Die Rettungswagen-Einsätze steigen, doch der Rettungsdienst darf nicht zum sozialen Reparaturbetrieb werden.

Für mich war es eine kleine Zeitreise. Fast 25 Jahre ist her, dass ich als Zivildienstleister 15 Monate lang als Rettungssänitäter im Rettungsdienst gefahren bin. 24-Stunden-Schichten gab es schon damals, ansonsten hat sich – das kann ich nach der Schicht auf der Wache Mitte sagen – vieles verändert. Nicht nur, weil ich als Zivi damals im beschaulicheren ländlichen Gebiet gefahren bin. Es hat sich ganz offensichtlich auch generell etwas in der Einstellung geändert.


Der Rettungsdienst wird – so berichten es übereinstimmend die Mitarbeiter – immer häufiger als Hausarzt-Ersatz missbraucht. Wer den zentralisierten kassenärztlichen Notdienst umgehen will, wählt die 112. Wenn die Pflege alter Menschen nicht funktioniert und sich Angehörige – subjektiv sicherlich verständlich – überfordert fühlen, wird der Rettungsdienst gerufen.


Das ist kein alleiniges Hagener Phänomen, das trifft viele Städte, aber es bindet in zu großem Maße gut ausgebildete Kräfte, die eigentlich für richtige Notfälle da sein sollten. Das ist ja kurioserweise ein anderes Phänomen: Rettungsdienst und Hilfsorganisationen müssen immer wieder Kampagnen fahren, damit auch wirkliche Notfallpatienten wie Schlaganfall- oder Herzinfarkt-Erkrankte schnell die 112 wählen und nicht auf einen Hausarzt warten.


Es braucht in einer alternden Gesellschaft abseits der privaten Pflegedienste vielleicht auch so etwas wie einen Pflege -Notdienst, der auch am Wochenende oder nachts gerufen werden kann, wenn sich alte Menschen oder noch mehr die Angehörigen überfordert fühlen. Das kann aber nicht eine wachsende Aufgabe des Notfall-Rettungsdienstes sein.

Offensichtlich brauchen Polizei und Rettungsdienst aber auch eine sichere rechtliche Grundlage. Es muss eine Möglichkeit geben, dass Betrunkene, die zwar viel zu viel getrunken haben, aber offensichtlich nicht gesundheitlich gefährdet sind, nicht wertvolle und teure Rettungsdienst- und Krankenhauskapazitäten binden – ohne, dass die Einsatzkräfte Gefahr laufen, haftbar gemacht zu werden, sollte doch später noch etwas passieren. Alle Risiken kann man in dieser Welt nicht ausschließen.


Rettungsdienst, Polizei und Feuerwehr sind für echte Notfälle zuständig. Sie dürfen nicht als gesellschaftlicher oder sozialer Reparaturbetrieb und als Service-Unternehmen oder gar Taxi missbraucht werden. Michael Koch