Hagen-Mitte. Polizei und Ordnungsamt kapitulieren vor der Hagener Trinkerszene.

Präsidentin Ursula Steinhauer zieht eine niederschmetternde Bilanz des polizeilichen Präsenzdienstes in der Innenstadt: „Um die Einhaltung der Gebietsordnung kümmern wir uns allein und fühlen uns auch allein gelassen - und das, obwohl dies vornehmlich eine Aufgabe der Stadt ist.” Ordnungswidrigkeitsanzeigen verlaufen im Sande, 70 Prozent der Sünder zahlen nie. Ursula Steinhauer lässt keinen Zweifel daran, dass die Polizei ihr Engagement bald frustriert einstellt: „Das kann ich mir nicht leisten, und das will ich auch nicht.”

Mit der Verschärfung des ordnungsbehördlichen Rahmens (§ 7 Gebietsordnung) und der Etablierung eines polizeilichen Schwerpunktdienstes wollte die Politik den vielgepriesenen Ordnungspartnern - also in diesem Fall den Beamten aus der Prenzelstraße sowie den städtischen Bediensteten - das notwendige rechtliche Rüstzeug an die Hand geben, gegen die am Bahnhof, in der Bahnhofstraße, im Volkspark oder auch am Eilper Denkmal permanent herumlungernden, oft auch pöbelnden, aber vor allem Angst verbreitenden Säufer rigoros vorgehen zu können. Mit höchst unterschiedlichem Erfolg: Während die Polizei aus ihrer ohnehin dünnen Personaldecke ein Sonderteam bildete, beschränkte sich die Stadt auf Lippenbekenntnisse.

„Das Budget des Ordnungsamtes entspricht nicht dem Anspruch, den Politik an uns hat”, räumt Ordnungsamtsleiter Peter Schmidt zähneknirschend ein. „In Sicherheit muss man investieren oder mit dem zufrieden sein, was wir abliefern.” Im Klartext: Die angekündigten uniformierten Teams des Ordnungsamtes bestehen aktuell aus exakt einem (!) aktiven Bediensteten und der avisierte eigene Wagenpark mit elf Fahrzeugen wurde bislang noch gar nicht gesichtet. Polizeipräsidentin Ursula Steinhauer bringt es auf den Punkt: „Wir machen Ordnung und die Stadt redet sich in die Partnerrolle.”

274-mal ist die Hagener Polizei im vergangenen halben Jahr gegen die Trinkerszene eingeschritten - mal beratend, mal präventiv, zuletzt meist repressiv. Daraus resultierten allein 103 Ordnungswidrigkeitsanzeigen sowie 83 Platzverweise. Doch meist wurden die Uniformierten von den Alkoholikern mit den Hinweis „Wir zahlen eh' nicht!” nur ausgelacht. Die Trinker wissen genau, dass dem Ordnungsamt die Leute fehlen, um nicht gezahlte Ordnungswidrigkeiten systematisch zu verfolgen. „Eine Anzeige aus dem Mai ist erst ein halbes Jahr später so weit, sie bei Zahlungsunwilligkeit beim Gericht einzureichen”, weiß Amtsleiter Schmidt. „Lassen wir uns Rechtsstaatlichkeit so viel kosten?”, hinterfragt er unabhängig von seinen personellen Möglichkeiten die Verhältnismäßigkeit. Doch nicht einmal zu Taschenpfändungen ist es bislang gekommen.

Polizeidirektor Bernd Liedtke hat bereits angekündigt, dass seine Leute beim Vorgehen gegen die Säuferszene künftig den Fuß vom Gas nehmen: „Wir sind hier fast gescheitert, mit polizeilichen Instrumentarien kommen wir den Leuten nicht bei.” Gemeinsam mit Ordnungsamtsleiter Schmidt schlägt Liedtke daher vor, die Trinkerszene als gesellschaftliche Verwerfung und einen Teil des Stadtbildes akzeptieren zu lernen.

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