Hagen. . Ballettdirektor Ricardo Fernando hat das Unmögliche möglich gemacht. Nun verlässt der Träger des Deutschen Tanzpreises vom Spardruck zermürbt Hagen.
- Ballettdirektor Ricardo Fernando hat das Hagener Ballett international bekannt gemacht
- Nun verlässt Fernando Hagen
- Im Interview verrät er die Gründe
Ballettdirektor Ricardo Fernando verlässt nach 13 höchst erfolgreichen Jahren das Theater Hagen. Über seine zukünftige Wirkungsstätte macht der Träger des Deutschen Tanzpreises aus vertraglichen Gründen noch keine Angaben. Damit verliert die vom Sparzwang gebeutelte Bühne nach Generalmusikdirektor Prof. Florian Ludwig und Jugendtheaterleiter Werner Hahn einen weiteren Sympathieträger und Publikumsmagneten. Im Interview mit unserer Zeitung schildert der Brasilianer Fernando die Gründe für seinen Schritt.
Ricardo Fernando, Sie haben das Hagener Ballett international erfolgreich gemacht. Warum gehen Sie jetzt?
Ricardo Fernando: Dieser Schritt ist uns, meiner Frau und Assistentin Carla Silva und mir, nicht leicht gefallen. Wir haben alles getan, um nicht von Hagen weggehen zu müssen, mussten aber letztlich diese Entscheidung treffen.
Können Sie die Gründe näher erläutern?
Die Art und Weise, wie das Theater Hagen in den vergangenen Jahren von der Politik auseinandergenommen wurde, das ist nicht mein Stil, das hat das Theater nicht verdient. Das Hagener Ballett ist in all den Jahren trotz des Spardrucks immer weiter nach vorne gegangen. Wir sind für unsere Choreographien mehrfach ausgezeichnet worden und haben den Deutschen Tanzpreis erhalten. Von einem solchen Erfolg können andere, besser ausgestattete Häuser nur träumen. Und trotzdem kriege ich auf wichtige Zukunftsfragen von der Politik einfach keine Antwort.
Ballettdirektor Ricardo Fernando will 2017 aufhören
Ballettdirektor Ricardo Fernando will seinen Posten abgeben. Ab der Spielzeit 2017/18 stehe er nicht mehr als Ballettdirektor zu Verfügung, teilte er gestern dem überraschten Aufsichtsrat mit. Zu den Hintergründen für seine Entscheidung und möglichen neuen Angeboten war gestern nichts zu erfahren. Ricardo Fernando wurde 1960 in Brasilien geboren, 1988 kam er nach Europa, 1993 nach Deutschland und im Jahr 2003 schließlich nach Hagen. Dem Tanztheater in der Stadt hat Ricardo Fernando neuen Schwung gegeben. Seine Choreographien gelten als innovativ und locken auch ein junges Publikum. 2015 wurde er mit dem Anerkennungspreis des „Deutschen Tanzpreises 2015“ ausgezeichnet.
Welche Fragen sind das?
Monatelang habe ich Gespräche geführt, mit dem Wunsch, in Hagen zu bleiben. Außer leeren Versprechungen und leeren Worten habe ich keine Antworten erhalten. Wohin geht das Theater Hagen in der Zukunft? Was habe ich für ein Budget? Über welchen Zeitraum kann ich planen? Ich kann kein Ballett planen, wenn ich nicht weiß, wieviele Tänzer ich habe oder wieviel Geld.
Die Stadt Hagen ist aber wirklich pleite.
Es geht um den Ton im Umgang miteinander. Soviel Respektlosigkeit habe ich seit Jahren nicht erlebt. Das macht mich sehr traurig. Die Politik sieht alle unsere Erfolge, aber glauben Sie, auch nur ein einziger Politiker hätte in den vergangenen Jahren mal gefragt: Wovon träumst Du eigentlich? Was wünscht Du Dir? Wir Theaterkünstler sind Menschen, wir sind Bürger dieser Stadt, Carla und ich leben hier, wir haben hier unser Kind erzogen, wir zahlen hier Steuern. Und immer wieder wird über uns gesprochen, als wären wir nur Kostenfaktoren; ohne Wissen darum, was wir eigentlich für diese Stadt leisten.
Wie zeigt sich der Spardruck an einem konkreten Beispiel.
Wir haben gerade unsere Ballett-Produktion „Die vier Jahreszeiten“ herausgebracht. Nach der Premiere ist vor der Premiere, das ist normal an einem Theater, das die richtigen Konditionen hat. Jetzt kommt die „Csardasfürstin“. Doch drei Mitarbeiter in der Schneiderei sind krank. Und nun versuchen wir Tänzer, irgendwie eine Besetzung zu finden, um diese Abteilung zu unterstützen. Das Theater Hagen ist personell total an der Untergrenze. Wäre es nicht besser gewesen, in der ganzen Spardiskussion ehrlich zu sein und zu sagen: Ein Theater Hagen wie heute gibt es nicht mehr ab 2017?
Sie gelten als der Retter der Ballett-Sparte in der deutschen Theaterlandschaft. Vor 13 Jahren sind Sie nach Hagen gerufen worden, weil das dortige Tanztheater am Ende war. Vorher haben Sie ähnliche Aufgaben in Bremerhaven, Chemnitz, Regensburg und Pforzheim mit größtem Erfolg erfüllt.
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Ja, meine Frau sagt auch immer: Wann schaffst Du es, an ein Theater zu gehen, wo alles gut läuft? Aber vielleicht ist das unsere Bestimmung im Leben: Kunst zu retten und zu zeigen, dass Tanz eine wunderbare Kunst ist. Wir haben in Hagen mit wenigen Mitteln das Unmögliche geschafft. Die Compagnie ist mittlerweile international bekannt, viele internationale Choreographen möchten mit uns arbeiten. Wir können sie nicht bezahlen, aber sie kommen, weil wir ein hochprofessionelles Niveau in einer freundlichen Umgebung bieten.
Wann verlassen Sie das Theater Hagen?
Das ist unsere letzte Spielzeit in Hagen. Aber es muss nun keiner denken, wir hätten künstlerisch schon alles gegeben. Wir sind sehr weit von fertig im Ballett Hagen. In unserem nächsten Ballettabend geht es um die Rolling Stones. Er heißt „(I can’t get no) Satisfaction“. Wir haben viele Freunde gewonnen in Hagen. Und von denen trennen wir uns nicht. Wir schlagen nur ein neues Kapitel auf.