Hagen. . Ob Kastanie oder Linde: Vertraute Gewächse sind in Hagen durch Krankheiten unter Druck. Die Stadt setzt nun auf nicht-heimische Hölzer.

  • Altvertraute Baumarten wie Kastanie und Bergahorn werden immer stärker durch nicht heimische Gewächse ersetzt
  • Grund: Die Hauptbaumarten sind durch hochinfektiöse Krankheiten in ihrem Bestand gefährdet
  • Städtischer Baumexperte: Heimische Baumarten funktionieren im urbanen Raum nicht mehr

Der Baumbestand in der Hagener Innenstadt wird sich in den kommenden Jahren nachhaltig verändern. Altvertraute Baumarten wie Kastanie und Bergahorn werden immer stärker durch nicht heimische Gewächse – etwa Gleditschie oder Zürgelbaum – ersetzt. Aus gutem Grund: Die Hauptbaumarten sind durch hochinfektiöse Krankheiten in ihrem Bestand gefährdet und bieten keine Perspektiven mehr für eine langfristige Begrünung innerstädtischer Bereiche.

„Heimische Baumarten funktionieren im urbanen Raum nicht mehr“, sagt Nils Böcker, Baumexperte beim städtischen Wirtschaftsbetrieb Hagen (WBH): „Sie kommen auf stark verdichteten Böden mit hoher Salzbelastung und relativ starker Erwärmung nicht mehr zurecht.“

80 Jahre alte Kastanie muss gefällt werden

Von Pathogenen bedroht sind neben Kastanie und Ahorn vor allem Platane, Esche und diverse Lindenarten (siehe unten). So werden bei der bevorstehenden Winterfällung städtischer Bäume, bei der vor allem nicht mehr stand- und bruchfeste Bäume geschlagen oder abgesägt werden, 21 Ahorne und vier Kastanien betroffen. Darunter ein etwa 80 Jahre alter Kastanienbaum im Funckepark, der als Naturdenkmal ausgewiesen ist.

Doch der einst wunderschöne Baum ist von Pseudomonas syringae befallen, einem heimtückischen bakteriellen Ausfluss, der zu blutenden Stellen an Stamm und Ästen, Verfärbungen und Abplatzen der Rinde sowie mit fortschreitendem Befall zum Absterben der Bäume führt.

40 Prozent aller Rosskastanien betroffen

Dem ebenfalls befallenen Schwesterbaum ereilte sein Schicksal bereits im Vorjahr, er war ebenfalls nicht mehr zu retten gewesen. Von Pseudomonas betroffen sind 40 Prozent aller Rosskastanien in Hagen; auf andere Baumarten, und stehen sie noch so nahe an den kranken Kastanien, greift das Bakterium nicht über.

Zwar glaubt Böcker nicht, dass die Kastanie oder eine der anderen Hauptbaumarten durch die ihnen zusetzenden Erreger vom Aussterben bedroht ist: „Die Erfahrung lehrt, dass es immer Exemplare gibt, die Resistenzen entwickeln.“ Doch bei Anpflanzungen setzt er auf eine neue Strategie. Statt weniger Arten greift er auf einen Mix aus möglichst vielen Baumsorten zurück, darunter vor allem Exoten aus fremden Ländern und Regionen. So ist gewährleistet, dass im Falle einer Krankheit nur eine relativ kleine Zahl der Hagener Bäume befallen wird.

128 Bäume werden im Winter gefällt

In diesem Winter müssen insgesamt 128 Bäume (Vorjahr: 79) gefällt werden. Sobald Böcker und seine Mitarbeiter zu dem Ergebnis kommen, dass eine Kürzung der Krone oder ein Sicherungsschnitt ausreichen, um die Verkehrssicherheit des Baumes zu gewährleisten, wird auf die Fällung verzichtet. Das gilt auch für kranke Bäume. „Man kann die Ausbreitung einer Infektion nicht aufhalten, indem man alle befallenen Bäume im Stadtgebiet abholzt“, sagt Böcker. In jedem Kubikmeter Luft seien 500 000 Pilzsporen enthalten, die über weite Strecken verbreitet würden: „Dagegen kann man nichts machen.“ Die Bäume müssten „lernen“, Resistenzen auszubilden und sich allmählich an die neuen Bedingungen anzupassen.

Deshalb greift er in der Innenstadt zukünftig zwar vor allem auf fremde Baumarten wie den rotlaubigen kanadischen Ahorn oder die gelblaubige Gleditschie zurück, doch gänzlich verbannt werden sollen Kastanie und Co. nicht: „Vor allem in Parks werden wir sie noch hier und da ansiedeln.“

HINTERGRUND: Was den Bäumen zusetzt

  • Von den zahlreichen Linden in Hagen sind derzeit 2006 vom Stigmina-Triebsterben betroffen. Der Befall nimmt stark zu.
  • Auch die Eschen kämpfen um ihr Überleben. 6303 Exemplare leiden an einem Absterben der Triebe, hervorgerufen durch einen aus Ostasien eingeschleppten Pilz, dessen Name wenig von der Gefahr verrät: Falsches Weißes Stengelbecherchen.
  • Die Rosskastanie ist sowohl durch die Miniermotte (der Befall hat in diesem Jahr stark zugenommen, die Blätter waren schon im Sommer braun) als auch durch das Bakterium Pseudomonas, von dem derzeit 291 Bäume befallen sind, bedroht. Es sind keine Bekämpfungsmöglichkeiten bekannt.
  • Den Platanen macht der Massaria-Pilz zu schaffen, 709 Bäume in Hagen sind betroffen. Das Holz verfärbt sich zunächst und wird dann zersetzt. Die Kontrolle der Bäume ist finanziell und personell aufwändig.
  • Auch bei Berg- und Spitzahorn beobachten die städtischen Baumwächter eine Zunahme von Fusarium, einer Pilzerkrankung, die zu krebsartigen Schäden führt. Zudem machen den Ahornen Hitze und Salz zu schaffen.