Haspe. . Sollte sich bewahrheiten, dass die Hasper Kohlenbahn die erste Bahnstrecke Deutschlands war, müssten die Geschichtsbücher umgeschrieben werden
- Eingefleischte Hasper sind sich sicher, dass die Kohlenbahn die erste Eisenbahn in Deutschland war
- Archäologe Hortst Klötzer soll sich auf die Suche begeben, um Reste der einstigen Trasse zu finden
- Sollte tatsächlich ein Beweis zu führen sein, müssten die Geschichtsbücher umgeschrieben werden
Dass die erste Eisenbahn in Deutschland im Dezember 1835 zwischen Nürnberg und Fürth rollte, wird von eingefleischten Haspern seit jeher bezweifelt. Denn bereits in den 20er-Jahren des 19. Jahrhunderts pendelte die Kohlenbahn von Friedrich Harkort („Schlebusch-Harkorter Eisenbahn“) zwischen der Harkort’schen Fabrik und den Zechen bei Silschede und versorgte die Produktionsstätte des Industriepioniers mit Kohle aus den nahen Stollen. Damit bewegte sich die erste Eisenbahn in Preußen und offenkundig auch in Deutschland in Hagen und keineswegs in Bayern. „Allerdings wurde damals verschlafen, diese Innovation weiterzuentwickeln“, blickt Dr. Ralf Blank, Leiter des Fachdienstes Wissenschaft, Museen und Archive bei der Stadt Hagen, in die Frühzeit der Industrialisierung zurück.
Forschungsprojekt gefordert
Vor diesem Hintergrund hat die Hasper Bezirksvertretung in ihrer jüngsten Sitzung ein Forschungsprojekt angeregt, das die Bedeutung der Kohlenbahn in den Fokus rücken soll. „Ich fände es der Bedeutung angemessen, wenn es hierzu ein vertiefendes Forschungsprojekt geben würde, um die wirtschaftliche und soziale Bedeutung der ersten Eisenbahn für Deutschland zu belegen“, warb Bezirksbürgermeister Dietmar Thieser dafür, diese Ideen zu verfolgen. Entsprechend wurde der passionierte Archäologe Horst Klötzer beauftragt, sich im Gelände zwischen Haspe und Silschede auf Spurensuche nach Resten der alten Kohlenbahn zu begeben. „Wenn es etwas zu finden gibt, dann findet er das“, verweist Blank auf die Trüffelschwein-Qualitäten des Hobby-Forschers. „Er hört schon am Piepsen seines Metalldetektors, um was es sich handelt und hat einfach einen guten Blick“, hofft der städtische Experte als Resultat der archäologischen Prospektion auf ein historisches Stück Kohlenbahn-Gleis als Exponat fürs Stadtmuseum.
Friedrich Harkort verfolgte gemeinsam mit seinem Bruder Johann Caspar für den Transport von Gütern – vorzugsweise Kohle – schon zu einem frühen Zeitpunkt die Vorstellung von Schienenwegen und gründete bereits 1826 die erste deutsche Eisenbahngesellschaft. Nach mehrjähriger Bauzeit konnte im Jahr 1829 unter der Regie eines Konsortiums eine Kohlenbahn mit Pferdebetrieb eingeweiht werden. Die geplanten Baukosten von 15 500 Talern hatten sich bis zur Fertigstellung nahezu verzwölffacht. Die etwa acht Kilometer lange Strecke verband Harkorts Eisenwerk in Haspe und die Straße im Ennepetal mit der Zeche Trappe hinter Silschede.
Auf den mit Eisen beschlagenen Holzschienen (Stahlschienen folgten erst 1856) rollten zunächst Acht-Scheffel-Wagen (ca. 300 Liter). Meist zogen zwei Pferde einen aus neun Wagen bestehenden Zug, bis 1876 dann Dampflokomotiven zum Einsatz kamen. „Harkort war ein technologisch sehr aufgeschlossener Mensch, der sich auch zu einem frühen Zeitpunkt für Dampfmaschinentechnik interessierte“, erinnert Blank daran, dass der Hasper Unternehmer nicht bloß aus Selbstzweck, sondern auch aufgrund seines Pioniergeistes diese Entwicklung vorantrieb.
Trotz aller Euphorie bei den Aktionären kam die Kohlenbahn jedoch nicht aus den roten Zahlen heraus. 1846 ging die Kohlenbahn in den Besitz der Zeche Trappe über. Der relativ niedrige Verkaufspreis von 6600 Talern lässt vermuten, dass das Geschäft aus der Not heraus getätigt wurde. Den Höhepunkt ihrer Leistung hatte die Bahn während der Ruhrbesetzung durch die Franzosen im Jahr 1923. Trappe lag damals im unbesetzten Gebiet und konnte gar nicht so viele Kohlen fördern wie Bedarf angemeldet wurde.
Hasper Hütte übernimmt die Bahn
1908 übernahm die Hasper Hütte, die 1858 angeschlossen worden war, den südlichen Abschnitt der Strecke bis zur Halde Enerke (unweit des heutigen A1-Autobahnanschlusses Haspe/Volmarstein), um auf diesem Wege Schlacken und andere Abfälle zu befördern. Außerdem nutzte den oberen Abschnitt zum Bahnhof Silschede von 1921 bis 1960 die Firma Peyinghaus (Volmarstein-Schmandbruch) als Anschlussbahn. Mit dem Ausbau der Grundschötteler Straße ist diese alte Gleistrasse (900 Millimeter Spurweite) spurlos verschwunden. Es sei denn, Horst Klötzer entdeckt im Rahmen seiner Suche doch noch Hinterlassenschaften eines Verkehrsmittels, das als die wahre erste deutsche Eisenbahn in die Geschichtsbücher des Landes eingehen sollte.
>> Herstellung von Sensen und Waffen
Die Familie Harkort betrieb im vorindustriellen Gebiet entlang der Enneper Straße die Herstellung und den Handel von Sensen und Sicheln sowie Waffen und Küchengeräten.
Als Keimzelle gilt die unter Denkmalschutz stehende Harkort’sche Fabrik an der Grundschötteler Straße, in der sich heute eine Tischlerei befindet.
Bereits in den 30er- und 40er-Jahren des 19. Jahrhunderts wurden dort auch Stahlschienen für die Eisenbahn produziert, was seinerzeit als absolute Innovation galt.
Der Familiensitz findet sich bis heute nur wenige Meter abseits. Haus Harkorten an der Harkortstraße steht aktuell leer und muss dringend vor dem Verfall gerettet werden.