Wehringhausen. . Sind die Grundstücksverkäufe von der Stadt an die AWO sauber gelaufen? Eine Bürgerinitiative und ein Raumplanungs-Professor bezweifeln das.
- Eine Bürgerinitiative gegen das Erweiterungs-Projekt im Deerth zweifelt die Hintergründe des Geschäfts an
- Raumplanungs-Professor aus Dortmund erklärt, dass dies ein Fall für die Kommunalaufsicht sei
- Baudezernet Grothe sagt, die Stadt habe beim Verkauf der Grundstücke nichts vom bauvorhaben gewusst
Die Bürgerinitiative gegen die geplante Erweiterung der Drogenklinik im Deerth hat bereits 5000 Unterschriften für einen Bürgerantrag gesammelt, der den Rat der Stadt zu einem negativen Votum bewegen soll. Inhaltlich springt der Initiative der Raumplanungs-Professor Klaus Joachim Grigoleit zur Seite, der feststellt, dass die Grundstücksverkäufe der Stadt an die AWO „höchst ungewöhnlich gelaufen“ seien. Die Argumente und Reaktionen im Überblick.
Die Initiative
Zum Lenkungskreis der Bürgerinitiative gehören Andreas Darda, Antje und Volker Selter sowie der ehemalige Fachhochschul-Chef Professor Jörg Liese. Hauptantrieb der insgesamt rund 50-köpfigen Gruppe: der Widerstand gegen die Opferung von Waldflächen zugunsten einer Drogenklinik. „Wir sind nicht gegen einen Maßregelvollzug. Es geht einfach darum, dass hier ein gewerblicher Betrieb noch mal um rund 75 Prozent seiner Fläche im Wald erweitert werden soll. Dagegen haben wir einige Einwände“, sagt Andreas Darda.
Die Argumente
Der Standort: „Es ist im bisherigen Verfahren nie wirklich eine Alternative geprüft worden“, sagt Darda, „wenn es wichtig ist, dass der neue Maßregelvollzug nur neben der schon bestehenden funktionieren kann, wie die AWO sagt, dann muss man auch darüber nachdenken, ob man beide Standorte nicht gemeinsam woanders hin verlagern kann.“
Natur und Arten: „Rund um das Grundstück gibt es zahlreiche schützenswerte Vogel- und andere Tierarten. Noch dazu werden drei Biotope dort oben zerstört“, sagt Geologe Dr. Volker Selter, „man kann neue Bäume pflanzen, aber Lebensraum für Vögel, den kann man nicht einfach ersetzen.“
Verkehr und Lärm: „Unserer Ansicht nach erhöht sich das Verkehrs- und Lärmaufkommen im Wald durch den Maßregelvollzug erheblich. Allein durch Personal und Lieferanten.“ Im Zuge der weiteren Planungen müsste die AWO aber Gutachten beibringen, die das Gegenteil beweisen.
Der Verkauf
Für die Bürgerinitiative ist klar: Der Verkauf zweier Grundstücke im Deerth an die AWO ist nicht sauber gelaufen. „Die Stadt wusste schon vorher, dass die AWO die Klinik erweitern möchte. Vor diesem Hintergrund hätte das Gelände nie für den Preis von 1,60 Euro pro Quadratmeter verkauft werden dürfen“, sagt Volker Selter. Der Stadt sei immer bewusst gewesen, wie enorm der Wert des Geländes durch eine Umwandlung werden würde. „Dass die Grundstücke in zwei Teilen verkauft wurden, ist nur gemacht worden, damit das Geschäft am Rat vorbei abgewickelt werden konnte“, sieht die Initiative hier Kungelei.
Der Baurat
„Die Sache ist deshalb nicht durch den Rat gegangen, weil der Preis nicht die dafür vorgesehenen Wertgrenzen überschritten hat“, sagt Baudezernent Thomas Grothe. Die Bürgerinitiative bestätigt diese Aussage in ihrer Annahme, dass die Verkäufe genau deshalb in zwei Teile gestückelt wurden. Grothe: „Zum Zeitpunkt des Verkaufes wussten wir nichts von einem Bauvorhaben.“ Die Bürgerinitiative hält dagegen. „Falsch“, sagt Andreas Darda, „uns liegen Schriftwechsel zwischen AWO und Bauamt vor, die belegen, dass die Erweiterung schon vor dem Grundstücksverkauf ein offen kommuniziertes Thema der AWO gewesen ist.“ Baurat Grothe betrachtet die Diskussion unaufgeregt: „Der Rat hat doch jetzt alles in der Hand. Wenn er die Planungen ablehnt, bleibt das Gelände eine Schafswiese.“
Der Raumplaner
Für Raumplanungs-Professor Klaus Joachim Grigoleit (Uni Dortmund) haben die Grundstücksverkäufe und der vorhabenbezogene Bebauungsplan einen „extremen Beigeschmack.“ Grigoleit: „So macht man das nicht. Es ist ein Fall für die Kommunalaufsicht, ob mit dem Grundstück hier sparsam und im Sinne der Bürger umgegangen worden ist.“ Wenn die Stadt es in dem Wissen verkauft habe, dass es später Bauland werden könnte, könne das sogar Veruntreuung sein. Grigoleit: „Nicht abwegig, dass sowas auch durch die Staatsanwaltschaft geprüft werden könnte.“
Das Problem ist die sogenannte Planwertabschöpfung, hinter der die Frage steht: Wer kassiert den Mehrwert eines Grundstückes, wenn Kommunen planerisch tätig werden? Eine Stadt wie Hagen hätte das Geld bitter nötig.
Einwohnerantrag führt keine Entscheidung herbei
Nach WP-Informationen gingen die beiden Verkäufe im Gesamtumfang von etwa 25 000 Quadratmetern einmal für 1,65 Euro und beim zweiten Mal für 2,23 Euro pro Quadratmeter über die Bühne. Für die beiden Flächen hat die AWO also insgesamt rund 50 000 Euro bezahlt.
Die AWO hat die Flächen schon vorher genutzt. Das Areal, auf dem der Maßregelvollzug entstehen soll, wurde vorher von der AWO gepachtet.
Mit dem auf den Weg gebrachten Einwohnerantrag kann die Initiative den Stadtrat verpflichten, sich mit der Angelegenheit in öffentlicher Sitzung zu befassen. Der Einwohnerantrag verpflichtet den Stadtrat aber nicht, auch eine Entscheidung herbeizuführen. In Hagen sind für den Antrag 8000 Unterschriften nötig.