Hagen. . Warum ist der Basketball in Hagen mehr als nur ein Mannschaftssport? Warum bewegt er ganze Familien? Ein Erklärungsversuch.

Warum eigentlich? Warum ist der Basketball in Hagen mehr als nur ein Mannschaftssport? Warum bewegt er ganze Familien? Warum fasziniert er auch die, die nicht selbst aktiv spielen? Warum ist er Gesprächsstoff, Geschäftsplattform und identitätsstiftendes Merkmal dieser Stadt? Ein Erklärungsversuch.

Die Hütte im Garten von Peter Krüsmann ist wie ein Museum. Poster erfolgreicher Hagener Profiteams hängen an den Wänden. Krüsmann hat ein Tableau gefertigt, auf dem man alle Bundesliga-Kader seit den 60er-Jahren nachsehen kann. Wimpel hängen an den Wänden. Sie zeugen von großen Spielen, als Barcelona, Moskau und Jerusalem am Ischeland zu Gast waren. Wir wollen den Termin bei Krüsmann nicht nutzen, um die Hagener Basketball-Chronik nachzuerzählen. Dafür müssten wir etliche Seiten drucken. Wir sind auf der Suche nach einer Antwort auf die Frage, wie der Basketball in Hagen zu dem werden konnte, was er ist.

„Das kann man nur anhand von Menschen erklären“, sagt Peter Krüsmann, der selbst einer dieser Menschen ist, die den Basketball in Hagen geprägt haben. Als Spieler des SSV Hagen, mit dem er deutscher Meister 1974 wurde. Als Trainer von Brandt Hagen wurde er unter anderem Pokalsieger und Vizemeister und nahm auch am Europapokal teil. Aus dem Gespräch mit Krüsmann ergeben sich sechs Gründe, warum die Sportart in Hagen dauerhaft so populär wurde.

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Die Gründerväter

Der Sport- und Lateinlehrer Ernst Michalowski brachte Anfang der 50er-Jahre eine Basketball-AG an den Start. Die Idee hatte er aus dem Osten adaptiert. Es war eine der kleinen Geburtsstunden des Basketballs in Hagen. Sieben Vereine standen zwei Jahre später Pate, als der Kreis Hagen aus der Taufe gehoben wurde. SSV Hagen, TSV Hagen 1860, TV Eppenhausen, TSV Fichte Hagen, TSV Vorhalle, EJ Gevelsberg und TG Harkort Wetter hatten ihre Vertreter geschickt. Ernst-Walter Buchsein, Ernst Michalowski, Karl Heinz Schulte, Otto Kessler und Helmuth Herpers bildeten den Kreis-Vorstand. Sie waren Hagens Basketball-Pioniere.

Die große Show

„Ganz klar“, sagt Peter Krüsmann, „mit Jimmy ging das alles los.“ Gemeint ist Jimmy Wilkins, der erste Amerikaner, der je in Hagen spielte. Zwischen 1973 und 1975 war er die ganz große Show in Hagen. „Er sprang 1,09 Meter aus dem Stand hoch. Er war nicht zu stoppen.“ In der damals für knapp 1600 Zuschauer ausgelegten Ischelandhalle quetschten sich mehr als 3000 Menschen, um Wilkins und das legendäre Meisterteam des SSV von 1974 zu sehen. „Wilkins war in den Siebzigern, genau wie in den 90er-Jahren Keith Gatlin ein Motor und Beschleuniger der Popularität des Basketballs in Hagen.“ Ohne die spektakulären Amerikaner wäre der Basketball in Hagen nie so eine Nummer geworden. Hunderte Amerikaner folgten in den Jahrzehnten nach Wilkins. Unter ihnen Athleten, über die man noch heute spricht.

Die Nachwuchstrainer

„Das Team, das 1974 deutscher Meister wurde, ist zu großen Teilen nach der Karriere in Hagen geblieben“, sagt Krüsmann. Heute, in dem globalen und schnelllebigen Geschäft kaum vorstellbar. „Das ist der Grund, warum in den Folgejahren etliche Jugendspieler zu Bundesliga- und Nationalspielern wurden“, sagt Krüsmann. Denn die alte Garde engagierte sich in der Nachwuchsförderung und bildete Jugendliche aus. Etliche Jugendmannschaften wurden Meister. Was direkt zum nächsten Grund für die Popularität des Sports führte.

Die Identifikation

Denn wer die Menschen auf dem Bundesliga-Parkett persönlich kennt, baut als Zuschauer eine ganz andere Verbindung zum Spitzensport auf. „Natürlich, da waren auch immer Amerikaner dabei. Aber viele Spieler kamen eben auch aus Hagen und man kannte sich“, sagt Krüsmann. Zu sehen, dass Talente aus der eigenen Stadt zu Bundesligaspielern werden können, schafft im Publikum ein hohes Maß an Identifikation. Heute ist das nicht mehr in jenem Maße der Fall, wie zu Krüsmanns Zeiten als Spieler und Trainer. Dennoch: Athleten wie Per Günther (heute in Ulm), Fabian Bleck (Bremerhaven), Niklas Geske (Ludwigsburg) oder Jonas Grof (aktueller Phoenix-Aufbauspieler) sind heute noch beispielgebend dafür, wie gut die Nachwuchsförderung in Hagen funktioniert.

Der Amateurbereich

Eine Liga für jeden. Vielleicht kann man es so am besten beschreiben, welch hohen und wichtigen Stellenwert der Amateurbasketball für die Tradition und die Popularität in Hagen hat. Von der 2. Kreisliga bis zur zweiten Liga kann man in jeder Spielklasse in Hagen versuchen, an den Start zu gehen. Zahlreiche Klubs organisieren Basketball neben dem Leistungsgedanken auch auf der Breitensport-Ebene und machen die schnelle Sportart damit für Jedermann erlebbar. Wie sehr die Liebe zur Basketball-Kultur, des Drumherums und der in der Szene beteiligten Menschen ist, manifestiert sich jedes Jahr beim BG-Turnier auf Emst, dem größten und traditionsreichsten Freiluft-Turnier Deutschlands, bei dem Profis und Amateure gemeinsam spielen.

Die Geld-Frage

„Auch heute sprechen wir darüber, dass wir eine Aufbruchstimmung in der Unternehmerschaft brauchen“, sagt Krüsmann. Bei aller Liebe und Popularität – am Ende bleibt der Basketball eben auch eine Frage des Geldes. „Wir waren in den Achtzigern und Neunzigern mal mit Bamberg auf Augenhöhe. Wenn nicht sogar besser“, sagt Peter Krüsmann. „Heute haben die uns um Welten abgehängt.“ Die Diskussionen um eine größere Halle gehören genauso zur Basketball-Tradition wie die Erfolge. Krüsmann: „Andere Mittelklasse-Städte wie Göttingen, Oldenburg oder Ludwigsburg haben es doch auch hinbekommen, sich zu etablieren. Alles steht und fällt mit einer größeren Halle.“