Hagen. . Theater, Phoenix, Douglas - steckt Hagen in der Krise? Dazu äußern sich die Marketing-Experten Arnd Hackländer und Günter Hartmann.

  • Fachkräfte gucken nicht zuerst auf Standort
  • Unternehmen müssen sich bei Bewerbern bewerben
  • Imageträger wird frei Haus geliefert

Abwandernde Unternehmen, Verlust von Hunderten Arbeitsplätzen, Krise am Theater und das einstige Aushängeschild Phoenix Hagen stellt den Spielbetrieb ein – es scheint kein guter Herbst zu sein für Hagen. Es mangelt an positiven Botschaften. Darüber sprach unsere Zeitung mit den Marketing-Experten Günter Hartmann und Arnd Hackländer von der Agentur „H&H-Design“ in der Selbecke.

Nordwest, Schenker, Putsch, Douglas – Unternehmen ziehen Arbeitsplätze aus Hagen ab. Wie beurteilen Sie diesen Trend?

Arnd Hackländer: Die Ursachen für diese Verlagerungen haben natürlich unterschiedliche Gründe. Aber ich würde den Standort nicht schlecht reden. Hagen liegt quasi im Zentrum von Metropolis. Wir haben eines der größten Ballungs- und Kulturzentren direkt vor der Tür.

Günter Hartmann: Die Argumentation von Unternehmen wie Douglas, man könne keine Fachkräfte in Hagen gewinnen, halten wir für vorgeschoben. Da wir bundesweit arbeiten, kennen wir viele Regionen und haben einen guten Überblick – einfach gesagt: Hagen ist überall. Erst vor Kurzem waren wir auf einer überregionalen Tagung zum Thema Employer Branding in Frankfurt, auf der eine Studie vorgestellt wurde, die die Motive und Prioritäten von Arbeitnehmern untersucht hat.

Und was ist von Bedeutung?

Hartmann: Die Sichtweisen von Unternehmen und Bewerbern laufen gegeneinander und der Standort landet im Ranking der Arbeitnehmer unter zehn Faktoren auf dem vorletzten Platz. Denn was nützt die schönste Stadt, wenn das Gehalt nicht ausreicht, um eine halbwegs anständige Wohnung zu bezahlen.

Hackländer: Auf Rang eins liegt die berufliche Sicherheit. Auf Rang zwei die Unternehmenskultur und das Arbeitsklima. Das sind die wesentlichen Dinge, die Menschen dazu veranlassen, für eine bestimmte Firma zu arbeiten. In diesem Korridor müssen Unternehmen aktiv Maßnahmen entwickeln, wenn sie Fachkräfte gewinnen oder an sich binden wollen.

Setzt sich diese Erkenntnis denn bei den Unternehmen durch?

Hartmann: Leider nicht flächendeckend. Wir beraten beispielsweise die Drogeriemarkt-Kette Rossmann. Die sitzen 20 Kilometer vor Hannover auf der grünen Wiese. Ein Unternehmen, das durch die Familie Rossmann geprägt wird, die 1972 die erste Drogerie in der Region eröffnet hat. Auch heute, mit über 40 000 Mitarbeitern, herrscht im Unternehmen ein Team-Spirit wie in einem jungen Start-up.

Hackländer: Eine Motivationsbremse dagegen ist die Sorge, dass man bald vom nächsten Investor geschluckt wird. Zu einer Firma, bei der das droht, wird niemand gerne wechseln.

Hartmann: Für ein IT-Unternehmen aus Flensburg haben wir im Rahmen des Personalmarketings auch den Standort positiv herausgestellt, indem ein Schwerpunkt auf den hohen Freizeitwert der Region gelegt wurde. Hinzu kommen Angebote des Unternehmens für die Mitarbeiter: Team-Events, Förderprogramme, attraktive Teilzeitmodelle und eine Kooperation mit Hochschulen. Die Wertschätzung für die Mitarbeiter ist etwas sehr Zentrales. Mitarbeiterzufriedenheit aber ist kein Selbstläufer, deshalb müssen Unternehmen aktives Arbeitgebermarketing betreiben.

Wo liegt denn aus Ihrer Sicht der Schlüssel für Unternehmen?

Hackländer: Jedenfalls nicht in einer Standortverlagerung. Unternehmen müssen beginnen, sich selbst attraktiv für potenzielle Mitarbeiter aufzustellen. Sie müssen erkennen, dass sie sich heute bei den Bewerbern bewerben müssen. Das ist ein Paradigmenwechsel.

Arbeitgeber bestimmen Qualität einer Region 

Welche Rolle spielt denn das Selbstbild, das die Hagener vor sich her tragen?

Hackländer: Manchmal nölt er gerne, der Hagener. Das mag sein. Aber das ist doch in Bochum oder in Stuttgart nicht anders. Richtig ist: Grund- und Gewerbesteuer sind hoch. Kindergarten-Gebühren für Menschen, die besser verdienen, sind unverhältnismäßig hoch. Aber die Floskel „In Hagen ist alles schlecht“ greift viel zu kurz. Es gibt Dinge, die diese Stadt attraktiv machen. Und es gibt Institutionen, die weit über die Grenzen wirken.

Was kann denn die Stadt selbst tun?

Hartmann: Es wäre unseriös, ein fertiges Allheilmittel aus dem Hut zu zaubern. Da müsste man zunächst den Istzustand analysieren und daraus Maßnahmen ableiten, Alleinstellungsmerkmale herausarbeiten. Ein Beispiel: Auf den Ortsschildern bezeichnen wir uns als „Stadt der Fernuniversität“, auf der Internetseite sucht man den Slogan vergeblich. Dabei ist die Fernuni ein echter Imageträger, der sozusagen „frei Haus“ und kostenlos geliefert wird - man könnte Hagen z.B. konsequent als Wissensmetropole kommunizieren.

Hackländer: Und warum gibt es mit „hagen.de“ und „hagen-online.de“ zwei Portale, deren Inhalte sich überschneiden? Menschen, die sich für Hagen interessieren, informieren sich im Netz. Da ist keine Homogenität zu erkennen.

Hartmann: Daneben muss die Stadt den Bestand an Unternehmen pflegen und diejenigen, die schon am Ort sind, immer wieder aktiv ansprechen.

Hackländer: Die Qualität einer Region wird maßgeblich durch die Arbeitgeber vor Ort bestimmt. Die Unternehmen sind die Magneten, die die Menschen hier halten oder hierhin holen. Ein gutes regionales Beispiel ist die Märkische Bank, für die wir seit vielen Jahren arbeiten. Gemeinsam haben wir Medien entwickelt, in denen die Mitarbeiter als Markenbotschafter die Hauptrolle spielen. Das erzeugt Stolz, Zufriedenheit und im Umkehrschluss hohe Identifikation mit Arbeitgeber und Region.

Hartmann: Man kann eine Stadt und eine Region attraktiv entwickeln. Aber das hat nichts damit zu tun, nur eine Image-Broschüre aufzulegen. Dazu braucht es ein langfristiges, durchdachtes Konzept.