Vorhalle. Ein Wirt kapituliert vor dem neuen Nichtrauchergesetz. Am 22. Dezember schenkt Ralf Huse in der Traditionskneipe "Zum Reichsadler" die letzte Runde aus.
Es ist 15 Uhr, und für die Männer auf den Hockern gibt's Pils und einen Kümmerling. Lederbecher landen auf der Theke. Die Würfel sind gefallen. Für die „Restauration zum Reichsadler”, für die zahlreichen Vereine, die hier an der Ophauser Straße eine Heimat gefunden haben. Und für Ralf Huse, der die 1871 eröffnete Traditionskneipe vor elf Jahren übernommen hat und sich erst einmal eine Zigarette ansteckt.
Pilsbier für 1,20 Euro
Am 22. Dezember steht er zum letzten Mal am Zapfhahn und füllt köstliches Pilsbier in die 0,2-Liter Gläser. 1,20 Euro - kein Vergleich zu jenen Erlebnisgastronomen, die in der Innenstadt Gerstensaft unters Volk bringen.
Das hier ist auch Erlebnisgastronomie. Nur anders, mehr im klassischen Sinne. An der Decke im großen Saal hängt eine Diskokugel. Im Keller treffen sich Kegler. „Eine Skatrunde spielt bei uns, die Fußballer von Vorhalle 09 kommen, der Männergesangverein probt hier, seitdem es das Haus gibt”, erklärt Ralf Huse. Und das ist seit dem Jahr 1908. „Die hatten Tränen in den Augen, als wir einen Termin ausgemacht haben, an dem sie ihre Vitrine abholen sollen.”
Angst um Zukunft
Ralf Huse, der die Traditionsgaststätte im Hagener Norden von Bier Schneider gepachtet hat, hat Angst um seine Zukunft. Deshalb räumt er bis zum Jahresende seine Sachen zusammen. „Seit zwei Jahren laufen die Geschäfte nicht mehr so gut. Ich habe Familie und zwei Kinder”, sagt der Wirt und zieht an seiner Zigarette. Jetzt kommt zum Jahreswechsel das Nichtrauchergesetz: „Ich achte gerne darauf, dass Jugendliche unter 16 Jahren keinen Alkohol bekommen und finde das absolut richtig. Aber ich bin nicht die Polizei, und ich will nicht einem 50-Jährigen, der am Tresen sitzt, verbieten, sich eine Zigarette anzuzünden.”
Umsatzeinbußen fürchtet Huse, der vier Mitarbeiter auf 400-Euro-Basis beschäftigt, wenn die Raucher wegbleiben. Und redet von 20 Prozent. „Hinzu kommen angekündigte Bierpreiserhöhungen. Aber wenn ich plötzlich 1,40 für ein Glas nehme, kommt kein Rentner mehr.” Der Trend spricht gegen die klassische Eckkneipe. Vereine zapfen selbst und vermieten günstig Räume. „Das Geld sitzt nicht mehr so locker”, sagt Ralf Huse, „viele holen sich lieber einen Kasten Bier und trinken zu Hause.”
"Das hier ist mein Kind"
So geht er mit Wehmut („Das hier ist mein Kind”). Und will es am 1. Dezember noch einmal krachen lassen. Denn am Samstag tritt um 20 Uhr die Rockband „2000 Kartoffeln” im Adler auf.