Hagen. . Der Lehrlingswart der Hagener Baugewerks-Innung schlägt Alarm: Frederik Linke befürchtet, dass der Branchen der Nachwuchs ausgeht.

  • In der Hagener Baubranche sind aktuell lediglich noch zwei Auszubildende unterwegs
  • Viele junge Leute scheuen die anstrengende körperliche Arbeit am Bau
  • In der Branche werden sowohl Auszubildende, aber auch Gesellen solide bezahlt

Der Fachkräftemangel macht sich immer stärker bemerkbar: Den Bauunternehmen fehlt der Nachwuchs, in ganz Hagen gibt es nur noch zwei Maurer-Lehrlinge. Die Baugewerks-Innung schlägt Alarm: „Es ist erschreckend, aber der Zeitpunkt ist abzusehen, an dem uns endgültig die Facharbeiter ausgehen“, malt Lehrlingswart Frederik Linke (47) ein düsteres Zukunftsszenario.

Linke führt selbst eine Baufirma, sein letzter Lehrling hat die Ausbildung vor zwei Jahren beendet. Seitdem hat er nicht eine Bewerbung mehr erhalten. Auch andere Gewerke haben Nachwuchsprobleme, doch die Arbeit auf dem Bau scheint für junge Leute heutzutage besonders unattraktiv zu sein.

Scheu vor körperlicher Arbeit

„Um es mal ganz klar zu sagen: Die Jugendlichen scheuen schwere, körperliche Arbeit, bei der sie sich auch noch schmutzig machen“, so Linke. Viele Realschüler würden das Abitur oder das Fachabitur anstreben, und den Absolventen der Hauptschulen fehle es oftmals an der notwendigen Motivation: „Wer eine 4 oder 5 in Mathe hat, der schafft auch die Gesellenprüfung als Maurer und Betonbauer nicht.“

Sein Chef schätzt die Arbeit von Edwin Andres Montalvo Sivinta, der ursprünglich aus Ecuador stammt.
Sein Chef schätzt die Arbeit von Edwin Andres Montalvo Sivinta, der ursprünglich aus Ecuador stammt. © Michael Kleinrensing

Von den beiden letzten Maurer-Lehrlingen in Hagen hat einer eine ungewöhnliche Vita vorzuweisen: Edwin Andres Montalvo Sivinta ist bereits 30 Jahre alt und stammt aus dem südamerikanischen Ecuador. Er hat eine Lehrerin geheiratet und lebt mit ihr und dem gemeinsamen Sohn in Hagen. Zwar hat er in seinem Heimatland zwölf Jahre lang auf dem Bau gearbeitet („Ich stamme aus einer Maurer-Familie“), doch eine solide Ausbildung war ihm wichtig.

Deshalb hat er in Deutschland zuerst den Schulabschluss nachgeholt und sich dann bei Horst Lindtner (52) um eine Ausbildung beworben: „Edwin ist ein Glücksfall für die Firma“, erzählt der Bauunternehmer: „Er liefert tadellose Arbeit ab.“ Auf herkömmlichem Wege könne man heute keinen Azubi mehr gewinnen, fügt Lindtner resigniert hinzu.

Hoffen auf die Einwanderer

Deshalb setzen die Betriebe ihre Hoffnungen auf Einwanderer wie Montalvo Sivinta. „Die Zuwanderung ist unsere einzige Hoffnung“, bestätigt Linke: „Wir glauben, da schlummert eine Menge Potenzial.“ Fairerweise müsse man aber zugeben, dass zum Beispiel ein Flüchtlinge vier bis fünf Jahre Eingewöhnungszeit benötige, bis er reif sei für den ersten Arbeitsmarkt.

Mit Immigranten haben die Bauunternehmen schon einmal gute Erfahrungen gemacht. Als in den 90er-Jahren zahlreiche Russlanddeutsche und Osteuropäer nach Deutschland kamen, hätten die Betriebe davon profitiert, so Linke: „Es waren wirklich gute Handwerker darunter.“

Solide Bezahlung schon in der Ausbildung

An der zu schlechten Bezahlung kann es jedenfalls nicht liegen, dass kaum noch jemand Maurer werden will. Im Gegenteil: Ein Azubi verdient im ersten Lehrjahr bereits 785 Euro und damit so viel wie in kaum einem anderen Handwerk, im dritten Lehrjahr sind es sogar 1410 Euro.

Auch der Geselle wird nicht schlecht bezahlt, im ersten Jahr beträgt der Tariflohn 3000 Euro, im Jahr darauf rund 3300 Euro (basierend auf einem Stundenlohn von 19,50 Euro). Zudem erhalten Beschäftigte neben der gesetzlichen Altersversicherung eine tariflich festgelegte Zusatzrente.

Offensive Werbung

Wer fleißig ist, kann es auf dem Bau also weit bringen. Doch obwohl die Innung auf Messen und in Schulen intensiv um Azubis wirbt, stößt sie auf Gleichgültigkeit. Der Eltern-Day, auf dem sich die Betriebe ebenfalls empfehlen wollten, musste abgesagt werden. Grund: Es gab keine Interessenten.

>>HINTERGRUND: LEHRBAUHOF GESCHLOSSEN

Nicht nur die Maurer haben Nachwuchsprobleme. In Hagen gibt es derzeit nur drei Fliesenleger-Lehrlinge.

Der Nachwuchsmangel hat bereits 2013 dazu geführt, dass der Lehrbauhof in Hagen geschlossen werden musste.

Die Ausbildung kann gestaffelt werden: eine zweijährige Lehrzeit endet mit dem Abschluss zum Hochbau-Facharbeiter, die dreijährige Lehre schließt als Maurer und Betonbauer.

Weitere Informationen gibt es bei Lehrlingswart Frederik Linke: Tel. 53632.