Hagen. . Der Partei-Rebell kritisiert, dass viele zu lange an ihren Ämtern klebten, der Parteichef sieht die SPD Hagen geschlossen in den Wahlkampf ziehen.
- Nach der SPD-Kampfkandidatur um Landtagsmandat
- Herausforderer erneuert Kritik an SPD-Führung
- Parteichef sieht SPD dennoch geschlossen im Wahlkampf
Auf den ersten Blick völlig überraschend musste sich der SPD-Landtagsabgeordnete Wolfgang Jörg am Freitag in einer Kampfabstimmung einem Gegenkandidaten stellen: Andreas Kroll aus dem Ortsverein Boele-Kabel-Garenfeld. Beobachter werten dies als Zeichen eines tiefen innerparteilichen Streits. Und als Folge der Abwahl von Mark Krippner als Fraktionschef im Frühjahr. Stimmen aus der SPD vier Tage nach der Wahl.
Der Herausforderer
Andreas Kroll ist traurig. Traurig darüber, dass nicht noch mehr Kandidaten gegen Wolfgang Jörg angetreten sind. Vier Tage, nachdem der Polizeibeamte aus dem Hagener Norden völlig überraschend mit in den Ring gestiegen war, bedauert er die Umstände der Wahl und den ausbleibenden Wechsel. „Es gibt in der SPD eine steigende Unzufriedenheit darüber, dass viele zu lange an ihren Ämtern kleben. Wenn sich jemand dagegen erhebt, wird es meistens als Majestätsbeleidigung angesehen.“
Eines vorweg: Mit der Person Wolfgang Jörg habe das nichts zu tun, sagt Kroll, der Jörg für einen erfahrenen Politiker hält, der vor allem im Bereich Kinder und Familie große Fachlichkeit habe. „Aber Politik beginnt sich zu entfremden, je länger Mandatsträger in Ämtern bleiben. Aus diesem Grund trete ich zum Beispiel nicht mehr bei der Kommunalwahl 2020 an, weil ich Platz für unsere Jüngeren machen will. Das ist in Hagen dringend notwendig“, sagt Kroll, der „erst“ 49 ist. Wolfgang Jörg (53) sitzt seit 2005 für den Wahlkreis 103 (Hagen-Mitte/Nord/Hohenlimburg) im Landtag.
„Ich war traurig darüber, dass nicht noch mehr Kandidaten gegen Wolfgang Jörg antreten wollten. Vielleicht auch eine gute Frau, von denen wir viele haben“, so Kroll, der Einschüchterungstendenzen gegenüber jenen in der SPD vernimmt, die gerne die Altvorderen ablösen möchten. Deshalb sei er auch erst am Wahltag selbst aufgestanden und habe seinen Kandidatur-Wunsch vorher geheimgehalten. Kroll: „Da die Landes-SPD die Liste erst im Februar schließt, hätte ich die Wahl gern verschoben und mich in den Ortsvereinen noch einmal persönlich vorgestellt.“
Der Abgeordnete
Keine genauen Hinweise auf die Stimmung im Unterbezirk
Bei der Nominierung für die Landtagswahl am Freitag ging es nicht um das gesamte Hagener Stadtgebiet, sondern um den Landtagswahlkreis Hagen I (Hagen-Mitte, Norden, Hohenlimburg). Im Wahlkreis Hagen II / Ennepe-Ruhr-Kreis III (Hagener Süden und Westen, unter anderem, mit Haspe sowie südlicher EN-Kreis) ist bereits Hubertus Kramer nominiert.
Insofern geben die Mehrheiten vom Freitag (60 Prozent für den vom Parteivorstand unterstützten Wolfgang Jörg, 40 Prozent für Andreas Kroll) keine exakten Hinweise auf die Stimmung im gesamten Unterbezirk. Die nächste Nagelprobe ist vielmehr die Nominierung von René Röspel für den Bundestagswahlkreis Hagen / EN I (Breckerfeld, Ennepetal, Gevelsberg, Schwelm) am 2. November.
Das wäre auch Kandidat Wolfgang Jörg recht gewesen – allerdings vor der Abstimmung. „Ich war sehr überrascht von Andreas Krolls Gegenkandidatur“, sagt Jörg, der sich durch das Ergebnis (60 Prozent für ihn) keinesfalls geschwächt sieht. „Ich habe einen demokratischen Prozess gewonnen. Einige Delegierte, die in meinem Sinne gestimmt hätten, konnten bei der Abstimmung nicht dabei sein. Mit ihren Stimmen wäre in etwa das Ergebnis von 70 zu 30 Prozent herausgekommen.“ Das erreichte Jörg auch bei seiner ersten Wahl 2005, als Peter Arnusch gegen ihn antrat.
Der Parteivorsitzende
Timo Schisanowski ist von Andreas Krolls Kandidatur völlig überrascht worden. „Ich habe davon nichts gewusst“, sagt der Unterbezirks-Vorsitzende. Die Wahl war zwar geheim, aber Schisanowski hat eine Ahnung, woher die Stimmen für Kroll kamen: „Es ist eher üblich als unüblich, dass die Ortsvereine geschlossen abstimmen. Und wenn ich den Applaus vom Freitag richtig deute, dann kam die Unterstützung für Andreas Kroll aus dessen Ortsverein Boele-Kabel-Garenfeld – und aus Hohenlimburg.“ Dass der dortige Vorsitzende Mark Krippner ist, also der Ex-Vorsitzende der Stadtrats-Fraktion, kommentiert er nicht weiter. Stattdessen betont er, dass er die SPD im Wahlkampf nun nicht geschwächt sehe: „Ich gehe davon aus, dass die SPD geschlossen für Wolfgang Jörg, Hubertus Kramer und Hannelore Kraft kämpft. Das hat ja auch Andreas Kroll zugesagt.“ Dass die SPD-internen Querelen Jörgs CDU-Kontrahenten Helmut Diegel Oberwasser geben könnten, glaubt er nicht: „Herr Diegel ist ein Kandidat von gestern.“ Und ebenso wenig, dass die SPD-interne Opposition das nächste Zeichen bei der erneuten Nominierung des vom Vorstand unterstützten Bundestagsabgeordneten René Röspel setzen könnte: „Ich sehe eine breite Unterstützung für René.“
Die Ortsvereinsvorsitzenden
Andreas Schumann ist der Vorsitzende von Andreas Krolls Ortsverein Boele-Kabel-Garenfeld. Aber auch er, so sagt er im WP-Gespräch, sei nicht eingeweiht gewesen. „Um 17.45 Uhr hat mich Andreas informiert.“ Amüsiert sei er nicht gewesen. Allerdings: „Andreas hat eine erstklassige Rede gehalten, er hat viele Dinge angesprochen, die die Bürger bewegen, wie Sicherheit und soziale Gerechtigkeit. Er hat den Nerv getroffen.“ Wenn Kroll die Kandidatur vorher angekündigt hätte, hätte man das Ganze noch strategischer angehen können: „Wer weiß, wie es dann ausgegangen wäre.“ Nichtsdestotrotz werde sein Ortsverein jetzt aber Wahlkampf für Wolfgang Jörg machen: „Er hat unsere volle Unterstützung.“
Und wie sieht es in Hohenlimburg aus? Ortsvereins-Vorsitzender Mark Krippner hat die WP-Anfrage unbeantwortet gelassen.