Hagen. . Es müssen Werte und Wertschätzung transportiert werden, sagt Unternehmer Winfried Bahn, der mit mit rund 60 weiteren Firmen-Inhabern einen Prozess in Hagen in Gang bringen möchte.
Eine Frage der Werte. Eine Frage der Kommunikation. Wie geht eine Stadt mit ihren Unternehmern um? Wie überzeugt eine Stadt ihre Unternehmen davon, am Standort Hagen zu bleiben? Und – mindestens ebenso wichtig – wie schafft sie es, neuen Existenzgründern und Jung-Unternehmern deutlich zu machen, dass Hagen eine gute Zukunft bietet? Winfried Bahn, Geschäftsführer der in Hagen ansässigen Unternehmensgruppe OptikerGilde, unternimmt einen Vorstoß. Die beiden Grundgedanken seiner Initiative: Es müssen Werte und Wertschätzung transportiert werden. Und: Die Stadt Hagen darf nicht nur als Adressat betrachtet werden. Veränderung und Wandel müssen auch aus dem Unternehmertum und der Bürgerschaft kommen. Ein Interview mit einem Unternehmer, der mit seiner Initiative ausschließlich nach vorn blicken will.
Herr Bahn, warum sind Sie eigentlich mit ihrem Unternehmen noch in Hagen? Ihr Arbeitsprinzip funktioniert doch standortunabhängig.
Winfried Bahn: Weil ich zu diesem Standort stehe. Ich bin überzeugter Hagener. Unser Unternehmen wurde in Hagen gegründet und ist seit fast 40 Jahren hier ansässig. Und auch wenn wir mit unserer Initiative in die Zukunft schauen wollen: Die Vergangenheit hat mir über viele Jahre gezeigt, wie positiv die Dinge für Unternehmen in Hagen laufen können. Dieser Eindruck hat sich - leider – über die vergangenen Jahre hinweg sehr negativ entwickelt.
Was heißt das für Sie?
So wie es derzeit in Hagen läuft, haben wir uns gezwungen gesehen, einen Teil unseres Unternehmens an einen anderen Standort auszugegliedern und unsere Investitionen in Hagen zu stoppen.
Wo liegen die Probleme in Hagen?
Es gibt überhaupt keine klare Idee in Hagen davon, welche Werte in dieser Stadt transportiert werden sollen. Wo will diese Stadt hin und wie geht sie mit ihren Unternehmerinnen und Unternehmern um? Gesucht wird die Zukunftsperspektive, an der sich Stadt, Politik, ansässige Unternehmen und vor allem junge, neue Unternehmer orientieren können. Wichtig im gegenseitigen Umgang dabei ist immer auch die gegenseitige Achtung.
Spüren Sie zu wenig davon?
Wenn ich heute in der Stadtverwaltung etwas erfrage, Unterstützung benötige oder ein konkretes Problem habe, werde ich als Unternehmer zuerst einmal kritisch gesehen. Man könnte es auch so ausdrücken: Ich werde als Störenfried empfunden. Oftmals erhalte ich oft auch überhaupt keine Antwort.
Schwarzer Herbst für Hagen
Aus wirtschaftlicher Perspektive ist es bislang ein schwarzer Herbst für Hagen. Binnen weniger Wochen von September bis November verliert die Stadt auf einen Schlag aktuell 840 Arbeitsplätze. Und zwar durch die Abwanderung umsatzstarker Unternehmen wie Douglas, Nordwest und Putsch. Beim Handelsunternehmen Nordwest und bei Putsch, weltweit führender Herstellern von Maschinen für die Zucker-, Gemüse- und Holzindustrie, sind fehlende Expansionsmöglichkeiten der Grund für den Umzug. Schwer zu sagen ist, ob einige Mitarbeiter auch privat Hagen den Rücken kehren. Bislang, so die Stadt, gebe es aber keine verstärkte Zahl von Abmeldungen.
Was wollen Sie tun?
Erst einmal möchte ich ganz klar sagen, dass wir keine pauschale Verwaltungs-Schelte betreiben wollen, sondern mit einem Kreis von etwa 50 bis 60 Unternehmern konstruktiv in die Zukunft blicken wollen. Wir wollen nicht nur sagen, dass es schlecht läuft, sondern klare Thesen formulieren, wie es auf der emotionalen, der formalen, der sachlichen und der Verwaltungsebene zwischen Stadt und ihren Unternehmen besser und positiv weitergehen kann. Statt immer nur zu diskutieren, wo und wie neue Gewerbegebiete entstehen können, sollten auch der Bestand viel besser gepflegt werden. Und wir müssen Existenzgründern und dem Jung-Unternehmer, der vielleicht nur einen Hinterhof oder eine Garage braucht, Möglichkeiten in Hagen bieten. Zum Beispiel mit einer zentralen Anlaufstelle, die konkrete Unterstützung liefert und Probleme löst, statt neue Probleme schafft. Auch mit einem Anlaufpunkt.
Ein Gründerhaus für Hagen?
Vielleicht ein Innovationspark, in dem qualitativ hochwertige Services für die ersten unternehmerischen Schritte während und nach der Gründung bei der Unternehmensgründung angeboten werden. In dem man bei seiner Firmengründung einfach kompetent begleitet wird. Junge Menschen, die sich selbstständig machen möchten oder gerade gemacht haben, haben einen hohen Bedarf an kompetenten Lösungen. Sie haben aber keinen Bedarf an zusätzlichen bürokratischen Hürden und anderen Standorthindernissen. Denn sie wollen ja in erster Linie ihr Geschäftsmodell zum Erfolg führen. Dafür sollte soviel Energie wie möglich zur Verfügung stehen. Dann profitiert am Ende auch die Stadt.
Sie denken weg von der Flächendiskussion hin zu einer Entwicklung im Bestand. Da wird der Kämmerer nur bedingt froh drüber sein. Schließlich schielt man in Hagen auf die Gewerbesteuereinnahmen großer Firmen.
Ob große Firmen wirklich ihre Gewerbesteuer in Hagen zahlen, hängt ja auch davon ab, ob ihr Hauptsitz nicht doch woanders liegt. Meiner Ansicht nach sollten wir gemeinsam trotzdem mehr auf die Rahmenbedingungen für junge Unternehmen und den mittelständischen Bestand schauen. Die Dynamik der Jungen fehlt in Hagen, was sich deutlich auf die Einkommenselastizität auswirkt. Die Frage, warum renommierte mittelständische Unternehmen, wie zum Beispiel Brandt, Douglas, Nordwest und Putsch, dem Standort Hagen den Rücken kehren, wird man sich in der Stadtverwaltung sicherstellen. Die Antwort aber immer nur auf die Problematik mangelnder Gewerbeflächen zu reduzieren, zeugt meiner Ansicht nach nicht von einer differenzierten Analyse der Situation. Ein offensichtliches Resultat dieser Entwicklungen kann man jeden Monat in der Statistik der Bundesagentur für Arbeit nachlesen: Hagen hat seit vielen, vielen Jahren eine Arbeitslosenquote, die deutlich über dem Durchschnitt der Region liegt.
Klingt nach enormen Veränderungen, die angeschoben werden müssten. Und es bleibt die Frage: Muss sich um sowas nicht vielmehr die Hagener Wirtschaftsförderung kümmern?
Verantwortung abgeben ist immer kinderleicht. Ich kann ganz einfach sagen: „Herr Oberbürgermeister, die Situation ist inakzeptabel. Sie sind in der Verantwortung, von Ihnen muss jetzt was kommen.“ So kann eine positiv besetzte Veränderung aber nicht entstehen. Neue Entwicklungen müssen auch aus der Bevölkerung und der Unternehmerschaft kommen, die sich klar zum Standort bekennen und Ziele, Strategien und Perspektiven entwickeln. Wenn das aber nicht passiert, werden bald die nächsten Hagener Unternehmen abwandern. Denn betrachtet man – ganz ohne Emotionen – die realen Rahmenbedingungen in Hagen, sind diese in sehr vielen Punkten nicht positiv: Hohe Gewerbesteuer, wenige Gewerbeflächen, niedrige Attraktivität für hochqualifizierte Fachkräfte, hohe Grundsteuern und so weiter.
Sie wollen mit einer Veranstaltung einen Grundstein für die Entwicklung legen.
Ganz genau. Wir planen für diesen November eine Diskussionsveranstaltung mit rund 60 Unternehmen sämtlicher Größenordnung in Hagen. Neben einer Bestandsaufnahme der Kommunikationskultur in Hagen werden wir vor allem in die Zukunft blicken. Es soll kein Tag sein, an dem jeder der Unternehmer nur seinen Dampf ablässt und dann wieder nach Hause geht. Die Ergebnisse der Veranstaltung werden wir anschließend in klare Handlungsfelder gießen, Wünsche und Empfehlungen formulieren und diese dann am Ende auch öffentlich präsentieren.
Mit Winfried Bahn
sprach Mike Fiebig