Altenhagen/Boelerheide. . Während Discounter kleine Standorte aufgeben, schließen Händler vor Ort die Lücke. Zwei Geschäfte in Altenhagen und Boelerheide sind Beispiele.

  • Zwei Altenhagener eröffnen ein Lebensmittel-Geschäft und versorgen einen Stadtteil.
  • Die Nähe zu den Menschen im Viertel zeichnet die kleinen Läden aus.
  • Auch Dirk Tiedemann hat mit seinem Tante-Emma-Laden in Boelerheide Erfolg.

Während sich die großen Discounter in Deutschland für Ladenflächen unter 800 Quadratmeter überhaupt nicht mehr interessieren und etliche kleine Aldi-, Lidl- oder Rewe-Filialen im Zuge dieser Großflächen-Strategie dicht gemacht werden, passiert an der Kinkelstraße in Altenhagen aktuell quasi die Umkehr vom großen Ketten-Denken.

Nachdem Rewe beschloss, den Nahkauf dort zu schließen und etliche, vor allem ältere Menschen von jetzt auf gleich von der wichtigen Zu-Fuß-Versorgung abschnitt, ist plötzlich wieder Leben in der 266 Quadratmeter großen Filiale. Zwei Beispiele dafür, wie lokale Händler Viertel retten, die Discounter verließen.

Der mutige Entschluss eines Geschäftsmanns

Engin Degerli hat den Bergkauf in Altenhagen eröffnet.
Engin Degerli hat den Bergkauf in Altenhagen eröffnet.

Engin Degerli strahlt. Er war mutig. Als der Altenhagener bemerkte, welch tiefes Loch die Schließung der Nahkauf-Filiale an der Kinkelstraße in das Viertel riss, handelte er. „Die gesamte Infrastruktur hier im Viertel brach zusammen. Ein Schneider und ein Florist hatten auch zugemacht. Da dachte ich mir: Das will ich nicht. Ich mache ein Geschäft auf.“

Mittlerweile gibt es dieses Geschäft. Es heißt Bergkauf und bietet vom Duschgel über Gemüse und Fleisch bis zu frischen Brötchen im Prinzip alles. Die komplette Familie von Engin Degerli hilft mit. Der Laden ist jeden Tag von 7 bis 20 Uhr geöffnet. Es gibt sogar einen Lieferservice nach Hause. „Und oft haben wir alte Damen oder Herren auch schon nach Hause gefahren, wenn es nicht mehr ging.“

Die Nähe zum Menschen zeichnet den Laden aus

Das Geschäftsprinzip basiert auf der Nähe zum Menschen im Viertel und auf harter Arbeit. Denn jeden Tag vor Ladenöffnung stehen Arbeitstunden auf Großmärkten und bei Händlern an. „Aber: Es funktioniert. So gut, dass wir überlegen, den Laden nicht mehr zu mieten, sondern die Immobilie zu kaufen.“ Es sei eine Win-win-Situation: Die Familie von Degerli könne von dem kleinen Geschäft leben, und das Viertel habe einen Teil seiner Infrastruktur zurück.

„Das ist eine Retourkutsche für die Großen“, sagt Dirk Tiedemann, der vor mittlerweile sechs Jahren mit ähnlichem Hintergrund den Tante-Emma-Laden an der Malmkestraße in Boelerheide eröffnet hatte. Edeka hatte sich aus dem Viertel zurückgezogen. Tiedemann war dort zuvor der Leiter des Ladens. „Genau wie Herr Degerli in Altenhagen dachte auch ich mir: Das kann es doch nicht sein. Das kriege ich hin.“ Sein Lädchen hat sogar nur 65 Quadratmeter. Aber Tiedemann schafft es, darin das komplette Sortiment von Fleisch bis Brot anzubieten.

Vertrauen muss man über Jahre hinweg aufbauen

Dirk Tiedemann vor seinem Tante-Emma-Laden in Boelerheide.
Dirk Tiedemann vor seinem Tante-Emma-Laden in Boelerheide.

„Dazu kommt, dass wir uns im Viertel kennen und vertrauen. Sowas kann man nicht kaufen, dass muss man über Jahre aufbauen.“ Wegtechnisch sei es zwar für jüngere Menschen kein Problem, die große Kaufland-Filiale an der Freiligrathstraße anzusteuern. „Aber für ältere Menschen, die auch kein Auto mehr fahren, geht das nicht. Und wir schaffen es hier, preistechnisch auf Ballhöhe mit dem Discounter zu bleiben.“ Tiedemann ist allein und wird von einem Auszubildenden unterstützt.

Dass häufig südländische Familien das Wagnis eines eigenen Ladens eingehen, ist laut Engin Degerli vom Bergkauf eine Frage der Mentalität: „Wir denken vorher, dass es nichts zu verlieren gibt – und dann tun wir es einfach.“ Das sieht man auch an Erol Gürel, der Degerlis Kollege ist und eigentlich in der Altenpflege arbeitet. „Als ich hörte, dass wir was für das Viertel tun können, habe ich mitgemacht.“

>>HINTERGRUND: GROSSES ANGEBOT

  • Der Tante-Emma-Laden in Boelerheide hat eine Größe von nur 65 Quadratmetern. Dennoch wird ein großes Sortiment von Fleisch bis Brot angeboten.
  • 266 Quadratmeter umfasst der „Bergkauf“ in Altenhagen an der Kinkelstraße. Auch hier setzten die Betreiber auf ein reichhaltiges Angebot.