Hagen. . Zu viel Wohnraum für zu wenige Menschen – dieser Satz gilt auch in Hagen. Konzepte zur Stadtentwicklung müssen her.
- Regelmäßige Investitionen sichern Qualität des Wohnens.
- Hagener Wohnungsgesellschaften setzen Vorschläge von Forschern bereits um.
- GWG setzt auf Hausmeister als Ansprechspartner.
Das Problem wird in allen Hagener Stadtbezirken angesichts der Leerstände erschreckend sichtbar: zu viel Wohnraum für zu wenige Menschen. Eine Leerstandsquote jenseits der Sieben-Prozent-Marke – an dieser Tendenz haben auch Flüchtlingswelle und EU-Zuwanderung nichts Grundlegendes geändert.
Vor diesem Hintergrund hat die Stadt im November vergangenen Jahres eine Wohnungsmarktstudie präsentiert, die schonungslos verdeutlichte, dass in den nächsten zehn Jahren etwa 3500 Wohnungen vom Markt verschwinden und parallel etwa 1500 zeitgemäße Angebote neu geschaffen werden müssten, um die Stadt attraktiv zu halten.
Eine gewaltige Herausforderung, die Verwaltung, Politik, Wohnungsgesellschaften, aber vor allem auch die privaten Immobilienbesitzer – etwa vier Fünftel des Hagener Wohnungsbestandes sind in der Hand von Privatleuten – mit einer klugen Strategie bewältigen müssen, um Lebensqualität und Mietpreisstabilität entlang der vier Flüsse zu bewahren.
Runder Tisch im Rathaus
Bei einem runden Tisch im Rathaus kamen jetzt die Planungsverwaltung, die Spitzen des Stadtentwicklungsausschusses (Vorsitzender Stephan Ramrath und sein Stellvertreter Jörg Meier) sowie die Geschäftsführer der drei größten Wohnungsgesellschaften (Marco Boksteen/HGW, Christoph Rehrmann/GWG und Matthias Lüdecke/Wohnungsverein) zu einem ersten vertraulichen Austausch zusammen, um das weitere Vorgehen abzustimmen.
Dabei wurde nach Informationen dieser Zeitung deutlich, dass die problembehafteten und oft abrisswürdigen Gebäude meist nicht im Besitz dieser großen Protagonisten sind.
Notwendiger Rückbau
Dennoch signalisierten die Wohnungsgesellschaften, den notwendigen Rückbau konstruktiv flankieren zu wollen. Das in der Wohnungsmarktstudie von Prof. Dr. Guido Spars (Bergische Universität Wuppertal, Institut für Raumforschung & Immobilienwirtschaft) formulierte Rückbauvolumen halten die Beteiligten jedoch für ein unrealistisches Ziel. Dennoch soll der Austausch fortgesetzt werden, um eine gemeinsame, koordinierte Zukunftsstrategie zu entwickeln.
Christoph Rehrmann, Geschäftsführender Vorstand der Gemeinnützigen Wohnstätten-Genossenschaft (GWG), hält es ohnehin für fahrlässig, die Ergebnisse der Studie „rauszuhauen, ohne einen Plan zu haben. Das ist höchst unsensibel in einer Stadt mit hoher Abwanderung und beschleunigt nur den Abgesang“.
Solche Schnellschüsse würden lediglich auswärtigen Immobilienbesitzern Argumente liefern, sich zügig von ihrem Besitz zu trennen.
Der Wohn-Manager hätte sich gewünscht, die Ergebnisse des Wuppertaler Hochschullehrers zunächst im internen Kreis zu diskutieren und möglichst mit konkreten Lösungsideen unterfüttert der Öffentlichkeit zu präsentieren, um die akute Verunsicherung bei den privaten Eignern in Grenzen zu halten.
Lage der Stadt bleibt attraktiv
Gleichzeitig macht Rehrmann auch im Namen der Kollegen der übrigen großen Wohnungsgesellschaften deutlich, dass man sich angesichts der Aktivitäten der vergangenen Jahre nicht zu verstecken brauche.
Die GWG-Stadthäuser an der Eugen-Richter-Straße oder auch die Investitionen des Wohnungsvereins an der Rheinstraße zeigten beispielhaft, dass die Immobilienprofis die Zeichen der Zeit längst erkannt hätten. „Für gutes Wohnen lassen sich in Hagen auch noch gute Mieten erzielen“, zeigt sich Rehrmann überzeugt, dass die Qualitäten der Stadt – beste Verkehrsanbindung, attraktive Lage zwischen Ruhrgebiet und Sauerland, vielfältiges Arbeitsplatzangebot, etc. – trotz Einwohnerschwundes für sich sprechen.
Zehn bis zwölf Millionen Euro investiert
Darüber hinaus verweist er auf die erfolgreichen GWG-Investitionen der vergangenen Jahre. Immerhin investieren die Hasper in ihre 4750 Wohneinheiten im gesamten Stadtgebiet jährlich zwischen zehn und zwölf Millionen Euro:
Die Sanierung der Wohnblocks an der Höxterstraße hat sich beispielsweise ausgezahlt. Seit das Quartier für etwa acht Millionen Euro modernisiert wurde, sind die Wohnungen wieder vollständig vermietet. Familien fühlen sich dort wieder wohl und die soziale Kontrolle funktioniert. Die Grundrisse der Wohnungen aus den 70er-Jahren sind noch immer zeitgemäß, allerdings fehlt es an Parkraum.
Vollvermietung auch am Karweg, seit die Immobilien an der Einmündung Kohlenbahn energetisch auf das Niveau der Zeit angehoben wurden. Beispielgebend auch eine Altbausanierung an der Ecke Dickenbruch-/Rönselstraße. Hier wurden, neben einer Modernisierung der Außenhülle, Ober- und Dachgeschosse zusammengelegt, um attraktive Wohneinheiten zu schaffen, sowie Gebäude durch Balkone und Terrassen ergänzt.
Nach der erfolgreichen Sanierung soll das Nebenhaus im gleichen Stil folgen.
Keine Lösung zeichnet sich weiterhin für das Eckhaus Dickenbruch-/Kipperstraße ab. „Hier gelten die Gesetze des Marktes“, ist Rehrmann überzeugt, dass die notwendigen Investitionskosten sich an diesem Standort nie wieder erlösen lassen.
Den überfälligen Abriss des leerstehenden Objektes möchte die Stadt jedoch nicht genehmigen: „Hier sollte die Bauverwaltung etwas liberaler reagieren – eine schöne Fassade allein rechtfertigt nicht den Erhalt.“
Die GWG-Immobilien am Jungfernbruch am Quambusch sind durch moderne Baustoffe und prägnante Farbgebung optisch ebenfalls ins 21. Jahrhundert katapultiert worden.
Hausmeister als Kümmerer
„Durch die verbesserte Sauberkeit hat sich bei den Bewohnern ein ganz anderes Verantwortungsgefühl entwickelt“, verweist der GWG-Chef auch auf die Rolle des extra eingestellten Hausmeisters, der als permanenter Kümmerer vor Ort für stabile Verhältnisse sorgt.
Eine Strategie, die ebenfalls in dem Hochhaus Ährenstraße funktioniert. Dort drohte das soziale Umfeld zu kippen, Kriminalität machte sich breit. Inzwischen ist das Gebäude saniert, ein barrierefreier Zugang mit weitem Entree geschaffen worden und es herrscht Vollvermietung. „Überall, wo wir in den vergangenen zehn bis zwölf Jahren am Quambusch saniert haben, gibt es keine Vermietungsprobleme.“
Kritisch bleibt lediglich die Parkraumsituation: Jedes neu geschaffene Garagen- und Carport-Karree ist sofort belegt.
Ähnliche Erfahrungen hat Rehrmann am Spielbrink gemacht, wo aktuell die Gebäude-Sanierungsarbeiten entlang an der Oedenburgstraße fortgesetzt werden. Auch hier wurde ein Hausmeisterbüro etabliert, um einen regelmäßigen Ansprechpartner anbieten zu können.
„Die Kollegen gehen vorher alle für 14 Tage in die ,Hausmeisterschule’ von Salvatore Pettinato an der Höxterstraße“, würdigt der GWG-Vorstand die Sensibilität des Italieners für diesen Job: Einerseits genießt er höchsten Respekt bei den Mietern, andererseits wird er von den Kindern im Viertel freundschaftlich abgeklatscht.
Wohneinheiten abgerissen
Als geradezu beispielgebend für eine zukunftsorientierte Stadtentwicklung gelten in Wehringhausen die Immobilien an der Eugen-Richter-Straße. Hier hat die GWG 95 kaum mehr vermarktbare Wohneinheiten abgerissen und 62 komfortable Mietwohnungen neu entstehen lassen.
Aber auch der angrenzende Bestand, beispielsweise an der Hentschelstraße, wurde in den vergangenen Jahren systematisch modernisiert. So wurden in den Häusern aus fünf Wohneinheiten à 33 Quadratmeter nun zwei à 66 Quadratmetern pro Etage in einem zeitgemäßen Schnitt geschaffen. „Wir haben nicht den Druck, über den Preis vermieten zu müssen“, betont Rehrmann, „dennoch konnten wir unsere Mieten in den vergangenen zehn Jahren kontinuierlich erhöhen.“
„Die Hagener Wohnungswirtschaft hat die Entwicklung nicht verschlafen“, betont Rehrmann auch im Namen seiner Kollegen aus dem übrigen Gesellschaften.
So lässt die GWG in den nächsten Wochen an der Ecke Beethoven-/Brahmsstraße drei Blocks abreißen, um dort innenstadtnah und mit bester Nahversorgung 30 Wohneinheiten zwischen 55 und 90 Quadratmetern mit Tiefgaragen entstehen zu lassen. Elementare Veränderungen stehen auch in den ähnlich zentral gelegenen GWG-Häusern an der Schabergstraße am Remberg an. Dort ist eine Grundsanierung einschließlich neuer Leitungen, moderner Bäder und versetzter Wände angedacht. Denn der Bedarf für Wohnraum mit Qualität ist weiterhin vorhanden – trotz aller demografischen Unbilden.
>> HINTERGRUND
Im Auftrag der Stadt sowie der städtischen Wohnungsgesellschaft HGW hat das Institut für Raumforschung und Immobilienwirtschaft an der Bergischen Universität Wuppertal unter der Regie von Prof. Dr. Guido Spars eine Wohnungsmarktstudie für Hagen erarbeitet.
Dabei wurde offenkundig, dass in Hagen sieben Prozent der Mietwohnungen leer stehen und somit ein massiver Preisverfall voranschreitet. Der Experte hält eine Leerstandsquote von drei Prozent für tolerabel.
Prof. Spars regt daher einen intelligenten Stadtumbau an: Über zehn Jahre hinweg sollten 350 unzeitgemäße Wohneinheiten pro Jahr vom Markt verschwinden, aber parallel auch 150 neue Objekte nach modernem Standard entstehen.