Höing. . Der Streit zwischen Reiterverein und Stadt ist erneut eskaliert. Tierärzte rufen Polizei um Hilfe, Eltern dagegen sehen Verein drangsaliert.

  • Auseinandersetzung zwischen Reiterverein und Stadt Hagen wieder in vollem Maße entbrannt
  • Veterinäre stehen bei Kontrolle vor verschlossenen Türen und bitten Polizei um Amtshilfe
  • Eltern des Reitervereins dagegen sprechen von unverhältnismäßigen Auflagen und Verordnungen

Zwei Jahre lang herrschte Ruhe im erbitterten Streit zwischen Stadt und Reiterverein Hagen. Friedhofsruhe.

Nun ist die Auseinandersetzung wieder in vollem Maße entbrannt. Die Pferdefreunde vom Höing werfen dem städtischen Veterinär Dr. Edwin Esser vor, den Verein mit repressiven Maßnahmen in den wirtschaftlichen Ruin zu treiben. „Der Verein steht vor dem Aus“, heißt es im dramatischen Appell einer Mitgliederinitiative. Die Stadtverwaltung weist die Vorwürfe strikt zurück. „Wir kontrollieren lediglich im Rahmen des Tierschutzgesetzes“, so Thomas Bleicher, Sprecher der Stadt.

Polizei leistet Amtshilfe

Anlass für das erneute Aufbrechen des Konflikts war eine Kon­trolle der Stallungen auf dem Höing, die Amtsveterinär Esser am 15. Mai nach einer anonym erfolgten Anzeige wegen Tierquälerei angeordnet hatte. Als die Mitarbeiter des Veterinäramtes, unterstützt von zwei Kollegen aus dem Ordnungsamt, das Vereinsgelände betreten wollten, soll ihnen Reitlehrerin Annika Brucke den Zutritt verweigert haben. Nachdem sie einige Zeit tatenlos vor dem verschlossenen Tor verharrt hatten, baten die Mitarbeiter die Polizei um Amtshilfe. Und tatsächlich erschien bald darauf ein Streifwagen, die uniformierten Beamten nahmen der Reitlehrerin den Torschlüssel ab und übergaben ihn dem Ordnungsamt. Endlich konnte die städtische Abordnung das Areal des Vereins betreten.

Auch Schlüsseldienst zur Stelle

Doch das Katz-und-Maus-Spiel begann jetzt erst richtig. Die städtischen Mitarbeiter wollten ihren Kontrollgang bei den Boxen im Untergeschoss der Stallungen beginnen und baten den Vorsitzenden des Reitervereins, ihnen die verschlossene Gittertür zu öffnen. Der dachte jedoch nicht daran, der Aufforderung nachzukommen. Weil die Polizeibeamten sich inzwischen wieder verabschiedet hatten, riefen die Veterinäre einen Schlüsseldienst herbei.

Dieses Spielchen wiederholte sich in der Folgezeit ein ums andere Mal. Die städtische Delegation begehrte Einlass in einen verriegelten Gebäudetrakt oder Stall, der Vorsitzende ignorierte die Aufforderung, woraufhin der Mann vom Schlüsseldienst die Tür öffnete. In einem weiteren Fall gelang es den Mitarbeitern, ein Schloss durch systematisches Durchgehen der Zahlenkombinationen zu öffnen.

Eltern sprechen von Willkür

Fündig wurden die Veterinäre auch. Nach Informationen unserer Zeitung dokumentierten sie an verschiedenen Stellen im Stall großflächig ausgebreiteten, grauschwarzen Schimmel, zu wenig Streu in einigen Boxen sowie zwei kranke Pferde.

Nach Darstellung des Reitervereins war der Kontrollgang jedoch ungerechtfertigt und nur der Höhepunkt unzähliger Auflagen, Ordnungsverfügungen, Zwangs- und Bußgelder, mit denen Dr. Esser die Reiter auf dem Höing überschütte. Zudem lege er den Pferdebesitzern kostspielige tierärztliche Untersuchungen auf, so dass dem Verein aktuell niemand mehr ein Lehrpferd zur Verfügung stelle. Die Elter­initiative spricht von „willkürlichen Kontrollen“ und „rechtlich nicht fundierten Anordnungen“.

550 Unterschriften

Eine Unterschriftenliste zum Erhalt des Vereins, die nach Auskunft von Annika Brucke 550 Bürger unterzeichnet haben, wurde den im Rat vertreten Fraktionen übergeben. Darin heißt es, es dürfe nicht Sinn einer bürgernahen Stadtpolitik sein, einen alteingesessenen, gemeinnützigen, sozial engagierten Verein zu boykottieren: „Wir beabsichtigen außerdem, dass der Reiterverein einen Kredit durch die städtische Sparkasse erhält, was bisher auch boykottiert wurde, damit der Verein seine weitläufige Anlage sanieren und optimieren kann.“

Die Stadtverwaltung stellt sich dagegen ausdrücklich vor ihren Chef-Veterinär. Es sei nicht hinnehmbar, dass Dr. Esser durch den Reiterverein dermaßen in die ­Öffentlichkeit gezerrt werde, zumal er bei der Kontrolle im Mai nicht einmal anwesend gewesen sei, so Stadtsprecher Bleicher: „Den Vorwurf der Willkür weisen wir entschieden zurück. Solche Kontrollen sind selbstverständlich, wenn entsprechende Hinweise vorliegen.“

Mitte August wollen beide Seiten bei Rechts- und Umweltdezernent Thomas Huyeng zusammenkommen, um ihre Positionen auszutauschen und nach Lösungen zu suchen, um den Konflikt beizulegen.

>>Hintergrund: Erbpachtvertrag 2015 angepasst

  • Der Reiterverein Hagen hatte bereits Anfang 2015 für Aufsehen gesorgt, als er sieben Kindern die Mitgliedschaft und damit die Teilnahme am Voltigier-Unterricht kündigte.
  • Daraufhin kam es zu erregten Diskussionen im Rathaus. Viele Politiker wollten den Erbpachtvertrag zwischen Verein und Stadt nicht neu aufleben lassen, weil der Verein gegen das Prinzip der Gemeinnützigkeit verstoßen habe.
  • Durch Vermittlung des Rechtsanwaltes Ralf Pinkvoss kam es schließlich zu einer Lösung und einem neuen Erbpachtvertrag, der den heute üblichen Marktbedingungen angepasst wurde.
  • Während sich die Erbpacht bis dahin auf lediglich 460,16 Euro pro Jahr belief, sollte sie nun 2500 Euro betragen und ab Januar 2017 jährlich um 500 Euro erhöht werden, bis sie bei 5500 Euro liegt (was 2022 erreicht sein wird).