Hagen. . Einen Glühwein mehr, und Daniela Frobel-Burkhardt wäre jetzt wohl verletzt oder tot. Die Hagenerin erlebte das Berlin-Attentat aus nächster Nähe.
- 20 Minuten vor Attentat an gleicher Stelle Glühwein getrunken
- Polizei verschärft Sicherheitsbedingungen für Weihnachtsmarkt
- Blau unterm Baum findet statt
Plötzlich ist der Terror so nah. Nicht nur in Berlin. Auch in Hagen. Während gestern Polizisten mit Maschinenpistolen auf dem Hagener Weihnachtsmarkt Streife gehen und die Feuerwehr die Haupteinfallsstraßen zur Budenstadt mit ihren Fahrzeugen blockiert, sitzt Daniela Frobel-Burkhardt im Auto. Zurück auf dem Weg nach Hagen. Nur wenige Minuten, bevor der Täter mit einem Lkw in den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche gerast ist und dabei zwölf Menschen getötet und fast 50 verletzt hat, hatte die Hagenerin an gleicher Stelle Glühwein getrunken. „Wir haben kurioserweise noch wenige Augenblicke zuvor über ein Attentat gesprochen“, sagt sie.
Frobel-Burkhardt ist mit ihrem Mann und ihrer Mutter in Berlin. Sie wollen sich kurz vor dem Fest noch ein paar schöne Tage machen. „Auf dem Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche sprachen wir noch über das Thema Attentate und dass solche Anschläge an genau solchen Orten geschehen können“, sagt sie. Nach dem Glühwein gehen sie rüber ins benachbarte Europa-Center, wollen dort etwas essen. Dann sagt ein Tischnachbar: „Da ist gerade ein Lkw in den Weihnachtsmarkt gerast.“ Die Hagener Reisegruppe geht wieder hinaus, sieht das ganze Grauen mit eigenen Augen. „Wir wollten dort nicht länger stehen bleiben oder gaffen. Außerdem wussten wir ja auch nicht, ob nicht noch mehr passiert“, sagt Frobel-Burkhardt, „wir haben wahnsinniges Glück gehabt. Wie soll man all diese Plätze und Veranstaltungen schützen? Meine Mutter hat für sich bereits entschieden, sich von Weihnachtsmärkten fern zu halten.“
Unklar, ob es Hagener Opfer gibt
Ob sich auch Hagener unter den Verletzten und den Todesopfern des Anschlags befinden, ist gestern noch unklar. Die Generalbundesanwaltschaft erklärt auf Anfrage der WESTFALENPOST, dass die Identifizierung noch nicht so weit fortgeschritten ist, um darüber eine seriöse Aussage treffen zu können.
Auf dem Hagener Weihnachtsmarkt, der nach dem Terroranschlag in Berlin nicht abgebrochen wird, herrschen nun verschärfte Sicherheitsbedingungen. Er hat bis Freitagabend, 23. Dezember, täglich ab 10.30 Uhr gewohnt geöffnet. „Wir sind in Gedanken bei den Opfern und bei unseren Schausteller-Kollegen in Berlin“, sagt Hagens Schausteller-Chef Dirk Wagner. „Aber wir dürfen uns nicht einschüchtern lassen.“
Sicherheitsbehörden stocken Personal auf
Die Sicherheitsbehörden in Hagen satteln ordentlich auf. Beamte gehen mit Maschinenpistolen und Schutzwesten in Doppelbesetzung Streife. Polizei, Vertreter der Stadt und die Veranstalter des Weihnachtsmarktes kommen zusammen, um das vorliegende Sicherheitskonzept zu ergänzen. Ein Ergebnis ist, dass die Feuerwehr die Haupteinfallsstraßen zum Weihnachtsmarkt so mit ihren Fahrzeugen verengt, dass es für Lkw-Attentäter unmöglich wird, hindurch zu fahren.
„Blau unterm Baum“ findet statt
Das Ordnungsamt wird seine Präsenz den verschärften Sicherheitsbedingungen anpassen. Am Vorabend von Heiligabend findet in der Innenstadt die Veranstaltung „Blau unterm Baum“ statt. Bis zu 3000 Hagener treffen sich im Bereich von Hohenzollernstraße/Elberfelder Straße/Friedrich-Ebert-Platz. Dabei wird es auch bleiben, sagt Wladimir Tisch von der Hagen-Agentur: „Ich habe mit den Veranstaltern von Event Experience gesprochen. Wir gehen davon aus, dass „Blau unterm Baum“ am Freitag stattfinden wird.“
>> Reaktionen von Politik und Bürgern
Hagens CDU-Bundestagsabgeordnete Cemile Giousouf befand sich – genau wie ihr SPD-Kollege René Röspel – zum Zeitpunkt des Anschlags nicht in Berlin. Giousouf zeigte sich gestern im Gespräch mit unserer Zeitung besorgt. Nicht nur, weil der Terror plötzlich so erschreckend nah sei, sondern auch wegen der politischen Stimmung im Land: „In meiner Bürgersprechstunde habe ich viele unzufriedene Leute sitzen, die alle die AfD wählen wollen. Ich habe Angst, dass die Stimmung und die Debatte angesichts der Herkunft der Täter wieder unsachlich wird.“ Dabei seien schon viele Gesetze auf den Weg gebracht, die die Sicherheitssysteme bei der Einreiseerlaubnis ins Land deutlich verschärft hätten.
Besorgt, dass die Stimmung in eine falsche Richtung kippt, ist auch Askin Demirhan, Vorsitzender der DITIP-Zentralmoschee in Hagen: „Die Tat ist schrecklich und unmenschlich und löst jetzt wieder eine Debatte über Muslime aus. Das haben die vielen friedlichen Muslime nicht verdient. Bei uns heißt es: „Wer einen Menschen tötet, tötet die ganze Menschheit. Wer einem Menschen hilft, hilft der ganzen Menschheit. Wir müssen aber politisch gegensteuern. Es kommen zu viele Flüchtlinge nach Deutschland.“
Unter den Weihnachtsmarktbesuchern in Hagen war gestern zum Beispiel auch Bürgerin Juliane Rusert: „Der Anschlag in Berlin hält mich nicht davon ab, das zu tun, was ich tun möchte. Die Polizeipräsenz gibt mir mehr Sicherheit, auch wenn die nur relativ ist. Passieren kann so etwas nämlich überall.“
Auch Besucher Hartmut Lehmann gab sich eher entspannt: „Ich fühle mich nicht unsicherer als vorher und auch die Stimmung ist nicht anders hier. Ich habe mir keine Sorgen darüber gemacht, bevor ich hergefahren bin.“