekomme. Aber am Ende entscheiden die Bürgerinnen und Bürger. Ich würde gerne, wenn es die Hagener wollen.

15. Zukunftswerkstatt, demnächst Bürgerforen z Wie wollen Sie erreichen, dass sich tatsächlich eine breite Masse von Bürgern beteiligt, nicht nur die üblichen Verdächtigen?

Schulz: Für das Thema Bürgerbeteiligung habe ich eine kleine Truppe zusammengestellt. Und ich finde, es ist uns beim Thema Zuwanderung auch schon hervorragend gelungen, in den Quartieren, in denen wir die großen Unterkünfte hatten. Wir haben den Menschen vorher erklärt, was hier im Stadtteil passiert. Deshalb glaube ich, Stadtentwicklung wird nur funktionieren, wenn wir die Bürger und Bürgerinnen nach Ihren Bedürfnissen fragen.

16. Müssten Sie sich nicht als OB bundesweit an die Speerspitze stellen und eine blaue Plakette für Diesel-Pkw fordern, um die Schadstoffbelastung in Griff zu bekommen?

Schulz: Ich bin im Städtetagsvorstand, und wir ringen dort um viele, viele Einzellösungen, wie wir in den Innenstädten das drohende Diesel-Fahrverbote vermeiden können. Ich glaube, dass es nicht unbedingt hilft, schlicht Fahrverbote zu fordern – und zwar wenig Bezug nehmend auf die Bedürfnisse der Menschen in den Städten. Wie soll der Joghurtbecher in den Edeka oder in den Supermarkt kommen? Aber auf der anderen Seite bin ich als Oberbürgermeister natürlich auch der Gesundheit der Menschen Hagens verpflichtet. Es wird auch nicht reichen, einfach den Status Quo zu verteidigen. Wir werden dort besser werden müssen.

17. Werden wir im Ruhrgebiet eigentlich genug gehört, oder müssen wir uns anders orientieren und Hagen als Metropole Südwestfalen sehen?

Schulz: Also ich glaube, diese Diskussion, „Sind wir Südwestfalen, sind wir Ruhrgebiet?“, bringt uns nicht weiter. Wir sind im Regionalverband Ruhr (RVR). Wir haben lange Jahre darüber geklagt, dass er vermeintlich nicht genug für uns bringt. Ich finde, dass wir insbesondere nach der Regionale-Diskussion eine deutlich bessere Zusammenarbeit mit dem RVR haben. Also insofern: Wir sind das Scharnier zwischen Südwestfalen und dem Ruhrgebiet. Diese Position sollten wir auch nutzen.

18. Gehen Sie Weihnachten in die Kirche? Aus Überzeugung oder Tradition?

Schulz: Ja, aus Überzeugung.

19. Welcher Weihnachtsgeschenke-Typ sind Sie: Lange geplant oder in letzter Minute bei Amazon?

Schulz: Weder noch. In letzter Minute in Hagen.

20. Was wünschen Sie sich für 2018 für Hagen und persönlich?

Schulz: Für mich persönlich wünsche ich mir, gerade nach dem Tod meines Schwiegervaters, dass meine Familie gesund bleibt. Und für Hagen wünsche ich mir, dass wir eine gute positive Stimmung hinbekommen, die nicht Schwierigkeiten ausblendet. Aber die deutlich macht: Wir wollen diese Stadt alle gemeinsam voranbringen. Die Politik, die Unternehmen, die Bürger und auch die Presse.