Hagen. . Kapellmeister Mihhail Gerts und die Hagener Philharmoniker spielen Beethovens 8. Sinfonie und das Klavierkonzert von Grieg.

Mihhail Gerts ist ein junger, hochbegabter und ehrgeiziger Dirigent, eine der großen Karrierehoffnungen am Theater Hagen. Deshalb möchte der 1. Kapellmeister auch im Sinfoniekonzert seine besondere Handschrift beweisen. Mit den Hagener Philharmonikern begeistert der Este das Publikum jetzt mit einem klassisch-romantischen Programm, das den Todestag des berühmten Hagener Pianisten und Dirigenten Karl Halle zum Aufhänger nimmt.

Orchesteraufstellung

Dabei experimentiert Gerts in der Hagener Stadthalle mit der Orchesteraufstellung. Kontrabässe links, erste und zweite Geigen stereophonisch gegenüber, Celli Mitte links und Bratschen Mitte rechts: So sieht die klassische deutsche Aufstellung aus. Es hat jedoch seinen Grund, warum sie in der besonderen Hagener Saal-Akustik von Dirigenten praktisch nie gewählt wird. Denn das Orchester kann in dieser Sitzordnung einfach nicht strahlen. Der Klang mischt sich schlecht, bleibt dumpf und farblos und natürlich sehr bassbetont.

In der 8. Sinfonie von Ludwig van Beethoven nutzt Mihhail Gerts die Basslastigkeit, um herauszuarbeiten, wie der Komponist aus winzigen Bewegungsimpulsen heraus den ganzen Ablauf wie bei einer Spieluhr in Gang setzt. Fagotte, Celli und Kontrabässe liefern diese Impulse im ersten Satz, im Scherzo kommen sie vom läutenden Pochen der Holzbläser, im Menuett dann aus dem auftaktigen Quartsprung. Gerts hat sich viele Gedanken über sein Tempo gemacht und einen schönen, nicht zu schnellen Puls gefunden, der zeigt, wieviel „Maschinenmusik“ in dieser unterschätzten Beethoven-Sinfonie steckt.

Das ist ein faszinierendes Interpretationskonzept, hat aber seine Tücken, denn es geht zu Lasten der jubilierenden Entladungen, in die Beethoven seine Bewegungsimpulse überführt. All diese „Mannheimer Raketen“ und „Revolutionsfanfaren“ müssen in ihrer Farbigkeit geradezu explodieren. Obwohl die Trompeten und Hörner auf Naturtoninstrumenten spielen und dem Klang damit zusätzliche Plastizität und Tiefenschärfe verleihen, funktionieren die Entladungen nicht. Denn die mit dem Konzept verbundene Herausstellung der Nebenstimmen verhindert das.

Der Hagener Karl Halle (11. April 1819 - 25. Oktober 1895) zählt zu den Begründern des modernen europäischen Sinfoniekonzertbetriebs. Er gründete das Philharmonische Orchester im britischen Manchester, das heute noch seinen Namen Sir Charles Hallé trägt. Der Komponist Christoph Maria Wagner hat im Auftrag der Hagener Philharmoniker zwei kurze Klavierwerke Halles orchestriert, Souvenir und Scherzo, und diese Miniaturen nimmt Mihhail Gerts mit weitgeschwungenem Puls und einer besonders schön ausgehorchten Überleitung.

Beethoven als Idol

Edvard Grieg war ebenso ein persönlicher Freund von Karl Halle wie Beethoven dessen großes Idol darstellte. Griegs Klavierkonzert a-Moll gehört heute zu den Säulen des Konzertwesens. Die italienische Pianistin Enrica Ciccarelli kann vor allem im langsamen Satz die glitzernde Farbigkeit und die besonderen Lichtstimmungen herausarbeiten. Mihhail Gerts nimmt das romantische Opus mit weich- und weitgeschwungenen Bögen, aber auch mit einem ruppigen Unterton. Der ist gewiss wieder der Aufstellung geschuldet, die auch hier die Frequenzen im Sopranbereich abdeckelt und die Klangbalance zwischen den Registern empfindlich stört.

Enrica Cicarrelli begeistert ihr Publikum dann mit der Zugabe restlos, der Sonate A-Dur von Antonio Scarlatti, die sie so brillant und virtuos interpretiert, dass den Besuchern schier die Luft wegbleibt.