Die schockierende Brutalität, mit der zwei Jugendliche in einer Münchener U-Bahn-Station einen Rentner zusammengeschlagen haben, hat in Deutschland eine Debatte über junge Straftäter ausgelöst. Guido Künemund, Leiter des Hagener Jugendkommissariats, hat zwar auch mit Wiederholungstätern zu kämpfen, nimmt die Diskussionen aber gelassen.
Westfalenpost: Hat Hagen ein zunehmendes Problem mit jugendlichen Straftätern?
Guido Künemund: Nein, der Anteil der unter 21-Jährigen bei den Tatverdächtigen liegt schon seit mehreren Jahren konstant bei etwa 30 Prozent.
Allerdings haben Jugendliche 2006 mehr als die Hälfte aller Gewaltdelikte in NRW begangen.
Künemund: In Hagen lag diese Zahl 2006 bei rund 40 Prozent. Ich gehe davon aus, dass sie auch 2007 nicht großartig gestiegen ist.
Also ist die aktuelle Diskussion um eine härtere Gangart gegen jugendliche Straftäter überzogen.
Künemund: Das Thema innere Sicherheit wird halt mal wieder durch einen Wahlkampf in den Mittelpunkt gerückt. Jugendcamps sind aber nichts neues - ähnliche Projekte gibt es in Deutschland bereits. Wenn es hilft, stehe ich solchen Maßnahmen offen gegenüber, aber ich kenne keine Untersuchungsergebnisse über die Wirksamkeit.
Im Mittelpunkt der Aufregung stehen zurzeit junge Wiederholungstäter. Wie viele solcher Problemfälle gibt es in Hagen?
Künemund: Das ist schwer zu sagen. Es gibt zwar eine Definition für den Begriff Intensivtäter, aber wir müssen uns außerdem nach unseren Kapazitäten richten. Es gibt 18 junge Intensivtäter in Hagen, um die sich unsere neun Jugend-Sachbearbeiter besonders kümmern. Diese Kandidaten haben wir nach Anzahl und Intensität ihrer Delikte ausgesucht.
Aber eigentlich könnten noch mehr Hagener Jugendliche als Intensivtäter bezeichnet werden?
Künemund: Sagen wir es so: Es gibt noch eine Handvoll Nachwuchskandidaten, alle 13 oder 14 Jahre alt, die für einen freien Platz auf der Intensivtäter-Liste in Frage kämen.
Wie wird ein junger Mensch so kriminell?
Künemund: Die meisten dieser Kandidaten wachsen in schwierigen sozialen Verhältnissen auf, ihnen fehlt der Rückhalt in der Familie. Dann beginnt es mit asozialem Verhalten, und von dort ist die Schwelle zur Straftat gering.
Was tun Sie, um solche Problemfälle vor einer kriminellen Karriere zu bewahren?
Künemund: Bei ersten Delikten reagieren wir mit der „Aktion Gelbe Karte” - dabei werden die Täter innerhalb eines Tages vorgeladen, vernommen, sprechen mit der Jugendgerichtshilfe und dem Staatsanwalt. Am Ende steht dann oft eine Maßnahme wie Strafarbeiten. Dies schreckt viele Jugendliche ab. Oft sind kleinere Delikte ja nur eine Episode im Prozess des Erwachsenwerdens.
Und was ist, wenn die Strafen nicht helfen?
Künemund: Bei Intensivtätern wenden wir alle Maßnahmen an, die das Polizei- und Strafrecht hergibt - bis hin zum Jugendarrest. Allerdings nehmen die Maßnahmen des Jugendstrafrechts ihre Zeit in Anspruch, bevor eine Haftstrafe in Betracht kommt, von der wir uns in der Wirkung auf Intensivtäter mehr versprechen.
Wäre es tatsächlich besser, über 18-Jährige generell wie Erwachsene zu bestrafen?
Künemund: Das liegt nicht in meinem Verantwortungsbereich, sondern ist Sache der Gerichte. Die Polizei behandelt alle 18-Jährigen wie Erwachsene.
Mit Guido Künemund, Leiter des Jugendkommissariats Hagen, sprach Volker Schulte.