Emst. . Nils Schumann ist motiviert, zielstrebig und engagiert. Doch der Gesetzgeber lässt den behinderten jungen Mann im Stich.
- Während bislang immer klar geregelt war, wer für den Transport zuständig war, steht die Familie nun vor einem echten Problem
- Das zuständige Bundesamt erklärt, dass Fahrtkosten für behinderte Bufdis einfach nicht bedacht worden seien
- Für die Familie von Nils Schumann bedeutet das einen erheblichen Organisationsaufwand, der jeden Tag zu stemmen ist.
Dass Nils Schumann (18) und seine Familie den Lebensalltag so bewältigen wie sie es tun, wäre eigentlich schon eine Geschichte wert. Trotz seiner schweren Behinderung durch einen Badeunfall geht der junge Hagener seinen Weg, hat das Abitur am Hildegardis-Gymnasium gemacht und leistet aktuell Bundesfreiwilligendienst beim Arbeiter-Samariter-Bund (ASB). Im Anschluss will er Betriebswirtschaftslehre studieren. Doch während bislang immer klar geregelt war, wer für den Transport des behinderten jungen Mannes zuständig war bzw. zahlen sollte, steht die Familie nun vor einem echten Problem. Denn im Gesetz zum Bundesfreiwilligendienst ist schlichtweg vergessen worden, dass Behinderte auch zu ihren Dienststellen gefahren werden – oder zumindest die Kosten dafür getragen werden.
Christof Schumann ist alleinerziehender Vater von drei Söhnen. Die Mutter der Familie ist verstorben. Seither ist die Familie gut strukturiert um den behinderten Sohn Nils. Bei einem Badeunfall im Jahr 2013 an einem See brach sich der junge Mann Wirbel im Rücken und sitzt nun im Rollstuhl. Der damals 14-Jährige wollte per Kopfsprung in einen See tauchen, hob ab, prallte mit dem Kopf auf und überschlug sich dabei. Es besteht leise Hoffnung, dass die Lähmungen irgendwann aufhören könnten, weil seine Querschnittslähmung nicht komplett ist. Teile des Rückenmarks sind gequetscht.
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Während er noch das Hildegardis-Gymnasium besuchte, wurde er morgens von einem Fahrdienst zur Schule und nach Unterrichtsende vom gleichen Dienst wieder nach Hause gefahren. „Die Kosten dafür trug die Bezirksregierung“, sagt sein Vater. Die Behörde habe dadurch sichergestellt, dass Nils Schumann seiner Schulpflicht nachkommen konnte. Mit den normalen öffentlichen Verkehrsmitteln kann der 18-Jährige nicht fahren, weil das Ein- und Aussteigen in der Kürze der Zeit und zwischen mehreren Menschen nicht problemlos möglich ist.
Man sei nicht mehr zuständig, erklärt die Bezirksregierung. Mit Ende der Schulpflicht sei man nicht mehr der Kostenträger. Der richtige Ansprechpartner sei das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben, wo der Bundesfreiwilligendienst (Nachfolger der Wehrpflicht und des Zivildienstes) angesiedelt ist. Man erhält als Dienstleistender ein Taschengeld in maximaler Höhe von 372 Euro. Zusätzlich kann man Sachbezüge für Verpflegung und Unterkunft erhalten. Geld für Fahrdienste gibt es nicht. Das würde Nils Schumann von der Bundesagentur für Arbeit allerdings erhalten, wenn er sein duales Studium beginnt.
Bundesamt sind Hände gebunden
Das zuständige Bundesamt erklärt auf Anfrage, dass in Absprache mit den Einsatzstellen versucht werde, dem behinderten Bundesfreiwilligen durch Reduzierung der Dienstzeit oder teilweise Freistellung von den Seminaren den Dienst zu ermöglichen. Allerdings sei die Kostenübernahme des Transports derzeit nicht möglich. „Die Zahlungen des Bundes sind vom Gesetz abschließend aufgelistet. Darunter fallen die Transportkosten nicht und es gibt leider keinen Ermessensspielraum“, erklärt die Pressestelle des Amtes.
Die Problematik sei bekannt und es solle in der nächsten Legislaturperiode gesetzlich nachgebessert werden. Vereinfacht gesagt: Diese inklusive Voraussetzung hat man im aktuellen Gesetzesentwurf einfach vergessen.
Für Nils Schumann, der am 1. September mit dem Dienst begann, wird das zu spät kommen. Sein Vater, Familie und Freunde versuchen nun, ihn zum Dienst beim ASB zu fahren. Der ASB hatte erklärt, dass man neben dem Taschengeld und den Verpflegungskosten nicht noch für den Transport aufkommen könne. Vater Christof Schumann hatte privat Angebote eingeholt. Im günstigsten Fall kostet eine Fahrt 19 Euro, 38 Euro pro Diensttag. „Am ASB liegt es nicht“, sagt Schumann, „die haben alles, was sie können, möglich gemacht.“