Hagen. . Urteil zum Fritz-Kahl-Turnier-Vorfall ist gesprochen. Angeklagter wird zu einem Jahr und zehn Monaten Haft, ausgesetzt zur Bewährung, verurteilt.

  • Angeklagter Profiboxer Muhammed E.Z. (26) kommt mit blauem Auge davon
  • Angeklagter lief 2016 beim Fritz-Kahl-Turnier mit einem Bodybuilder-Schlägertrupp auf
  • Gericht spricht von „Auftragskörperverletzung“

Mit einem (kleinen) blauen Auge ist Profiboxer Muhammed E.Z. (26) vor dem Schwurgericht davon gekommen:

Der Angeklagte, der 2016 beim Fritz-Kahl-Turnier mit einem Bodybuilder-Schlägertrupp auflief, der nach der Spielpause einen schwerverletzten Linienrichter und einen verletzten Trainer zurückließ, wurde nicht wegen versuchten Totschlags verurteilt.

Bewährungsstrafe

Das Urteil lautete nur noch auf gefährliche Körperverletzung: ein Jahr und zehn Monate Haft, ausgesetzt zur Bewährung.

Vorsitzender Richter Marcus Teich betonte das Dilemma des Schwurgerichts in diesem Prozess: Trotz der etwa 300 Zuschauer, die der Partie Cemspor Hagen gegen ETuS Schwerte im Juli 2016 beiwohnten, will niemand was von den Vorfällen mitbekommen haben. „Viele Zeugen sind einfach eingeschüchtert.“

Das Gericht stellte die „erhebliche Störung des Rechtsfriedens“ heraus. Im Fußballstadion in Eilpe, in aller Öffentlichkeit, sei die sechsköpfige, muskelbepackte Schlägergruppe „in aller Seelenruhe aufmarschiert“, habe brutal zugeschlagen, „auch vor Frauen und Kindern“. Niemand traute sich einzugreifen.

Ins Gesicht getreten

Zur Prügelattacke waren die bislang unbekannt gebliebenen Schläger in der Pause aufs Spielfeld gelaufen, über Cemspor-Trainer Atila A. (46) hergefallen, hatten diesen zu Boden geboxt, ins Gesicht getreten und die Mittelhand gebrochen.

Hintergrund des Überfalls sei gewesen, „dem Trainer, der einen Spieler nicht aufgestellt hatte, einen Denkzettel zu verpassen“.

Eine „Auftragskörperverletzung“ nannte es das Gericht.

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Man könne nicht tolerieren, „dass jemand die Macht hat, aus gekränkter Eitelkeit so etwas am Rechtsstaat vorbei zu organisieren, was sittlich und moralisch auf niedrigster Stufe steht.“ Schwerste, lebensgefährliche Verletzungen trug der Cemspor-Geschäftsführer und damalige Linienrichter Hasan G. davon, der – bereits bewusstlos am Boden liegend – heftigst ins Gesicht getreten wurde: Ein Nasenbein- und Jochbeinbruch, der dreimal operiert werden musste.

Keine Zeugen zur Verfügung

Richter Teich: „Hätte die Kammer eine Verbindung ziehen können zwischen diesen schweren Gesichtsverletzungen und dem Angeklagten, dann würden wir hier sicherlich über einen Strafbereich von jenseits von fünf Jahren sprechen.“ Doch dafür standen dem Gericht keine Zeugen zur Verfügung.

Der Richter: „Kein Mensch glaubt die Geschichten, die wir uns hier anhören mussten. Einige konnten nichts sehen, weil sie angeblich Tränen in den Augen hatten. Andere wollen durch auffliegende Staubwolken keine Sicht gehabt haben. Wiederum andere hätten im entscheidenden Augenblick zu Boden geguckt und nichts mitbekommen.“

Spärliches Geständnis

Kurz vor den Plädoyers hatten die Prozessbeteiligten noch ein Rechtsgespräch geführt.

Am Ende der Beweisaufnahme gehe die Kammer von einer „täterschaftlichen Beteiligung“ des Angeklagten und von einer zu zu erwartenden Strafe zwischen zwei und drei Jahren aus.

Im Falle eines Geständnisses unter Einräumung seiner eigenen Tatbeteiligung könne man noch in den bewährungsfähigen Bereich kommen. Darauf ließ der Angeklagte über seine drei Anwälte spärlich erklären: „Er hat am Tattag mit weiteren Personen das Spielfeld betreten und sich um den Trainer herum gruppiert. Es ist zu Tätigkeiten gekommen, die er gebilligt hat.“

>>>HINTERGRUND

  • Nachdem etwa 300 Zuschauer die Prügelattacke im Sommer 2016 hatten mit ansehen müssen, versuchte die Polizei mit Hochdruck die Hintergründe zu ermitteln.
  • „Bei solchen Tumultlagen geht es zunächst darum, Augenzeugen zu vernehmen, exakte Täterbeschreibungen einzusammeln und die konkreten Vorwürfe einzelnen Personen zuzuordnen“, hieß es damals bei der Polizei.
  • Am Ende musste auch die Staatsanwaltschaft einräumen, dass eine sichere Identifizierung aller Beteiligter nicht gelungen sei. Zwar habe es reichlich Befragungen und Vernehmungen gegeben, aber die Kripo sei auf eine Mauer des Schweigens gestoßen.
  • Auch der Ordnungsdienst bei dem Turnier traute sich seinerzeit nicht, sich den imposanten Schlägern in den Weg zu stellen.