Es ist kurz nach 11 Uhr, als der Zug der Erinnerung heranrollt. 34 Mal ist die Dampflok in den vergangenen Monaten auf ihrer Reise gegen das Vergessen in deutschen Bahnhöfen eingefahren

An Gleis 2 warten etwa 100 Menschen darauf, die Waggons betreten zu können. Darunter ist auch eine Schulklasse. Mehr als 800 Schüler aus Hagen sind für einen Besuch der Ausstellung angemeldet, die auch am heutigen Montag zugänglich ist.

Zeitzeuge Herbert Shenkman mit einem Foto, das ihn als 19-Jährigen zeigt. In diesem Alter wurde Shenkman von Hagen aus deportiert. Foto: WP / Michale Kleinrensing
Zeitzeuge Herbert Shenkman mit einem Foto, das ihn als 19-Jährigen zeigt. In diesem Alter wurde Shenkman von Hagen aus deportiert. Foto: WP / Michale Kleinrensing © WP Michael Kleinrensing

Im Inneren der Waggons sind Texttafeln aufgestellt. Schwarzweiß-Fotos zeigen Gesichter von jungen Menschen, von denen die meisten den Tod in einem Konzentrationslager fanden. Einer, der das miterlebt hat, was in der Ausstellung geschildert wird, steht inmitten der Tafeln: Herbert Shenkman wurde als 19-Jähriger aus Hagen ins KZ Theresienstadt gebracht. Er überlebte, seine Familie nicht. Shenkman ist als Zeitzeuge eingeladen, über die Deportation zu sprechen. Er beantwortet viele Fragen an diesem Morgen. „Ich möchte gerade bei Jugendlichen ein Bewusstsein für den Holocaust wecken und das sagen, was Väter und Großväter nicht erzählt haben.”

Der „Zug der Erinnerung” rollt seit dem 9. November durch Deutschland, dem Jahrestag der Reichskristallnacht. 34 Bahnhöfe hat der Zug seitdem angefahren und dort jeweils einige Tage Station gemacht.

„Wir wollen mit diesem Gedenkzug das Schicksal der Deportierten aufzeigen”, sagt Ute Schilde vom Verein „Zug der Erinnerung”, der die Ausstellung auf die Schiene brachte. Dass er auch in Hagen hält, dafür haben die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, die jüdische Gemeinde, die Evangelische Jugend, der Jugendring Hagen und die CDU-Frauenunion gesorgt.

Ute Schilde hofft, dass sich vor allem Jugendliche auf die Spurensuche von ermordeten jüdischen Kindern begeben und so deren Schicksal unvergessen machen. Hagener Schüler hatten sich in den vergangen Wochen mit der Deportation von Hagener Juden beschäftigt, ihre Erkenntnisse werden in die Ausstellung eingearbeitet.

Ein weiteres Thema brennt Ute Schilde auf den Nägeln: die fragwürdige Unterstützung des Zugprojektes seitens der Bahn AG. Die verdient gut am Zug der Erinnerung: Kommt der Zug am 8. Mai in Auschwitz an, hat er etwa 4000 Kilometer zurückgelegt, jeder davon kostet den Verein zwischen 3 und 3,50 Euro. Zudem muss im Bahnhof Gleismiete gezahlt werden: 45 Euro pro Stunde, zuzüglich Strom. „Ein Unding, ein Gedenkzug muss kostenlos fahren dürfen”, fordert Schilde. Allein der Besuch in Hagen kostet etwa 7000 Euro.

In der Lutherkirche finden heute um 10, 12 und 16 Uhr Fragestunden mit Herbert Shenkman statt.