Hagen. . Die Zuwanderung, aber auch eine offenbar überlastete Bauverwaltung sind dafür verantwortlich, dass es viel zu wenige Kitaplätze in Hagen gibt.

Der geplante Neu- und Ausbau von Kindergärten in Hagen ist ins Stocken geraten, auch von den vorgesehenen Großtagespflegestellen konnte bislang nicht eine eröffnet werden. Grund ist die Zuwanderung, aber auch eine zögerliche Bearbeitung und Genehmigung der Vorhaben durch die Bauverwaltung, die offenbar völlig überlastet ist. Folge: Die Stadt kann im U3-Bereich viel zu wenig Betreuungsplätze anbieten. „Im Kindergartenjahr 2018/19 wird es so schwierig wie noch nie, den Bedarf zu erfüllen“, warnte Reinhard Goldbach, Fachbereichsleiter für Jugend und Soziales.

10 685 Kinder im Alter von 0 bis 6 Jahren wird es 2018 nach Berechnungen der Stadtverwaltung in Hagen geben. Dem stehen jedoch nur 6313 Kindergartenplätze gegenüber – rechnet man die Tagesmütter hinzu, sind es immerhin 6616. Bei den drei- bis sechsjährigen Jungen und Mädchen könnte das Angebot mit einer Quote von 97,4 Prozent kaum besser sein, für nahezu jedes Kind dieser Altersgruppe steht ein Platz zur Verfügung.

Geburtenrate zeigt nach oben

Ganz anders sieht es bei den kleineren Kindern aus. Für 5501 0- bis dreijährige Kinder gibt es gerade einmal 1302 Kindergartenplätze (Quote: 23,7 Prozent), rechnet man die Tagesmütter hinzu, sind es 1567 (Quote: 28,5 Prozent).

Damit verfehlt die Stadt deutlich ihre eigenen Ziele, denn der Jugendhilfeausschuss hatte die Betreuungsquote für Kinder unter drei Jahren auf stadtweit 38 Prozent festgelegt. „Davon sind wir weit entfernt“, stellte Detlef Reinke (CDU), Vorsitzender des Gremiums, ernüchtert fest: „Derzeit sind alle Kapazitäten ausgereizt.“

Geburtenrate zeigt nach oben

Ohne Flüchtlingsstrom und Zuwanderung wäre die angepeilte Quote vermutlich erreicht worden. Doch die Integration der ausländischen Kinder hat die Planung über den Haufen geworfen. Zudem sorgen diese beiden Bevölkerungsgruppen dafür, dass die Geburtenrate in Hagen nach Jahren des Abschwungs wieder steil nach oben zeigt – was weitere Betreuungsplätze erfordert.

380 Plätze sollen entstehen

Vor allem Wehringhausen, Altenhagen und Hagen-Mitte sind, was die Zahl der Betreuungsplätze angeht, unterversorgt. „In den nächsten fünf bis sieben Jahren benötigen wir bis zu zehn weitere Kindergärten, um den Bedarf in dieser Stadt sicherstellen zu können“, prognostiziert Goldbach.

Tatsächlich werden neue Einrichtungen gebaut oder bestehende vergrößert, etwa in der Gutenberg-, der Königstraße, der Kochstraße, im Volmepark oder in der ehemaligen Lutherkirche. Insgesamt sollen an diesen Orten rund 380 Plätze entstehen. Doch in fast allen Fällen gab oder gibt es Verzögerungen, nicht zuletzt wegen notwendiger Anforderungen an den Brandschutz.

Ähnlich sieht es bei den geplanten zehn Großtagespflegestellen aus, mit denen Platz für weitere 90 Kinder unter drei Jahren geboten werden soll. Eine Großtagespflegestelle wird von zwei Tagesmüttern gebildet, die maximal neun Kindern betreuen. „Im Grunde sind Großtagespflegestellen kleine Kindergärten“, berichtet Dirk Hannusch, Abteilungsleiter für Kindertagesbetreuung.

Bauverwaltung überlastet

Obwohl genügend Tagesmütter bereit stehen, geeignete Wohnungen gefunden und umgebaut und Verträge abgeschlossen wurden, konnte bislang keine einzige Einrichtung eröffnet werden. Denn aus dem Bauordnungsamt fehlen immer noch die dafür notwendigen Nutzungsänderungsgenehmigungen. „Der Druck ist groß, die Eltern sind auf die Plätze angewiesen“, beschreibt Birgit Buchholz von der Arbeiterwohlfahrt das Dilemma: „Wir haben auch schon Personal eingestellt, doch mit den Nutzungsänderungen geht es einfach nicht voran. Das ist sehr ärgerlich.“

Geld steht zur Verfügung

Da hilft es auch nichts, dass Bund und Land derzeit reichlich Fördermittel für den Aus- und Neubau von Kindergärten bereit stellen. „Geld ist genug da, es muss nur abgerufen werden“, berichtet der Hagener Landtagsabgeordnete Wolfgang Jörg (SPD). Doch leider gebe es in Hagen nicht nur zu wenig Betreuungsplätze, die Elternbeiträge für Kindergärten seien auch viel zu hoch. Seine Forderung an Oberbürgermeister Erik O. Schulz: „Die Stadtspitze muss endlich eine Prioritätenliste aufstellen mit der Marschroute, dass Familien in Hagen an erster Stelle stehen.“

Dass das System nicht längst aus allen Nähten platzt, liegt daran, dass viele Zuwanderer ihre unter dreijährigen Kinder nicht in einer Tagesstätte anmelden, weil sie diese frühkindliche Betreuung in ihrem Kulturkreis nicht kennen. Doch dieses Verhalten kann sich im Zuge der Inte­gration ändern, und dann würde sich die Situation drastisch verschärfen.

>>Hintergrund: Hier soll gebaut werden

  • Der städtische Kindergarten in der Gutenbergstraße (Wehringhausen) soll von vier auf fünf Gruppen erweitert werden. Geplante Fertigstellung war am 1. August dieses Jahres, es kam zu Verzögerungen wegen des Brandschutzes.
  • Die Arbeiterwohlfahrt baut einen viergruppigen Kindergarten in der Königstraße am Ischeland. Er soll am 1. August 2018 eröffnet werden, eine Verzögerung ist wahrscheinlich.
  • Ein dreigruppiger Kindergarten der Johanniter in der Kochstraße (Altenhagen) sollte am 1. August 2017 eröffnet werden. Geplante Fertigstellung jetzt: 1. August 2018.
  • Auch der geplante Kindergarten (sechs Gruppen) der Caritas im Volmepark sollte am 1. August 2017 eröffnet werden. Derzeit läuft gerade einmal das Ausschreibungsverfahren, ein Eröffnungstermin ist offen.

  • Sorgen macht auch der geplante Kindergarten (fünf Gruppen) in der Lutherkirche im Bahnhofsviertel. Er muss spätestens am 31. Dezember 2018 fertiggestellt sein. Hintergrund: Sonst verfallen die vorgesehenen öffentlichen Fördermittel.