Hagen. "Mein Körper gehört mir - du bestimmst über deinen und ich über meinen." Mit diesem einfachen Gesang gelingt es der Theaterpädagogischen Werkstatt Osnabrück, Kinder an Grundschulen über sexuellen Missbrauch aufzuklären.

Sie sollen ermutigt werden, Nein zu sagen, wenn sie keinen Körperkontakt wollen. „Unser Körper sagt uns, was wir mögen, er kann auch wollen, dass es aufhört”, erklärt Schauspielerin Anja Bechtel mit ihrem Partner Heiko Schmidt den Kindern. Sie zeigen mit viel Humor, was ein Ja- und ein Nein-Gefühl ist und sensibilisieren die Kinder dafür, wie wichtig es ist, Nein zu sagen, wenn man etwas nicht möchte. Das Problem Internet, der Kontakt zu Bekannten und alltägliche Situationen werden nachgestellt. Dabei soll sich jedes Kind immer die Fragen stellen: Habe ich ein Ja-/Nein-Gefühl? Weiß eine vertraute Person, wo ich bin? Kann ich sicher sein, dass ich Hilfe bekomme, wenn ich sie brauche?

Claudia Nibios ist die Beauftragte für den Bereich sexueller Missbrauch des Opferschutzprogramms in Hagen. „Als erstes sprechen wir mit den Eltern. Wir reden darüber, wie sie selbst mit der Situation umgehen. Viele Eltern haben starke Schuldgefühle und machen sich Vorwürfe. Es ist wichtig, dass wir ihnen als Polizei sagen, dass sie nicht Schuld sind”, erklärt sie. Bei der Beratung klärt Claudia Nibios über Möglichkeiten bei einer Gerichtsverhandlung auf, erklärt was auf das Kind zukommt und verweist auf spezielle Therapeuten und Beratungsstellen.

„70 Prozent der Täter stammen aus dem Bekannten- und Verwandtenkreis und gehen zu Beginn sehr gut mit den Kindern um. Ihre tatsächlichen Pläne sind so gut wie undurchschaubar”, sagt Claudia Nibios. Wichtig ist, dass das Kind nach dem schrecklichen Erlebnis in Ruhe gelassen wird und man es nur anspricht, wenn es ihm schlecht geht. „Man muss den Alltag so gut wie möglich weiterleben. Manche Kinder verarbeiten solche Erlebnisse von ganz alleine, wenn sie von der Familie aufgefangen werden.”

Dem Kind sollte klargemacht werden, dass man ihm glaubt und die Schuld auf Seiten des Täters liegt. In den meisten Fällen kommen Lehrer, Erzieher und Nachbarn zur Polizei, wenn sie etwas bemerkt haben. „Es gibt auch Kinder, die selbstbewusst sind und selbst zur Polizei gehen. Das ist aber natürlich ein Ausnahme”, weißt Claudia Nibios. „Die Kinder öffnen sich oft Leuten aus dem sozialen Umfeld. Sie haben Angst, dass die Drohungen der Täter wahr werden und Mama traurig wird oder der Papa ins Gefängnis gehen muss. Sie haben Angst, es den Eltern zu erzählen und sind emotional überfordert.”

Jungen öffnen sich seltener. Sie stehen unter einem enormen Druck und wollen das Erlebnis alleine wegstecken. „Das jüngste Opfer war drei Jahre alt. Einen Großteil machen die 7- bis 10-Jährigen aus. Diese Kinder sind in einem Alter, wo sie selbstständiger werden, von anderen Leuten betreut werden und ohne Eltern übernachten. Sie gehen in Sportvereine, auf Jugendfreizeiten und die Eltern gehen wieder arbeiten”, sagt Claudia Nibios. Die Anzeigenrate ist relativ konstant. Claudia Nibios betreut etwa 80 Personen pro Jahr.

Wenn die Eltern richtig mit ihren Kindern nach dem Missbrauch umgehen, merken sie, dass etwas Positives passiert. Sie fühlen sich ernst genommen, wenn sie gefragt werden, was man für sie tun kann. Viele Eltern sind vor allem im Bereich des Internets ahnungslos. „Es ist wichtig, dass die Kinder erfahren, dass ihr Körper nur ihnen gehört. Das müssen die Eltern ihnen selbst vorleben”, rät Claudia Nibios. „Ein Verharren in der Opferstellung ist ganz falsch. Der Täter trägt die Schuld, nicht das Opfer. Bei uns bekommt jeder das nötige Feedback und wir versuchen, für jeden Fall eine optimale Beratung zu geben.”