Holthausen. Die sogenannte Blätterhöhle bei Holthausen entwickelt sich mehr und mehr zum archäologischen Glücksfall. Mittlerweile gehen die Wissenschaftler davon aus, dass die Höhle vor Jahrtausenden aufrecht begangen werden konnte, und Steinzeitjäger vor
Gestern, tausende Jahre nachdem der tonnenschwere Felsvorsprung abbrach und auf das Lager der Jäger und Sammler krachte, kniet Studentin Michèle Papp auf dem geschichtsträchtigen Boden. Zwischen den Steinen sucht die 27-jährige Frau aus Hamburg normalerweise nach stillen Zeugen jener Zeit. Zum Beispiel nach Pfeilspitzen, Knochen oder Holzkohlestückchen. Systematisch wird jedes Artefakt inklusive Fundstelle notiert. Regelmäßig überträgt die Studentin die Fundsituation auf Millimeterpapier. Denn auf dem Vorplatz der Blätterhöhle soll möglichst keine Information verloren gehen.
"Wir haben hier eine im deutschen Sprachraum einmalige Situation", erklärt Historiker Ralf Blank. Denn die Fundlage der Holthauser Höhle ist durch das abgebrochene Felsdach weitgehend unversehrt. "Wie ein Korken wird der Höhleneingang seit dem Abbruch versperrt. Und alles, was unter dem Block liegt, ist seit dem Versturz unverändert", erläutert Archäologe Dr. Jörg Orschiedt, der in diesem Zusammenhang einen weiteren Höhlenzugang gefunden hat. Ihn und sein Team treibt unter anderem die Frage um, wann der mächtige Vorsprung von der Felswand krachte. "Nur so können wir die übrigen Fundstücke sinnvoll einbeziehen und alles zu einer Geschichte zusammenbauen", meint Archäologe Dr. Jan Kegler.
Seit sieben Tag erst läuft die aktuelle Grabungskampagne auf dem gut geschützten und nach Süden ausgerichteten Höhlenvorplatz. Beinahe täglich fördern die fachleute neue Details an Tageslicht. "Wir wissen jetzt, in welchem Horizont die Funde beginnen. Dadurch geht es relativ rasch voran", sagt Orschiedt. Er erwartet Großes. "Das Georadar hat uns gezeigt, dass wir auf einem fünf Meter hohen Sedimentkegel stehen." Das lässt Vermutungen hinsichtlich der Höhe des Höhleneingangs zu und nährt die Hoffnung möglicherweise Richtung Altsteinzeit und damit Richtung Neandertaler graben zu können. Ein Gedanke, den Orschiedt nicht auszusprechen wagt. Das nämlich würde tatsächlich ungeahnte Chancen bieten, um Fundstücke der näheren Umgebung sicher einordnen zu können.
"Doch auch so handelt es sich hier um eine einmalige Fundlandschaft", sagt Historiker Blank. Nicht nur, weil im Heimatmuseum bereits heute mehr als 5000 steinzeitliche Streufunde zusammengetragen wurden. Blank: "Außerdem hat der Elseyer Stiftsprediger Johann Friedrich Möller vor mehr als 200 Jahren einen Aufsatz über ungewöhnliche Knochenfunde im hiesigen Raum geschrieben." Unter anderem vermutete Möller Relikte des Höhlenbären, der während der Eiszeit lebte. Ähnliche Knochenfunde haben die Forscher bekanntlich vor Monaten auch in der Blätterhöhe gemacht. Wie die zu den menschlichen Skeletten passen, ist nur eine der zahlreichen neun Fragen.