Hagen. . Der Hagener Spieleerfinder Martin Schlegel hat einmal wieder getüftelt. Mit seiner jüngste Idee für Taktiker entführt er nach Mexiko.
„Wollen Sie tot oder lebendig sein?“ fragt mich Spieleerfinder Martin Schlegel, nachdem wir das Spielbrett aufgebaut haben. Ich will natürlich lebendig sein, also kriege ich die Spielfiguren mit menschlichen Gesichtern, Schlegel die mit Totenköpfen drauf.
„Adios Calavera“ heißt sein neues Gesellschaftsspiel. Es spielt in Mexiko und handelt vom „Dia de los Muertos“, dem mexikanischen Pendant zu Allerheiligen und Allerseelen. Ziel des Spiels für zwei Personen ist es, als erster alle Spielsteine auf die gegenüberliegende Seite zu bringen. Auf dem Weg dahin darf man sich jedoch nicht durch die individuellen Sonderfähigkeiten der Spielfiguren stören lassen.
Erfahrener Taktiker
Auch wenn es für mich zunächst gut aussieht und ich einige Figuren schon auf Schlegels Seite befördern kann, gewinnt der erfahrene Taktiker das Spiel mit mexikanischem Motto noch souverän. Doch dem Spieleerfinder schwebte eigentlich zuerst ein anderes Thema vor: „Der Grafiker hat mich dann von ,Dia de los muertos’ überzeugen können. Ich hab’ mich da ein bisschen drüber informiert – die Mexikaner feiern das ganz anders als wir. Sie schmücken alles und feiern auf den Straßen ein richtiges Volksfest, während man in Deutschland den Toten eher still gedenkt.“
Martin Schlegel selbst war schon achtmal in Lateinamerika, zweimal in Mexiko. „Meine Frau kann Spanisch, da begegnen die Leute einem gleich ganz anders“, so Martin Schlegel. Seine Gattin unterstütze ihn auch bei der Entwicklung neuer Spiele. Manchmal fungiere sie sogar als Co-Autorin. „Sie muss gerade in den frühen Phasen meiner Spiele, wenn die Grafiken noch grauenhaft aussehen, viel Mist erleben“, meint Schlegel.
Schon als Jugendlicher war der Spieleautor flammender Schachspieler und feierte einige Erfolge mit seinem Team. Seit 1990 dann hat sich seine Leidenschaft für das Spieleerfinden entwickelt: „Wir haben als Studenten ständig Gesellschaftsspiele gespielt. Dann haben wir irgendwann bemerkt, dass man da noch Dinge verbessern kann.“ 1996 wurde dann sein erstes von heute über 40 Spielen publiziert. Hintergrund seiner immer neuen Ideen: „Ich sehe einfach anders. Da wird ein Mosaik ganz schnell zum Spielfeld.“
„Sehen Sie das?“, sagt der 71-jährige prompt und zeigt auf mein Etui, „das ist ein Schiff! Und das Telefon da hinten, das ist ein Fels und da stehen Piraten drauf.“ So könne die Idee für ein Spiel beginnen.
Ideensammlung auf dem Computer
Dank dieser blühenden Fantasie notiert sich Schlegel Unmengen an Ideen: „Von 100 Ideen sind 95 für die Tonne.“ Er habe auf seinem Computer eine Ideensammlung von über 100 Seiten voller sogenannter Elemente: „Ein Spiel besteht aus gut 10 Elementen.“
Auf der Essener Spielemesse 2017, die nächste Woche beginnt, wird Schlegels Spiel, das er etwa 30-mal in verschiedenen Varianten mit Freunden, Familie und Kollegen getestet hat, vorgestellt. Er wird für Fragen rund um seine Leidenschaft zur Verfügung stehen. „Neuen Spieleerfindern kann ich die erste Fragen gleich beantworten: Man kann das nicht für Geld machen“.
Bereits 1997 wurde der nicht allzu ausgeschmückte Vorläufer von „Adios Calavera“ in einem Spielemagazin veröffentlicht. Bei diesem verhielt es sich wie bei den allermeisten Spielen, die Schlegel publiziert hat: „Das Thema kommt bei mir, nachdem ich die Mechanik habe. Danach beeinflusst das Thema auch noch die Mechanik – beides muss ja harmonieren. Wenn man das Thema zuerst hat, schränkt das ein. Ich will mich nicht einschränken lassen.“
2006 feierte Martin Schlegel seinen größten Erfolg im Bereich der Spieleentwicklung: Damals wurde sein Gesellschaftsspiel „Aqua Romana“ als eines von fünf Spielen zum „Spiel des Jahres“ nominiert. Zu seinem neuen Werk sagt Schlegel: „Die größte Internetplattform, die Gesellschaftsspiele rezensiert, hat ,Adios Calavera’ bereits als das ,bestes, neues, abstraktes Gesellschaftsspiel’ betitelt.“
>>HINTERGRUND: GROSSE TRADITION
- Der Día de Muertos („Tag der Toten“) ist einer der wichtigsten mexikanischen Feiertage, an dem traditionell mit den Verstorbenen gefeiert wird. Der Ritus ist mit den Gedenktraditionen in Deutschland nicht zu vergleichen.
- Die traditionellen Feierlichkeiten gelten allerdings inzwischen als bedroht, weil sie nach und nach vom Grusel-Halloween-Brauch aus Nordamerika überrollt werden.
- Die Mexikaner glauben, dass an diesem Tag die Verstorbenen zu Besuch kommen und mit ihnen ein buntes Volksfest mit Musik, Tanz und gutem Essen feiern.