Iserlohn. 800 Menschen werden in der Hemberg-Halle in Iserlohn Zeuge eines bewegenden Abschieds von einer Iserlohner und Hagener Basketballlegende.

"Jeder dritte Europäer erkrankt in seinem Leben an Krebs. Dann bin ich froh, dass es mich getroffen hat. So bleibt meine Familie hoffentlich verschont." (Matthias Grothe)

Maja Grothe stemmte sich gegen die Trauer. Ihr Blick schwenkte über die Tribüne der neuen Hemberg-Halle in Iserlohn. Dort saßen 800 Menschen. Freunde, Mitspieler, Weggefährten, Familie. Sie sagt ins Mikrofon: „Es macht dich wahnsinnig, wenn du hilflos dabei zusehen musst, wie die Liebe deines Lebens durch die Hölle geht.“ Während ihre Kinder Sophie und Philip sie in den Arm nehmen, schimpft sie: „Dieser Krebs, dieser scheiß Krebs.“

Nach der Trauerfeier konnten alle Besucher am Sarg von Grothe persönlich Abschied nehmen.
Nach der Trauerfeier konnten alle Besucher am Sarg von Grothe persönlich Abschied nehmen.

Niemand will das verstehen, niemand es wahrhaben. Gestern Mittag kurz vor 12 Uhr füllt sich die Heim-Arena der Iserlohn Kangaroos. Im Mittelkreis steht ein schwarzer Sarg. Davor vier Trikots. Eins von Iserlohn, eins der Bundeswehr-Nationalmannschaft, eins von Brandt Hagen und ein Phoenix-Trikot. Dahinter an der Hallenwand ein großer Monitor. Es ist der Abschied von dem bekanntesten Mann, den dieser Verein je hervorgebracht hat. Und von dem Spieler, der den Hagener Profi-Basketball voller Hingabe, Identifikation, Leidenschaft und Loyalität geprägt hat: Matthias Grothe. Der einstige Basketball-Profi und Trainer verstarb am 31. Oktober nach längerem Kampf gegen den Lymphdrüsenkrebs.

Matthias Grothe wurde nur 39 Jahre alt.
Matthias Grothe wurde nur 39 Jahre alt.

Zur Musik „All of me“ von John Legend war die Trauerfeier begonnen worden. Und wer gekommen war, wurde durch die Foto-Präsentation auf der Leinwand Zeuge davon, dass es für den großen Mann, der die Ischelandhalle mit seinem Feuer und seinen Dreiern zigmal zum Sieden gebracht hatte, nichts Wichtigeres auf dieser Welt gab, als seine Frau und seine Kinder. Szene eines Kusses auf die Stirn seiner gerade geborenen Tochter. Kinder, die auf ihrem Papa toben. Innige Momente mit der Liebe seines Lebens: Maja. „1994 haben wir uns beim Basketball kennengelernt. Ich dachte vier Jahre lang erstmal, dass er der beste Freund sei, den ich je gefunden habe.“

Erinnerungen an die Anfangsjahre

Doch 1998 stand er eines Abends wieder vor der Halle und sagte: „Entweder du heiratest mich sofort oder ich werde eines Tages meine erste Tochter nach dir benennen.“ Maja wurde klar, dass Matthias der Mann ihres Lebens ist. Sie wurden ein Paar. „Und ich durfte seine bedingungslose Liebe bis heute fast 20 Jahre genießen.“

Grothes Sarg wurde im Mittelkreis der Halle aufgestellt.
Grothes Sarg wurde im Mittelkreis der Halle aufgestellt.

Bei ihrer Ansprache geht Maja Grothe auch auf die letzten Tage im Leben ihres Mannes ein. „Er hat es gehasst, dass er wegen der Erkrankung im Mittelpunkt stand. Er wollte wegen des Basketballs im Mittelpunkt stehen. Und als klar war, dass er es nicht schaffen wird, war das Schlimmste für ihn, dass er seine Kinder nicht weiterleben sehen darf.“ Matthias Grothe schrieb seinen Kindern einen Abschiedsbrief.

Kind nach bestem Freund benannt

„Matthias wollte eigentlich nicht, dass das hier traurig wird“, sagt sein bester Freund Stefan Filthaut, als er der Halle ein weiteres Mal den Atem nimmt. Er hat sein neugeborenes Kind nach seinem besten Freund Matthias benannt. „Und ich bin stolz, dass Matze unser Kind auch noch erleben durfte. Dieser Mann war etwas ganz Besonderes. Ehemann, Beschützer seiner Familie, Vorbild als Vater und eine Inspiration für viele junge Basketballer.“ Auch wenn man angesichts von Grothes Statur oft geglaubt habe, er sei der Busfahrer und kein Spieler, habe der leidenschaftlich spielende Grothe Woche für Woche seine Klasse unter Beweis gestellt.

Der Diakon Michael Feldmann sagte zu Beginn der Trauerfeier: „Die Halle, das war die Kirche von Matthias.“
Der Diakon Michael Feldmann sagte zu Beginn der Trauerfeier: „Die Halle, das war die Kirche von Matthias.“

„Seit seinem 33. Geburtstag hat Matze immer wieder gesagt, wir feiern nicht groß, sondern erst den Vierzigsten. Ich will es nicht glauben, dass wir diesen 40. Geburtstag nicht miteinander erleben“, sagt Stefan Filthaut. Es habe noch so viele Pläne gegeben.

Michael Dahmen, Chef der Iserlohner Basketball-Profis, hatte ebenfalls den Familiensinn und die Verbundenheit Grothes zu seinen Herzensstädten Hagen und Iserlohn bei seiner Rede betont. „Er war ein Mann, der Ziele verfolgen und erreichen konnte. Er wollte mit jungen Talenten aus der Region in Iserlohn zweite Bundesliga spielen. Das haben wir geschafft. Und nun war es sein Ziel, eines Tages ein Erstliga-Team zu trainieren und Nationaltrainer zu werden. Er hätte das gepackt.“

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Dahmen machte deutlich, wie sehr Grothe Menschen und Spieler in seinen Bann ziehen konnte. „2014, im Aufstiegsjahr, verloren wir das Hinspiel gegen Konkurrent BG Hagen mit 16 Punkten. Ab diesem Tag ließ Matze keine Sekunde aus, allen klar zu machen, dass wir das Rückspiel mit einem Punkt mehr gewinnen. Er hängte am Tag des Rückspiels alle unsere Ziele in der Kabine an die Wand und hielt eine Ansprache. Wir gewannen das Spiel mit 33 Punkten.“

Besessen von dieser Sportart

Als Teenager hatte Grothes Bruder Daniel ihn mit zum Basketball genommen. Michael Dahmen erinnert sich, wie besessen Grothe von diesem Sport war. „Er hatte das Glück, hier in Iserlohn auf Trainer Paris Konstantinidis zu treffen. Er flehte uns an, dass wir ihm noch mehr Trainingseinheiten besorgen. So manches Mal wurde extra eine Halle für ihn aufgeschlossen.“

Grothe entwickelte Talente. Für viele war er in den Iserlohner Regionalliga- und ProB-Jahren wie ein Vaterersatz. Wer in Grothes Verein oder in seinem Team war, war seine Familie. Dahmen: „Er hat dazu die Fähigkeit gehabt, sich unglaublich gut zu reflektieren und selbstkritisch zu sein. Nach jeder Saison hat er einen Fehler an sich abgestellt und sich weiterentwickelt.“

Grothes Tochter Sophie trat bei der Trauerfeier mit allergrößtem Mut vor das Mikrofon: „ Ich habe meinem Vater im Mai zu seinem 39. Geburtstag 39 Gründe geschrieben, warum er der beste Vater der Welt ist.“ Als die Teenagerin diese Gründe vorlas, durchfuhr es alle Zuhörer. Grothe, so darf man die Worte seiner Tochter deuten, muss ein Vater gewesen sein, der seinen Kindern Werte vermittelte und sie stets animierte, immer an ihre Träume zu glauben. Und die Kinder, so erklärt Maja Grothe, hätten ihrem Vater in den letzten Lebenswochen Hoffnung gegeben, als diese längst verloren schien.

Größen des deutschen Basketball waren gestern gekommen. Bundestrainer Hendrik Rödl, die Bundesligaspieler Fabian Bleck, Niklas Geske und Jonas Grof, die Grothe zu solchen gemacht hat. Aus vergangenen Zeiten waren Ingo Freyer, der Amerikaner Chris Rojik, Gintaras Krapikas, Jannis Konstantinidis und Steven Wriedt da. Und der einstige Brandt-Coach und heutige Würzburg-Trainer Dirk Bauermann, dessen Videobotschaft eingespielt wurde, in der er sagt: „Matthias, es gibt nur zwei Spieler, die ein paar Kilo zu viel hatten und gut waren: Charles Barkley und dich.“

Halle soll nach Grothe benannt werden

Iserlohns Profi-Basketball-Chef Michael Dahmen deutete gestern an, dass es positive Signale in der Iserlohner Verwaltung und der Politik gebe, die neue Hemberg-Halle nach Matthias Grothe zu benennen.

Diakon Michael Feldmann, der die Trauerfeier leitete, hatte zuvor gesagt: „Das Parkett dieser Halle war Matthias’ Kirche.“