Wehringhausen. Die Emil-Schumacher-Grundschule ist von der Zuwanderung so stark betroffen wie kaum eine andere. Und dennoch sagt man dort: Wir schaffen das.

  • 360 Schüler an der Schumacher-Schule in Wehringhausen, bei 240 davon ist deutsch nicht die Muttersprache
  • Schule geht mit individueller Förderung die Herausforderung an und fühlt sich auch gewappnet
  • Mehr Sprachmittler gefordert, um besser mit Eltern kommunizieren zu können

Es gibt knapp 360 Schülerinnen und Schüler, und bei 240 von ihnen wird in den Familien nicht Deutsch gesprochen – zumindest nicht als erste Sprache. Stattdessen sind 29 verschiedene Muttersprachen an der Emil-Schumacher-Grundschule, die mitten in Wehringhausen liegt, vertreten. Allein bei diesen Rahmenbedingungen könnte man glauben, dass die Leitung die „weiße Fahne“ hisst, dass ein geordneter Schulalltag so nicht möglich ist.

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Doch das tun Rektorin Marion Prawitz und ihre Stellvertreterin Birgit Kaiser nicht. Auch nicht, nachdem viele kinderreiche Familien aus Bulgarien und Rumänien in den Stadtteil gezogen sind. Sie benennen die Probleme, sie sagen, wo sie sich mehr Unterstützung wünschen. Aber die Lehrerinnen lassen keinen Zweifel aufkommen: Die Herausforderungen seien zu schaffen.

Der Unterricht

„Sicherlich haben wir einen Vorteil, weil wir schon seit Jahren in einem multikulturellen Umfeld arbeiten“, sagt Birgit Kaiser. Die Unterrichtssprache ist Deutsch, da macht die Schule keinerlei Abstriche. „Aber wir wiederholen die Sachen häufiger. Wir arbeiten mehr mit Bildmaterial. Dass jeden Morgen zunächst das Datum und der Wochentag durchgesprochen werden, mag da banal klingen, doch durch die Wiederholung kommen auch die Kinder, die ohne Deutschkenntnisse ihre Grundschulzeit begonnen haben, schnell weiter.

Stringente Linie gegen Schulschwänzer

Die Stadt hat inzwischen ein festes Verfahren etabliert, um Zuwanderer-Kinder – ob aus Südosteuropa oder aus Flüchtlingsfamilien – in das Schulsystem einzugliedern.

Die Verteilung: Sämtliche Familien müssen sich vom Kommunalen Integrationszentrum beraten lassen. Von dort werden die Grundschulen angefragt, ob sie noch Kapazitäten haben. „Wir versuchen einen Platz möglichst nah am Wohnort zu finden, aber das ist nicht immer möglich“, sagt Dagmar Speckmann, für Hagens Grundschulen zuständige Schulrätin. Daher werden auch Kinder mit Bussen in entfernte Grundschulen gefahren: In die Freiherr-vom-Stein-Schule in Vorhalle, aber auch in die Stadtteile, die nicht sehr von der Zuwanderung betroffen sind: Volmetal, Berchum und Reh. Und: Der Zuzug war teilweise so groß, dass nicht allen Kindern sofort ein Schulplatz zugewiesen werden konnte. „Momentan haben wir aber kein einziges Kind mehr auf der Warteliste“, so Speckmann.

Die Schulpflicht:Auch das Problem des „Schulschwänzens“ habe man heute besser im Griff. „Weil wir hier ganz klare und stringente Abläufe etabliert haben“, sagt die Schulrätin. Das bedeutet: Jedes Kind muss spätestens um 8 Uhr in der Schule ein. Wenn es nicht von den Eltern entschuldigt wurde, erfolgt sofort ein Anruf zu Hause. Wenn dies nicht zum Erfolg führt, führen die Lehrer – immer im Zweierteam – auch Hausbesuche durch. In der nächsten Stufe wird das Jugendamt oder der Schulsozialarbeiter eingeschaltet. Und dann folgen schnell härtere Maßnahmen: Eine Abholung durch das Ordnungsamt oder ein Bußgeld. Binnen weniger Tage werde dieses Ablaufkette durchgezogen, um die Fehlzeiten kurz zu halten.

Die Vernetzung: Generell ist Dagmar Speckmann voll des Lobes über die Hagener Grundschulen: „Wir schaffen diese Herausforderung nur, weil sich zahlreiche Netzwerke aufgebaut hat. Schulleitungen und Lehrkräfte treffen sich sehr oft, die eine profitiert von den Erfahrungen der anderen.“

Es gibt auch in kleinen Gruppen für diese Kinder speziellen Sprachunterricht. Doch die Haupt-Integration findet im Klassenverbund statt. „Wir setzen auch die Kinder, die besser deutsch sprechen, gezielt ein, damit sie andere Schüler unterstütze“, sagt Birgit Kaiser.

Die Leistungsunterschiede

Doch ist dabei überhaupt noch Raum für Deutsch sprechende Mädchen und Jungen? Gehen sie unter im Förderbedarf für die anderen Schüler? „Nein“, sagt Schulleiterin Marion Prawitz. „Die Leistungsstarken müssen darunter nicht leiden.“ Gerade dadurch, dass sie andere Schüler unterstützten, würden sie auch ihr eigenes Wissen noch einmal stärken.

Denkbar ist solch ein System ohnehin nur, wenn man sich von alten Vorstellungen mit einem Lehrer vorne an der Tafel, der allen Schülern gleichzeitig den selben Stoff beizubringen versucht, völlig löst. Gruppenarbeiten, Wochenaufgaben, verschiedene Arbeitsblätter und Unterrichtsmaterialien sollen ermöglichen, dass in einer Klasse unterschiedlich starke Schüler individuell gefördert werden. Das bedeute eben nicht, dass die Leistung auf der Strecke bleibe, sagt Birgit Kaiser: „Ich hatte im vergangenen Schuljahr eine vierte Klasse. Und ich habe aus ihr eine ganze Reihe von Kindern guten Gewissens aufs Gymnasium schicken können.“ Ein großer Teil diese Schüler stamme aus Migrantenfamilien.

Und so seien auch nicht per se die vielen Kinder aus Rumänien und Bulgarien schwierig für die Schule: „Die Kinder kommen zu uns und wissen ja noch gar nicht, dass sie ein Sprach-Problem haben“, sagt Birgit Kaiser. In diesem Alter gingen Kinder unbefangen miteinander um, sie lernten spielend voneinander.

Die Herausforderungen

Kleinreden will Marion Prawitz die Herausforderungen aber nicht. 28 Mitarbeiter umfasst ihr Team. Dazu kommen Integrationskräfte und Sozialarbeiter. Wegen der vielen Probleme in Wehringhausen ist die personelle Ausstattung mit Lehrern etwas besser. Gleichwohl: „Bei all den Aufgaben kommen Kollegen auch an ihre Grenzen.“ Die Eltern seien dabei oft die größere Herausforderung: Wegen der schlechten Deutschkenntnisse sei die Kommunikation oft schwierig. „Wir bräuchten noch mehr Sprachmittler hier“, sagt Marion Prawitz.

Größere Schwierigkeiten habe man auch schon gehabt. Etwa, als viele Kinder aus den „Problem-Immobilien“ an der Emil-Schumacher-Schule unterrichtet worden seien, sagt Konrektorin Birgit Kaiser. Aber das dürfe man nicht verallgemeinern. Vor allem nicht, dass bulgarische und rumänische Eltern generell weniger Interesse an Schule hätten: „Beim Elternabend für meine neue erste Klasse mussten wir zweimal noch mehr Stühle holen. So groß war der Andrang.“