Puh, ist das Buch schwer geworden”, sagt Renate Lueg und lacht. Sie ist die Verfasserin eines Druckwerks, das im Karl-Ernst-Osthaus-Museum archiviert ist. Sie hat darin Geschichten aus dem Krieg und der Nachkriegszeit niedergeschrieben.
Nahezu zehn Jahre lang hat die 73-Jährige Erzählungen gesammelt und niedergeschrieben. Ihr Werk umfasst zahlreiche Dokumente, Aufzeichnungen und Geschichten von etwa 40 älteren Menschen, die mit der Autorin über ihre Erlebnisse aus der Vergangenheit sprachen. „Es waren rührende Schicksale dabei. Das Buch enthält viele Fakten, ist gleichzeitig aber auch voller Emotionen.”
Sichtlich bewegt erklärt Renate Lueg, dass auch sie sich belastende Erinnerungen aus der Nachkriegszeit von der Seele schreiben konnte. Es wirke sich äußerst positiv aus, über das Geschehene mit anderen zu sprechen und Erfahrungen teilen zu können. Lange habe sie geschwiegen, denn: „Bedrückende Ereignisse aus Kriegs- und Nachkriegstagen sind lange ein Tabuthema gewesen.”
Die aus Halle an der Saale stammende Seniorin kam 1951 in den Westen. Hier machte sie eine Ausbildung, lernte ihren heutigen Ehemann kennen und bekam zwei Kinder.
Die Nachkriegszeit empfand die pensionierte Erzieherin als weitaus schlimmer als den Krieg selbst. „Meine Eltern wurden enteignet, meine Großeltern gefangen genommen. Es war sehr schwierig, die Geschehnisse von damals zu akzeptieren”, sagt Renate Lueg leise.
Sie erlebte ihre Kindheit in einer Zeit, in der nicht alles selbstverständlich war. Eine Zeit der Entbehrung, der Trauer und des Verlustes. Diese Gefühle beschreibt sie auch in ihrem Buch, beispielsweise ist auf einer Seite das Foto eine eines jungen Tanzpaares zu sehen. Quer über das Bild hat Lueg ein Zitat aus einer Zeitschrift geklebt: „Ich hätte so gern getanzt als ich jung war, aber für Freude fehlte mir die Zeit.”
Die Lebensberichte, die die Autorin in ihrem Buch dokumentiert hat, sind in der modernen Gesellschaft kaum nachvollziehbar. Doch die Realität sah vor mehr als 60 Jahren anders aus. Mit dem Buch erhalten jüngere Generationen die Chance, sich mit dieser Zeit auseinanderzusetzen. Und jene Menschen, die die Nachkriegsjahre miterlebten, können sicherlich viele der Schilderungen nachempfinden.