Eckesey/Altenhagen.. Der Lkw-Fahrer hatte richtig Angst und die Behörden durchaus Mühe, die Menschen zu evakuieren. Der Tag der Bombenentschärfung im Überblick.
Der Tag, an dem der Fund einer amerikanischen Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg Teile Eckeseys, Altenhagens und des Bahnhofviertels lahm legt, nimmt im Führerhaus des Lkw-Fahrers Vladimir Mokowosow seinen Lauf. Der Mitarbeiter des Containerdienstes Gräwe aus Hagen sitzt am Steuer, während ein Baggerfahrer unentwegt Erdboden auf die Ladefläche seines Lasters schaufelt.
Die Szene spielt vor dem Umspannwerk der Mark-E an der Sedanstraße auf der Baustelle der Bahnhofshinterfahrung. „Dann hat der Baggerfahrer mir plötzlich etwas zugerufen“, sagt Mokowosow. „Er meinte, er hätte mir eine Bombe hinten drauf gelegt.“
Noch schnell ein Smartphone-Foto
Mokowosow klettert hinten auf die Ladefläche und sieht die 250 Kilo schwere Bombe. Der Baustellenleiter hat bereits die Polizei informiert. Mokowosow macht noch schnell ein Foto mit seinem Smartphone und verschwindet. „ Da bekommt man richtig Angst. Ich wollte einfach nur weit weg.“ Es ist kurz vor 10 Uhr morgens.
Was in den Stunden danach geschieht, ist organisatorisch eine gewaltige Aufgabe für alle Beteiligten, die so in den vergangenen Jahrzehnten in Hagen nicht bewältigt werden musste. Karl-Friedrich Schröder vom Kampfmittelbeseitigungsdienst ist wenige Minuten später an der Fundstelle. Sofort wird ihm klar, dass die Lage schwierig ist, weil die Bombe sich in einem kritischen Zustand befindet. Auch eine Sprengung der Bombe scheint zu diesem Zeitpunkt möglich.
Auf dem Gelände des ehemaligen Baumarktes Max Bahr an der Eckeseyer Straße errichten Feuerwehr, Polizei, Rettungsdienst und Ordnungsamt quasi eine komplette Einsatzzentrale. Nach einer ersten Besprechung um 11.30 Uhr wird in einer zweiten Notkonferenz am Mittag entschieden: In einem Radius von 500 Metern rund um die Bombe wird evakuiert. Wohnhäuser, Firmen, Geschäfte und auch die Gleisanlagen des Hauptbahnhofes werden geräumt.
Industriegebiet dicht gemacht
Für sämtliche Firmen, die im Industriegebiet Sedanstraße angesiedelt sind, heißt das: Betrieb ein- und Maschinen ausstellen. Bei den Betreibern sorgt das für Unmut, weil dadurch auch finanzielle Einbußen entstehen. Zum Beispiel müssen ganze Ofenanlagen abgeschaltet werden.
Um 15 Uhr setzt sich ein Tross mit Mitarbeitern des Ordnungsamtes, der Freiwilligen Feuerwehr und einer angeforderten Hundertschaft der Polizei in Bewegung und arbeitet so genannte „Klingellisten“ab. Sie strömen aus, klingeln bei den Häusern, die in einer Straßenliste mit exakten Hausnummern hinterlegt sind. Viele wissen längst, dass sie ihre Häuser verlassen müssen.
2200 Menschen sind betroffen. Es gibt auch Widerstände. Und Sprachbarrieren: Manche Bewohner Altenhagens verstehen nicht, was von ihnen verlangt wird. Viele Läden und Spielhallen machen zu. Mehmed Sahin, Inhaber einer Rösterei in Altenhagen: „Ich schalte alle Geräte ab und gehe heim. Sicherheit geht vor und ich freue mich über den frühen Feierabend.“
Immer mehr Leute angefordert
Die Hagener Straßenbahn übernimmt den Transport der Menschen, die ihre Häuser verlassen müssen und keine vorübergehende Bleibe finden. Sie werden in den ehemaligen Max-Bahr-Baumarkt gebracht. Am Nachmittag sind es schon mehr als 100 Menschen. Während die Behörden ihre Mannstärke auf 300 aufstocken, um die Evakuierung zügig hinzubekommen, beginnt der Verkehr immer mehr zu stocken. „Wir können alles planen in der Kürze der Zeit, nur den Verkehrsfluss nicht“, sagt Ordnungsamtsleiter Thomas Lichtenberg.
Rund um die Bombe, die den ganzen Tag auf der Ladefläche des Lasters liegen bleibt, herrscht absolute Stille. Die Kollegen des Kampfmittelbeseitigungsdienstes sitzen in einem Fahrzeug neben dem Laster, während die Wohnviertel evakuiert werden. Sie warten. Doch noch müssen viele Menschen bewegt werden. Zum Beispiel am frühen Abend am Hauptbahnhof. Die Empfangshalle darf zwar weiter betreten werden, aber die Gleise und der Tunnel des Gebäudes müssen geräumt werden. Der Zugverkehr wird vor der Entschärfung umgeleitet, auf den Gleisen und den Bahnsteigen war es noch nie so leer wie.
Das sagt der Bombentschärfer
Die Stadtredaktion erreicht Karl-Friedrich Schröder vom Kampfmittelbeseitigungsdienst tatsächlich auf dem Handy. Er spricht über die Bombe und wie er sie am Abend entschärfen will. „Tage wie diese kenne ich nur zu gut. Die Evakuierungsmaßnahmen können sich hinziehen. Ich bin guter Dinge, dass alles klappt.“
Am Abend um 19.35 Uhr ist es soweit. Als alle Evakuierungsmaßnahmen getroffen sind, entschärft Schröder die amerikanische Freifallbombe. Alles wie geplant. Alles sicher. Mehr als zehn Stunden nach der Alarmierung endet ein hektischer Tag.