Hagen. . Neben Cemile Giousouf (CDU) und René Röspel (SPD) bewerben sich sechs weitere Kandidaten in Hagen bei der Bundestagswahl um die Erststimme.

  • Acht Kandidaten kämpfen in Hagen bei der Bundestagswahl um die Erststimmen
  • Neben CDU und SPD schicken fünf kleine Parteien Bewerber ins Rennen
  • Michael Tropp ist der einzige parteilose Bewerber

Acht Hagener bewerben sich bei der Bundestagswahl am 24. September um einen Sitz im Berliner Reichstag. Die Kandidaten der beiden großen Parteien, Cemile Giousouf (CDU) und René Röspel (SPD), haben wir Ihnen bereits ausführlich vorgestellt. Auf dieser Seite geht es um die sechs weiteren Bewerber, die sich, obwohl sie realistischerweise nur geringe Chancen besitzen, den Wahlkreis Hagen/Ennepe-Ruhr I zu gewinnen, für ihre politischen Überzeugungen in den Wahlkampf gestürzt haben und dafür einen Großteil ihrer Freizeit opfern.

Katrin Helling-Plahr (FDP)

Katrin Helling-Plahr.
Katrin Helling-Plahr. © Kleinrensing

Obwohl erst 31 Jahre alt, besitzt Katrin Helling-Plahr (FDP) bereits viel politische Erfahrung. Die Rechtsanwältin, die sich auf Medizinrecht spezialisiert hat, gehörte zeitweise dem Bundesvorstand der FDP und der Jungen Liberalen an und ist Mitglied im Hagener Stadtrat. Sie kandidiert bereits zum dritten Mal für den Bundestag. Vor acht Jahren erreichte sie, damals blutjunge 23 Jahre, 7,6 Prozent der Erststimmen, 2013 waren es, weil der Abstiegssog der Liberalen auf ihre Person durchschlug, nur 3,4 Prozent. Im Grunde habe doch niemand mehr Lust auf das „Weiter so“ der Großen Koalition im Bund, wünscht sie sich eine politische Wende: „Deutschland sollte mit mehr Ehrgeiz regiert werden.“

Priorität besitzt für die Hagenerin, die verheiratet ist und vor neun Monaten ihr erstes Kind zur Welt gebracht hat, die Bildungspolitik: „Ich bin für die Abschaffung des Kooperationsverbotes, damit der Bund sich in die Bildung einmischen und sie finanzieren darf.“ Außerdem fordert sie mehr Mittel, um die maroden Straßen in Deutschland zu sanieren: „Und wir müssen schleunigst etwas gegen den Ärztemangel unternehmen. 25 Prozent aller Ärzte in unserem Land sind über 60.“ Deshalb sollten mehr Studienplätze für Mediziner eingerichtet und die Niederlassungsmöglichkeiten mit eigener Praxis für Fachärzte vereinfacht werden. Helling-Plahr könnte über Platz 17 auf der Landesliste in den Bundestag einziehen, wenn die FDP bei den Zweitstimmen mehr als zehn Prozent holt.

Michael Eiche (AfD)

Für die AfD kandidiert, wie schon bei der Landtagswahl im Mai, der Hagener Partei- und Fraktionsvorsitzende Michael Eiche (53). Dem Verwaltungsangestellten liegen zwei Themen besonders am Herzen: „Die

Michael Eiche.
Michael Eiche. © Kleinrensing

Entschuldung der Kommunen und die Kulturförderung.“ Als Chorleiter wünsche er sich vor allem, dass dem Musikunterricht in den Schulen wieder mehr Bedeutung beigemessen werde: „Das ist mein Steckenpferd.“

Bei den Hauptthemen der AfD, der Zuwanderung und dem Euro, befindet sich Eiche auf Parteilinie. „Die Grenzen müssen dicht gemacht werden, wir können nicht Hunderttausende einfach so und ohne vorherige Kontrolle ins Land lassen. Hier läuft arg was schief.“ Unter den Flüchtlingen und Zuwanderern befänden sich viele Menschen, die nicht vor einem Krieg flüchteten, sondern aus wirtschaftlichen Gründen.

Auch die gemeinsame Währung sei weder für die wirtschaftlich schwachen noch für die starken Länder in Europa von Vorteil, sondern nur für die Konzerne: „Dafür ist die Griechenland-Krise exemplarisch. Wir haben die Banken gerettet, nicht die Menschen.“

Um einen Platz auf der Landesliste seiner Partei habe er sich bewusst nicht beworben, so Eiche: „Ich will gar nicht nach Berlin, ich bin in Hagen verwurzelt.“ Zur Kandidatur habe er sich nur entschlossen, um die Positionen der AfD in Hagen besser deutlich machen zu können.

Karen Haltaufderheide (Grüne)

Karen Haltaufder­heide (57) ist zwar auf Platz 39 der Grünen-Landesliste für den Bundestag nominiert, gibt sich aber keinen Illusionen hin: „Ich habe wohl keine realistische Chance auf ein Mandat.“ Damit dürfte es dabei

Karen Haltaufderheide.
Karen Haltaufderheide. © privat

bleiben, dass die Hagener Grünen noch nie einen Bundestagsabgeordneten gestellt haben. Zu groß ist die innerparteiliche Konkurrenz, zu mitgliederstark sind die anderen Kreisverbände in NRW.

Dennoch ist Frau Haltaufderheide eine viel beschäftigte Politikerin. Sie sitzt im Rat ihrer Heimatstadt Wetter, im Kreistag, in der Versammlung des Landschaftsverbandes und ist hauptberufliche Geschäftsführerin ihrer Partei in Hagen. Das Gebaren der Großen Koalition in der Diesel-Krise bezeichnet sie als industrie- und innovationsfeindlich und begründet das so: „Interessengeleitete Gruppen verhindern im Verein mit der Kanzlerin, dass neue Technologien gefördert werden und sich auf dem Markt durchsetzen können.“ Dadurch würden massiv Arbeitsplätze in der Autoindustrie gefährdet, zumal ausländische Firmen bei der Entwicklung alternativer Antriebstypen schon viel weiter seien. Und: „Wir brauchen eine Umweltpolitik, die nicht nur Reichen ermöglicht, sich umweltfreundlich zu verhalten“, sagt die Sozialwissenschaftlerin, die ein echter Familienmensch ist. Karen Haltaufderheide lebt in einer Patchworkfamilie mit acht Kindern (davon fünf eigenen) und neun Enkeln.

Ralf Sondermeyer (Die Linke)

Ralf Sondermeyer ist ledig, lebt aber in einer Beziehung und macht sich Sorgen. Der 56-jährige Kandidat der Partei Die Linke fürchtet, dass eine der Krisen in Nordkorea, Venezuela oder anderen Regionen der Erde zu

Ralf Sondermeyer.
Ralf Sondermeyer. © privat

einem großen Krieg eskalieren könnte. Deshalb fordert er auch einen sofortigen Stopp deutscher Rüstungsexporte: „Die Bundesregierung verkauft ja wahnsinnig viele Waffen, und das auch in Krisengebiete wie Saudi-Arabien.“

Außer für den Frieden setzt sich Sondermeyer, der in Hohenlimburg wohnt, ein Mandat im Stadtrat hat und neben Ingo Hentschel der führende Linken-Politiker in Hagen ist, für die Gleichberechtigung aller Menschen ein. „Ich bin durch und durch Humanist.“ Alle Menschen hätten das gleiche Recht zu leben, egal ob einer Segelohren habe oder es sonstige Unterschiede gebe: „Ich habe in meinem persönlichen Leben schon genug schlimme Dinge erlebt, die mich in meiner Überzeugung bestärkt haben.“ Dazu passt, dass er sich für die Inklusion stark macht, also die Einbindung behinderter Menschen in das gesellschaftliche Leben.

Um einen Platz auf der Landesliste der Linken hat sich Sondermeyer nicht beworben, auch sein früheres Engagement in diversen Arbeitsgemeinschaften seiner Partei auf Bundesebene hat er aufgegeben: „Für mich ist der Wahlkampf purer Stress. Aber es wäre eine Weltsensation, wenn ich das Direktmandat gewinne.“

Reinhard Funk (MLPD)

Ebenso wie Sondermeyer positioniert sich auch Reinhard Funk (59) gegen „Kriegspolitik und jegliche imperialistische Aggression“. Der Kandidat der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD) grenzt sich

Reinhard Funk.
Reinhard Funk. © privat

bewusst von den anderen linken Parteien ab, indem er sich als „echten Sozialisten“ bezeichnet. Dazu gehöre es auch, sich für eine Verstaatlichung der Produktionsmittel einzusetzen, so Funk in echter Klassenkampf-Rhetorik. In der Sowjetunion und der DDR seien die Grundsätze von Marx und Lenin verraten und die Bevölkerung von einer Bürokratenkaste ausgebeutet und unterdrückt worden, so Funk, der dennoch die Hoffnung nicht aufgegeben hat, irgendwann einen „echten Sozialismus“ in der Welt etablieren zu können: „Wir dürfen uns nicht in Nationalitäten aufspalten lassen. ich trete für das Recht auf Flucht ein.“ Ebenso unterstützt Funk den kurdischen Befreiungskampf und fordert von der Bundesregierung, alle Beziehungen „zum faschistischen Erdogan-Regime“ abzubrechen.

Der gelernte Werkzeugmacher, der lange als Kaltwalzer in der Stahlindustrie gearbeitet hat, wohnt mit seiner Frau in Hohenlimburg und ist mittlerweile seit vielen Jahren hauptberuflich als MLPD-Funktionär tätig. Seit 13 Jahren engagiert er sich bei den Hagener Montagsdemon­strationen.

Michael Tropp (parteilos)

Michael Tropp ist der Einzelkämpfer unter den Hagener Direktkandidaten. Der 56-jährige Unternehmer aus Eilpe hat sich, abgestoßen vom Klüngel in den etablierten Parteien, mit enormem finanziellen und persönlichen

Michael Trop.
Michael Trop. © Heuel

Aufwand in den Wahlkampf gestürzt. 50 000 Euro aus seiner Privatschatulle hat Tropp für Plakate, Internetauftritte und weitere Werbemittel investiert, um seinen Bekanntheitsgrad in Hagen zu steigern. Hinzu kommen zahlreiche Gespräche mit Bürgern, Podiumsdiskussionen und Infostände. „Ich will ein Zeichen setzen, dass man etwas erreichen kann, auch wenn man keine Partei im Rücken hat“, so Tropp, dem der Stress anzusehen ist. Im Wahlkampf hat er vier Kilo abgenommen.

Obwohl er selbst zwei Firmen leitet (eine für CNC-Baumaschinen, eine für den Handel mit Luxusuhren), setzt er auf eher linke Themen wie das bedingungslose Grundeinkommen und die „Überarbeitung der Vermögens- und der Spekulationssteuer“. Das hat sicherlich mit seiner Biographie zu tun, denn Tropp ist in bitterer Armut aufgewachsen: „Bis ich zwölf war, habe ich bei meinen Großeltern in Wehringhausen auf der Klappcouch in der Küche geschlafen.“

Vor allem aber fordert er die direkte Demokratie mit Volksentscheiden nach Schweizer Vorbild. Dass er wirklich eine Chance auf das Direktmandat hat, habe er sich inzwischen „abgeschminkt“, sagt er in realistischer Selbsteinschätzung: „Aber ich möchte schon die drittmeisten Stimmen holen, sonst wäre ich enttäuscht.“ Mittlerweile ist er Schnupper-Mitglied bei der Wählergemeinschaft Hagen Aktiv.

Wie auch immer er abschneidet: In vier Jahren will Tropp, der in zweiter Ehe verheiratet ist und drei Kinder hat, erneut antreten.

>>Hintergrund: Die Ergebnisse 2013

  • Bei der Bundestagswahl 2013 verteilten sich die Erststimmen wie folgt: René Röspel (SPD) 47,1 Prozent; Cemile Giousouf (CDU) 34,1; Thomas Schick (Linke) 5,7; Frank Steinwender (Grüne) 4,5; Katrin Helling-Plahr (FDP) 3,4; Maja Tiegs (Piraten) 2,7; Udo Franke (NPD) 1,9; Brigitte Schiltz (Bündnis 21/RRP) 0,4; Reinhard Funk (MLPD) 0,2.
  • Bei den Zweitstimmen lag die SPD (36,8 Prozent) vor CDU (35,3), Grünen und Linken (je 6,7), FDP (4,5) und AfD (4,4).