Hagen. . Die Linken sehen sich als Anwalt der Schwächeren. Doch dieses Engagement zahlt sich bei den Hagenern nicht in Form von Stimmenzuwächsen aus.

Obwohl seine Ehefrau Elke als Fraktionsvorsitzende agiert, gilt Ingo Hentschel, der als OB-Kandidat antrat und heute parallel noch das Amt des Fraktionsgeschäftsführers bekleidet, als das prominenteste Gesicht der Hagener Linken. Zur Hälfte der aktuellen Wahlperiode bat die Stadtredaktion den 54-Jährigen zum Interview.

Beim WP-Bürgerbarometer stellten wir im Frühjahr die Frage, welche Partei in Hagen sich denn am meisten für die Belange der Bürger einsetze. Den Linken traute dabei niemand etwas zu. Woran liegt das?

Ingo Hentschel: Uns hat das Ergebnis überrascht, und wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass dies vor allem an der mangelnden Resonanz in den Medien liegt. Wir müssen mit dem Erreichten einfach mehr in die Öffentlichkeit. Wir überlegen jetzt, ob wir unsere Internetseite weiter ausbauen oder regelmäßig ein Infoblatt herausgeben.

Ihr Anspruch ist es immer gewesen, der Kümmerer an der Seite der Bürger zu sein. Das jetzt nur auf die mediale Resonanz zu schieben, klingt eine wenig simpel.

Wir kümmern uns sehr wohl um die Belange der Menschen, das wird von uns regelmäßig gelebt. Wir haben mehr Bürgergespräche bei uns im Büro als alle anderen Fraktionen zusammen. Dass wir davon nach außen hin nicht profitieren, ist für uns unverständlich. Das gehört nach unserem Verständnis definitiv auch zu den Aufgaben einer Ratsfraktion.

Hagen hat kontinuierlich hohe Arbeitslosenzahlen und immer mehr Menschen, die auf Unterstützung aus den Sozialkassen angewiesen sind – klassisches Linken-Klientel also. Wieso kann ihre Partei davon nicht mehr profitieren?

Das ist tatsächlich ein Wählerpotenzial, das vorhanden ist. Das ist aber auch das größte Potenzial der Nichtwähler. Die muss man erst einmal motivieren. Wir haben uns im Wahlkampf intensiv um diese Bürger bemüht. Wir können es uns nur so erklären, dass viele dieser Menschen zur AfD gegangen sind. Hier müssen wir – genau wie alle anderen Parteien auch – noch viel intensiver aufzeigen, was dort wirklich passiert. Auf dem Terrain der Enttäuschten ist die AfD für uns sicherlich ein starker Mitbewerber. Wir müssen diese Partei immer wieder inhaltlich stellen und demaskieren.

Rund um die Linken werden auch immer wieder Stimmen laut, die Partei sei am Ende bloß ein Hentschel-Wahlverein. Wie gehen Sie mit dieser Kritik um?

Ingo Hentschel (Die Linke)
Ingo Hentschel (Die Linke) © Michael Kleinrensing

Das erklären wir: Ich wollte in der Politik nie nach vorne, das war mir immer fremd. Aber nach reichlich internen Querelen bin ich in diese Rolle hineingerutscht, weil ich ein Mensch bin, der sich nichts gefallen lässt. Meine Frau wollte sich bei den Linken politisch engagieren, allerdings nicht in der ersten Reihe. Wir finden nur schwer Frauen, die bereit wären, auf einem vorderen Listenplatz zu kandidieren.

Aber Sie arbeiten zudem noch als Fraktionsgeschäftsführer. Würden Sie diese Ämterhäufung nicht bei anderen Parteien scharf kritisieren?

Ganz ehrlich: Das würde ich nicht, weil wir genau wissen, wie schwierig das ist. Junge Leute engagieren sich wirklich in der Politik, aber nicht mehr in den klassischen Strukturen, sondern die suchen sich lieber Projekte raus. Das Problem haben andere Parteien aber auch.

Wie würden Sie das Miteinander im Rat beschreiben? Kommen sie als Partei vom äußeren Rand mit allen Fraktionen gut ins Gespräch?

Das Bild außen trügt da manchmal. Wir arbeiten u. a. intern auch eng mit der CDU zusammen, was man so vielleicht gar nicht glauben würde. Auch das Verhältnis zur SPD ist gut. Mit Hagen Aktiv ist das Miteinander sicherlich schwieriger geworden, weil wir Hagen Aktiv dafür kritisiert haben, dass sie als einzige Fraktion – entgegen der Absprache – den zweiten stellvertretenden Bezirksbürgermeister gestellt haben. Auch mit der FDP gibt es keine Probleme. Die Gesprächsfäden hinter der Kulisse funktionieren alle – außer mit der AfD..

Im Rat hat man allerdings nicht diesen Eindruck . . .

Das ist Schaulaufen. Es wäre sicherlich besser, wenn der Ton manchmal gemäßigter wäre – obwohl wir noch weit weg sind vom Wahlkampf. Wobei das Miteinander inzwischen gesitteter abläuft, was auch ein Verdienst von Erik O. Schulz ist. Wir sind immer gut vorbereitet und damit inhaltlich präpariert, in der Sache hart zu diskutieren. Ich prophezeie jetzt schon: Im Herbst knallt die „Allianz der Unvernunft“ auseinander. Da wird Nicole Pfefferer die Führung der Grünen übernehmen und die politischen Weichen neu stellen. Das macht aber auch nichts, denn damit entsteht im Rat wieder Spielraum für Gedanken anderer Parteien, was der Qualität der Beschlüsse ja nur gut tun kann. Die Allianz blockiert hier aktuell eher die Vielfalt der Ideen.

>>HINTERGRUND: RETTUNGSSCHIRM

  • Das Erreichte: Dass im Rahmen der Beratungen rund um den Doppelhaushalt 2016/17 die Schließung des Lennebades in Hohenlimburg sowie der Freibäder Hengstey und Hestert verhindert werden konnte, betrachten die Linken als einen ihrer größten politischen Erfolge seit der Kommunalwahl 2014. Außerdem hätte die Fraktion durch gute Sacharbeit für weitere Ausgaben-Sensibilität im Rat gesorgt.
  • Die Ziele: Als vordringliches Ziel bis zur Kommunalwahl 2020 sieht es die Fraktion, dass die „Allianz der Vernunft“ sich auflöst und wieder mehr Entscheidungen über alle Parteigrenzen hinweg aufgrund von guten Sachargumenten getroffen werden. Außerdem soll nach dem Wunsch der Linken in Hagen – zumindest testweise – eine Öldialyse-Technologie für den gesamten städtischen Fuhrpark etabliert werden, um Kosten zu reduzieren und Rohstoffe zu schonen. Gleichzeitig möchte die Fraktion einen Rettungsschirm über Wehringhausen spannen, damit vor dem Hintergrund zunehmender Immobilienverkäufe verhindert wird, dass der Stadtteil womöglich zum Ziel von Spekulanten wird.
  • Die OB-Frage: Zur nächsten Kommunalwahl 2020 suchen die Linken noch nach Partnern, die mit ihnen gemeinsam einen OB-Kandidaten aus der Stadtgesellschaft aufstellen, der als Persönlichkeit ohne politischen Stallgeruch antritt.