Hochbunker in der Tuchmacherstraße kommt unter den Hammer
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Hagen-Mitte. . Der Hochbunker an der Ecke Tuchmacher-/Dödterstraße kommt unter den Hammer. Das Mindestgebot für das ungewöhnliche Objekt liegt bei 69 000 Euro.
Der Hochbunker an der Ecke Tuchmacher-/Dödterstraße wird versteigert
Die Immobilie aus den 1940er-Jahren diente zuletzt als Band-Probenraum
Das Dach aus Ziegeln diente als Tarnung vor den Fliegerpiloten
Zwei Dinge stehen an der Wand des Treppenhauses. An die erste Anweisung mag man sich damals vielleicht noch gehalten haben: „Rauchen verboten.“ An die zweite mögen all diejenigen, die um ihr Leben gerannt waren und nun darauf hofften, dass die dicken Mauern ihnen Schutz geben würden, kaum einen Gedanken verschwendet haben: „Ruhe bewahren.“
Wie sollte das funktionieren, wenn die Sirenen heulten, wenn die Motoren von mehreren hundert alliierten Flugzeugen über der Stadt dröhnten, wenn sie ihre tödliche Fracht über Hagen abwarfen, die ersten Bomben auf Straßen und Plätzen explodierten. Tausende Menschen harrten hier stundenlang in Enge und Dunkelheit aus. Einige, die ihr Obdach bei einem der Angriff verloren hatten, wohnten hier. Andere suchten für Stunden Schutz.
Ziegel als Tarnung
Hochbunker Ecke Tuchmacher-/Dödterstraße: Ein paar Tauben sind die einzigen, die an diesem heißen Sommertag Schutz suchen. Oben unter dem Dach, das es wohl schon in Kriegstagen gegeben hat. Die Ziegel sollten den Fliegern in der Luft vorgaukeln, dass es sich bei dem viergeschossigen Gebäude um ein völlig normales Wohnhaus handele.
Dr. Achim Weiler öffnet eine der schweren Luftschutztüren. Ihm kann man wenig vormachen. Er leuchtet mit der Taschenlampe in das Treppenhaus, das vom Eingang des Bunkers hinab in das Untergeschoss führt. Spinnenweben hängen von vielen Decken herab.
Weiler, der „Bunker-Experte“, der Immobilien-Händler, der selbst ein ähnliches Objekt besitzt. Sein Interesse für das ungewöhnliche Objekt in der in jeder Hinsicht besonderen Lage ist geweckt: Gegenüber das Freizeitareal „Elbers“ mit seiner Disco, mit den Kneipen und dem Theater an der Volme, auf dem insbesondere an den Wochenenden das Leben aufblüht – nebenan das städtische Männerasyl, im dem Menschen eine Unterkunft finden, die die Stadtgesellschaft vergessen hat.
Hochbunker wird versteigert
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Mindestgebot: 69 000 Euro
Es gibt mehrere Aspekte, die einen Bunker attraktiv machen. Finanzielle spielen dabei auch eine Rolle: „So viel Immobilie für so wenig Geld“, sagt Weiler, „das findet man selten. Der Zustand ist vielleicht nicht der beste. Aber die Lage ist interessant.“ Bei 69 000 Euro liegt das Mindestgebot für die Immobilie mit einer Gesamtfläche von rund 600 Quadratmetern.
Die Westdeutsche Grundstücksauktionen AG bringt den Bunker am Montag, 19. Juni, unter den Hammer. Weil Weiler aus Bottrop und André Migdalsky aus Dortmund wissen wollen, wofür sie unter Umständen bieten, sind sie zu dem Besichtigungstermin nach Hagen gekommen.
Nach Dirk Vahlenkamp, Sekretär des Auktionshauses, sind die beiden potenziellen Bieter offenbar die Ersten, die seit längerem das Gebäude betreten. „Wir wissen über diesen Bunker relativ wenig“, sagt Vahlenkamp, „es gibt keine genauen Grundrisse. Die Innenmaße haben wir aufgrund der äußeren Hülle geschätzt.“ Das Baujahr soll laut Auktionshaus um 1943 liegen.
Entstehung in den 1940er-Jahren
Auch historisch gesehen ist im Archiv der Stadt kaum etwas über die Geschichte des Innenstadtbunkers überliefert. „Wir gehen davon aus, dass der Bunker 1941/42 während der ersten Welle errichtet wurde“, sagt Dr. Ralf Blank, Leiter des Fachdienstes Wissenschaft, Museen und Archive der Stadt Hagen.
Bands müssen lange nach dem Krieg in dem Gebäude geprobt haben. Davon zeugen verbliebene Styroporplatten an den Wänden der einzelnen Räume. Und die Sponti-Sprüche an den Wänden der Toiletten. Immerhin: „Die Leitungen und die Verteilerkästen sind erneuert worden“, sagt Achim Weiler. „Darauf sollte man achten. Wenn man die Elektrik komplett neu verlegen muss – das ist ein riesiger Kostenfaktor.“
Kein Objekt für Rendite-Jäger
Und obwohl er bei der Besichtigung rechnet und kalkuliert, ist das Objekt in Hagen keines, in dem er riesige Renditen erwartet. In Essen hat er vor einiger Zeit seinen ersten Bunker erworben. Kreisrund ist der Bau. „Einer der schönsten Bunker in Deutschland“, so Weiler. „Deshalb habe ich mitgeboten. Ein Konzept hatte ich eigentlich nicht.“
Gerade erst hat er das ungewöhnliche Gebäude an einen Generalmieter verpachtet. Kulturschaffende sollen hier arbeiten. „Das hat mich überzeugt“, sagt Weiler, „eine tolle Idee, die ich gerne unterstütze.“ Nicht zuletzt durch eine Miete, die für die Szene zu stemmen ist.
Eine Idee für einen Betonklotz, der wie so viele Bunker aus dieser Art in viele kleinere Räume pro Etage unterteilt ist, die man auch an der Tuchmacher Straße umsetzen könnte. „Ich sehe hier schon Entwicklungspotenzial“, sagt Achim Weiler, „man muss zunächst mal damit beginnen, eine Etage vernünftig herzurichten.“
Letzte Gesprächsrunde vor der Tür: Achim Weiler, André Migdalsky („Leider bin ich bislang immer überboten worden“) und Dirk Vahlenkamp tauschen sich aus. Man kennt sich. Man schätzt sich. Und man sieht sich vermutlich wieder. Am 19. Juni, 11 Uhr, im Hilton-Hotel in Köln.
>>> HINTERGRUND: BUNKER GEHÖRT DEM STAAT
Der Bunker an der Tuchmacherstraße ist einer von mehreren Hochbunkern in der Hagener Innenstadt. Erhalten sind heute noch die Bunker an der Körnerstraße und an der Bergstraße.
Der Hochbunker an der Ecke Tuchmacher-/Dödterstraße befindet sich im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland. Er gehört der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben.
Laut Auktionsbeschreibung besteht das Gebäude aus vier Geschossen plus Keller.
Das Objekt befindet sich laut Beschreibung „in einem soliden Zustand mit weiterem Sanierungsbedarf“.
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