Hagen. Die Unfallkasse NRW bleibt hart in Sachen Rückwärtsfahrverbot für Müllwagen: 1300 Straßen muss der Entsorgungsbetrieb Hagen überprüfen. Ein Mitarbeiter ist extra dafür abgestellt.

  • Unfallkasse NRW beharrt auf Rückwärtsfahrverbot für Müllwagen
  • Hagener Entsorgungsbetrieb muss 1300 Straßen prüfen
  • Auf Gebührenzahler in Hagen kommen Mehrkosten zu

Das von der Unfallkasse NRW geforderte Rückwärts-Fahrverbot für Müllfahrzeuge beschäftigt weiter den Hagener Entsorgungsbetrieb (HEB): Ein Mitarbeiter des städtischen Unternehmens ist extra dafür abgestellt, die Müllwagen täglich auf ihren Touren zu begleiten, um herauszufinden, welche Straßen betroffen sind. „Das ist ziemlich aufwändig, da wir rund 1300 Straßen im Hagener Stadtgebiet erfassen müssen“, sagt Jacqueline Jagusch, Sprecherin des HEB. „Da wir mit zwölf Sammelfahrzeugen an fünf Tagen in der Woche unterwegs sind, sind dies bereits 60 Touren, die der Mitarbeiter begleiten muss.“ Hinzu kämen noch die Straßen, die im Wechsel alle 14 Tage angefahren würden.

Unsere Zeitung hatte bereits im Januar über das umstrittene Rückwärtsfahrverbot für Müllwagen berichtet. Die Unfallkasse Nordrhein-Westfalen, bei der kommunale Unternehmen versichert sind, hatte den HEB, so wie alle anderen Entsorgungs-Betriebe in NRW auch, schriftlich auf dieses Verbot hingewiesen. Das Erstaunliche dabei: Die Unfallverhütungsvorschrift, auf die sich die Kasse bezieht, stammt schon aus dem Jahr 1979. Demnach darf Müll nur abgeholt werden, „wenn ein Rückwärtsfahren nicht erforderlich ist“.

In Dortmund werden die Müllwagenfahrer befragt

Wie gehen andere Städte mit der Herausforderung um? Ein Blick in die Nachbarstadt Dortmund. Dort ist der städtische Tochterbetrieb EDG für die Müllentsorgung zuständig. „Wir gehen etwas anders vor als die Hagener Kollegen“, sagt Unternehmenssprecher Matthias Kienitz. Es werde nicht jede einzelne Tour von einem Mitarbeiter begleitet. Vielmehr habe man die Mitarbeiter auf den Müllwagen befragt, wo sie rückwärts fahren müssen. Dann habe man die betroffenen Straßen mit den Daten des Vermessungs- und Katasteramtes abgeglichen. Die EDG geht davon aus, dass bei allen Straßen, die breiter als 3,50 Meter sind, beim Rückwärtsfahren kein Gefährdungspotenzial besteht und dies auch durch die Vorschrift der Unfallkasse gedeckt ist. „Insgesamt haben wir 2400 Straßen in Dortmund zu überprüfen, 900 davon haben wir bislang bewertet“, sagt Matthias Kienitz. „Bei etwa 780 Straßen sind außer dem ohnehin üblichen Einsatz von Einweisern keine weiteren Maßnahmen notwendig.“

Dennoch ist sich auch der EDG-Sprecher sicher, dass am Ende Mehrkosten auf den Gebührenzahler zukommen werden. „Wenn wir alle Straßen bewertet haben, werden wir auch sehen, wieviel neue Kleinst-Müllfahrzeuge wir benötigen.“ Diese Kosten oder aber einen Hol-Service der Tonnen würde der Dortmunder Bürger dann ebenso zahlen müssen wie der Hagener.

Mehr als 35 Jahre lang wurde diese Vorschrift aber höchst großzügig ausgelegt. In Hagen und auch in den allermeisten anderen Städten des Landes fahren die Müllwagen seit Jahr und Tag bei Bedarf rückwärts. Damit soll nun aber endgültig Schluss sein, obwohl sich bereits höhere Sicherheitsvorkehrungen im Alltag etabliert haben. So gibt es beim HEB immer einen, meist sogar zwei Einweiser, die beim Rückwärtsfahren den Raum neben und hinter dem Müllwagen kontrollieren. Zudem gibt es elektronische Warnsysteme mit lautem Piepton beim Rückwärtsfahren.

Beim HEB gab es in den vergangenen Jahren auch keinen Unfall mit Personenschaden. „Wir rechnen aber nicht mit gravierenden Änderungen in der Haltung der Unfallkasse“, sagt Jacqueline Jagusch. „Deshalb halten wir es für angezeigt, uns vorzubereiten.“ Im Sommer soll es belastbare Erkenntnisse geben, welche Straßen tatsächlich betroffen sind.

Keiner stoppt den Bürokratie-Prozess

Als das Thema „Rückwärtsfahrverbot für Müllwagen“ zur Jahreswende in Hagen und auch in anderen Städten für Schlagzeilen gesorgt hatte, gab es noch Hoffnung. Dass durch die öffentliche Diskussion ein Denkprozess in Gang kommen könnte, bei dem am Ende jemand bei der Unfallkasse NRW sagt: Moment, hier hat sich etwas verselbstständigt. Unfallschutz ist extrem wichtig, aber diese Regelung ist übertrieben und unverhältnismäßig. Doch der bürokratische Prozess läuft, wird nicht gestoppt – und am Ende zahlen die Bürger.

Spezielle Fahrzeuge sind teuer

Die Folgen könnten sein: Nur noch spezielle kleine Müllwagen dürfen in die betroffenen Straßen fahren, wenn sie denn dort wenden können. Deren Einsatz ist aber teurer, das heißt: Da die Müllabfuhr kostendeckend arbeiten muss, werden die Mehrkosten auf die Gebühren für alle Bürger umgelegt. Oder aber bestimmte Straßen werden überhaupt nicht mehr angefahren, was bedeutet: Die Bürger müssen ihre Mülltonnen selbst bis zur nächsten anfahrbaren Straßenecke ziehen. Oder aber sie müssen den Hol-Service des HEB in Anspruch nehmen, der ebenfalls kostenpflichtig sein würde.

Dass die Unfallkasse NRW bei ihrer harten Haltung bleiben wird, bestätigt auch deren Sprecher Thomas Plicht. Man arbeite weiter an einer neuen Branchen-Regelung für die Müllabfuhr, in der alle Vorschriften künftig gebündelt werden sollen. Es sei aber nicht geplant, an dem Rückwärtsfahr-Verbot zu rütteln.