Haspe. . Vor einer schwierigen Frage steht das Schwurgericht Hagen im Prozess gegen einen Mann (35), der die Angestellte eines Fitness-Studios überfuhr.
- 35-jähriger Mann aus Wehringhausen wegen Mordversuchs vor Gericht
- Angeklagter bestreitet den ihm zur Last gelegten Vorwurf
- Opfer ist Angestellte in Fitness-Studio und sagt am Montag aus
War es ein tragischer Unfall oder gar ein heimtückischer Mordversuch? In diesem Prozess steht das Schwurgericht vor einer ganz schwierigen Frage.
Angeklagt ist dort seit gestern ein 35-Jähriger aus Wehringhausen. Unbestritten ist: Der Mann hat in der Nacht vom 25. auf den 26. September letzten Jahres mit seinem Auto eine Frau (33) angefahren und schwer verletzt. Ob absichtlich oder nicht, muss jetzt aufgeklärt werden.
Die Anklage geht von einer Rache-Aktion aus: Er wollte sie töten, weil sie sich seinen Annäherungsversuchen entzogen hatte und ein intimes Verhältnis zu ihm ablehnte. Der Vorwurf lautet versuchter Mord aus niedrigen Beweggründen, gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr und gefährliche Körperverletzung. Das Gericht erteilte zu Beginn der Verhandlung den rechtlichen Hinweis, dass als ein weiteres Mordmerkmal auch noch „Heimtücke“ infrage kommen könnte.
In einem Wehringhauser Fitness-Studio hatten sich der Angeklagte, der dort seine Muskeln trainierte, und die Frau, die dort angestellt ist und ihm die Eiweiß-Shakes über die Theke reichte, kennengelernt. Glaubt man ihr, soll sie der verheiratete Mann alsbald aggressiv „angebaggert“ und sogar sexuell bedrängt haben. Als sie ihn abblitzen ließ, sei die Situation eskaliert.
Der mysteriöse Vorfall am Tatabend gegen Mitternacht in Haspe: Die Frau ist mit dem Bus an ihrer Haltestelle angekommen, möchte die Preußerstraße an der Einmündung zum Kurt-Schuhmacher-Ring überqueren, als ihr ein Wagen schnell entgegenkommt: Der Angeklagte in seinem Renault Clio.
Die Frau knallt auf die Motorhaube, fällt blutend auf die Straße. Schwerverletzt bleibt sie dort liegen: Mit einem Bruch des Unterkiefers und Brüchen beider Unterschenkel. Ihr rechtes Auge ist verletzt und mehrere Zähne sind herausgebrochen. Bis heute leidet sie unter den Unfallfolgen, weitere Operationen stehen noch aus.
Opfer sagt am Montag aus
„Er hat direkt auf mich zugehalten“, gab die Geschädigte später zu Protokoll. Sie ist sich sicher, dass sie aus einer unkontrollierten Wut heraus umgebracht werden sollte. Am Montag wird sie als Zeugin vor dem Schwurgericht erwartet – der Glaubwürdigkeit ihrer Aussage kommt in diesem Indizienprozess ganz große Bedeutung zu. Denn der Angeklagte bestreitet jegliche Tötungsabsicht.
Seit dem 25. Mai sitzt der Unfallfahrer in Untersuchungshaft. Verteidiger Dominic Marraffa (Köln), der seine Auftritte vor Gericht stets mit auffällig unterkühlter Noblesse zelebriert – er verteidigte im Mai den Todesraser von Köln und wird nächstes Jahr auch im Hagener Raser-Prozess mit dabei sein – erklärte gestern mit regungsloser Miene: „Er wird sich über mich einlassen. Für Nachfragen des Gerichts steht mein Mandant aber derzeit nicht zur Verfügung.“
Der Angeklagte hätte „nie Interesse an dieser Frau gehabt“, lässt er von Verteidiger Marraffa vortragen, „nur zweimal ein wenig Smalltalk mit ihr betrieben, wie es so seine Art ist, denn er ist ein sehr offener Mensch“. Am Abend des Unfalls sei er nach der Spätschicht gegen 23 Uhr noch ins Fitness-Studio gekommen, hätte aber schnell wieder weg gemusst, weil seine Frau sich telefonisch gemeldet hätte: Das Kind sei erkrankt, sie benötige ein Medikament aus der Notdienst-Apotheke.
„Das Ende ist offen“
Brutaler Mordversuch oder tragischer Unfall? Staatsanwalt Nils Warmbald kann sich derzeit überhaupt noch nicht festlegen: „Es ist offen. Man sollte da auch ganz offen drangehen.“
Deshalb sei er nach Haspe gefahren, wo er sich nicht auskannte und habe während der Fahrt in sein Handy geschaut. Plötzlich ein Knall – Vollbremsung. Eine Person rollte über die Motorhaube, blieb auf der Straße liegen. „Erst da bemerkte er, dass es sich um die Frau handelte, die er aus dem Studio kannte.“
Aufgrund des Schocks sei er noch nicht mal in der Lage gewesen, einen Notarzt zu rufen.