Hagen. . Dr. Christian Schleuss kämpft mit den Rotariern weltweit gegen die Kinderlähmung. Er sieht auch für Hagener Kinder Gefahren durch Impfmüdigkeit.
Seit vielen Jahren engagiert sich der Hagener Rotary-Club für den Kampf gegen die Kinderlähmung. An der Fachhochschule fand jetzt der Hagener Poliotag 2017 statt, bei dem sich Mediziner, Aktive und Interessierte, aber auch Betroffene weiterbilden konnten. Das große Hagener Engagement kommt nicht von ungefähr, denn der Hasper Kinder- und Jugendarzt Dr. Christian Schleuss ist für den Rotary-Distrikt, der in etwa das Gebiet von Westfalen umfasst, für das Polioprojekt verantwortlich.
Inwiefern betrifft uns die Kinderlähmung in Hagen noch?
Dr. Christian Schleuss: Zum einen haben wir in Deutschland zwischen 30 000 und 60 000 Menschen, die als Kind an Kinderlähmung erkrankten und im Jahr 2017 immer noch und im Alter zunehmend an ihren Lähmungen leiden. Einige Hagener Bürger mit dieser Krankheitsgeschichte waren Teilnehmer unserer Veranstaltung. Zum anderen sind in den letzten Jahren Hunderte hilfesuchende Menschen nach Hagen gekommen aus Ländern, in denen eine Impfversorgung ohne unser „End-Polio-Now“Programm nicht vorhanden wäre. Das heißt wir hätten mit hoher Sicherheit in 2017 wieder Kinder mit Polio in Deutschland – vielleicht auch in Hagen. Eine zunehmende Impfmüdigkeit in Hagen ist bei den heutigen hoch sicheren Impfstoffen zudem gefährlich – auch für unsere Hagener Kinder.
Wo sind weltweit die meisten Fälle zu verzeichnen?
Dr. Schleuss: Wenn es vor der Einführung der Impfung noch etwa 2,5 Millionen gelähmte Menschen pro Jahr mehr gab, hatten wir im letzten Jahr noch weltweit 35 Fälle und stehen aktuell mit drei Kindern aus Afghanistan und Pakistan sehr nah vor dem letzten Poliofall. Problemgebiete sind heute nur noch die Krisenregionen in Afghanistan und Pakistan. Aber auch Afrika muss mit einer enormen Überwachung und Labordiagnostik noch viele Jahre beobachtet werden.
Wo setzt die Hilfe der Rotarier an?
Dr. Schleuss: Die Idee zur weltweiten Ausrottung der Kinderlähmung hatten in den 80er-Jahren die Rotarier. Der Schluckimpfstoff ist von dem Rotarier Albert Sabin entwickelt und machte das Programm erst möglich. Seit 1988 haben die Rotarier 1,7 Milliarden US-Dollar gespendet. Aber: Seit über 30 Jahren muss der Gedanke immer wieder neu beworben werden.
Was tun die Rotarier in Hagen?
Dr. Schleuss: Der Hagener Rotary-Club stellt mit meiner Person den überregionalen Poliobeauftragten in den Gremien und bei Veranstaltungen in der Umgebung. Daher wurde diese deutschlandweite Fortbildung auch in Hagen organisiert und durchgeführt.
Wie viele Teilnehmer gab es bei der Fortbildung?
Spendenmöglichkeiten im Kampf gegen Polio
Jeder kann helfen, indem er spendet (www.polioplus.de), oder sich an den Deckelsammelaktionen für Polio beteiligt (www.deckel-gegen-polio.de). Spenden ist auch per SMS an 81190, Stichwort: Polio (5 Euro ) oder Polio10 (9,99 Euro) möglich.
Eine Impfung kostet zur Zeit etwa 35 Cent – auch kleine Spenden helfen viel.
Dr. Schleuss: Der Hagener Poliotag hatte über 100 Teilnehmer aus 30 Rotary-Clubs und auch viele Nichtrotarier, da diese Fortbildung insbesondere für Ärzte gedacht war. Der weiteste Besucher kam aus Argentinien.
Was war für Sie persönlich das interessanteste an diesem Tag?
Dr. Schleuss: Die Erfahrungen eines Polio-Kranken, der als Kind in der eisernen Lunge gelegen hat und langsam über Jahre wieder ins Leben gefunden hat. Wie er trotz Beruf und Familie im Alter wieder im Rollstuhl und nachts an der Beatmungsmaschine liegt, hat den Teilnehmern ein persönliches Schicksal gezeigt. Ein Kinderarzt berichtete über viele Auslandseinsätze mit ihren teils lustigen Anekdoten, aber auch mit einer bitteren Armut. Wir können sehr glücklich sein, hier in Hagen leben zu dürfen, sollten uns aber viel mehr für den Ausgleich dieser Unterschiede einsetzen.