Hagen. . Den Hagener ist Josef Bücker als Politiker vertraut. Doch der Pädagoge agiert auch als Schmetterlingsforscher. In seinem Miniatur-Universum bewahrt er den Durchblick.

  • Den Hagener ist Josef Bücker als Politiker vertraut
  • Doch der Pädagoge agiert auch als Schmetterlingsforscher
  • In seinem Miniatur-Universum bewahrt er den Durchblick

Der Eichenzipfelfalter gehört zu den geheimnisumwitterten Bewohnern Hagens. Er verbringt den Tag am liebsten in den Kronen der Bäume, wo er sich von Zucker ernährt, den Läuse beim Fressen der Blätter freigesetzt haben. Nur wenn er durstig ist, steuert er eine Pfütze auf dem Waldboden an und trinkt. Noch schwerer zu entdecken als der Falter sind seine Eier, ach was, ist das eine, winzig kleine Ei, das er an der Knospe einer Eiche ablegt und das ein Laie niemals entdecken geschweige denn als Schmetterlings-Ei identifizieren würde.

Auch Josef Bücker hat anfangs Ewigkeiten gebraucht, um den weißen Punkt auf dem dürren Eichenzweig zu bestimmen. Inzwischen ist er geübt darin, an sonnenexponierten Waldrändern Eichen und an den Eichen die Eier des Eichenzipfelfalters zu erspähen. Josef Bücker ist Lepidopterologe, Schmetterlingsforscher. Und der Eichenzipfelfalter ist nur eine von 1159 Schmetterlingsarten, die der Gesamtschullehrer in den Hagener Wiesen und Wäldern bereits aufgespürt hat. „Schmetterlinge sind meine wahre Leidenschaft“, sagt Bücker, der eigentlich als Kommunalpolitiker und Fraktionsvorsitzender von Hagen Aktiv bekannt ist, über sein Hobby.

Seit Jahren Stadtgebiet kartiert

In Zusammenarbeit mit dem Deutschen entomologischen (insektenkundlichen) Institut Senckenberg, gelegen im brandenburgischen Müncheberg, erfasst Bücker seit Jahren die Hagener Insektenfauna. Er kartiert das Stadtgebiet, darf sich mit einer Ausnahmegenehmigung auch abseits der vorhandenen Wege aufhalten, um die Falter mittels Licht-, Köder- und Feromonfang anzulocken und ihre Existenz zu dokumentieren. Viele Arten, die man hier längst ausgestorben glaubte, hat Bücker inzwischen nachgewiesen: „Obwohl der Bestand an Schmetterlingen insgesamt zurückgegangen ist. Auch die häufigen Arten, wie der Kleine Fuchs, sind nicht mehr so stark vertreten.“

Bückers erklärtes Ziel ist es, die Ergebnisse seiner Feldforschung in einem Buch zusammenzufassen und damit an die Arbeit von Karl Uffeln anzuknüpfen. Den kennen Sie nicht? Das macht nichts. Uffeln war Bückers Vorgänger im Geiste, er hat 1908 ein umfangreiches Werk über die in Hagen vorkommenden Großschmetterlinge veröffentlicht, das seinem Nachfolger hervorragende Vergleichsmöglichkeiten über das Vorkommen der Tiere ermöglicht. Im Unterschied zu Uffeln bezieht Bücker jedoch auch die kleinen, ja die kleinsten Schmetterlinge in seine Ermittlungen ein.

Dazu gehört der nur dreieinhalb Millimeter große Stigmella Mikro Theriella, den Bücker auf Haselblättern ausgemacht hat. Aber auch der Liguster-Schwärmer mit einer gespannten Weite von zehn Zentimetern taumelt durch Hagens Wälder.

Nacht mit Lampe auf Pirsch

Er sei kein Schönwetter-Biologe, betont Bücker, ihm ist es Ernst mit seiner Forschung. Das war schon als Kind so. Aufgewachsen auf dem Lande bei Lippstadt, ging der kleine Josef nachts mit einer Lampe auf die Pirsch und fing Schmetterlinge ein, die Sammlung mit den säuberlich aufgenadelten Präparaten hängt noch heute in der Diele seines Elternhauses, wenngleich der Museumskäfer zahlreiche der Mumien schon gefressen hat. Heute tötet Bücker, der natürlich Biologie studiert und in dem Fach seinen Doktor gemacht hat, einen Falter nur noch aus Forschungszwecken, etwa wenn er ein Exemplar nicht eindeutig identifizieren kann.

Dann wird der Insektenkörper eine Viertelstunde lang in Kalilauge gekocht, bis der Genitalapparat, sicherstes und oft einziges Unterscheidungsmerkmal, freigelegt ist. Hazerieren nennt der Lepidopterologe dieses wissenschaftliche Verfahren.

So schwer das Ei eines Eichenzipfelfalters zu finden ist, so leicht sind die Nachtschwärmer, im Volksmund Motten genannt, anzulocken. Licht zieht sie unwiderstehlich an. Warum das so sei, sei bis heute nicht genau erforscht, berichtet Bücker, der sich den Drang zur Helligkeit, der die Falter umtreibt, nichtsdestotrotz zu Nutze macht und sie in der Dunkelheit mittels eines ausgebreiteten weißen Bettlakens, auf das er einen 20 Watt starken LED-Baustrahler richtet, in Versuchung führt. Sitzen sie erst einmal auf dem hellen Untergrund, kann er sie in Ruhe fotografieren. Glasflügler lenkt er dagegen mit Feromonen, das sind Duftstoffe, in seine Richtung. Für den Laien sind einige dieser Arten, die ausgesprochen schwer zu beobachten sind, aufgrund ihres schwarzgelb gestreiften Rumpfes übrigens von Wespen kaum zu unterscheiden, folgerichtig tragen sie Namen wie Hornissen-Glasflügler. Josef Bücker kennt sie alle, den Großen Schillerfalter mit der herrlichen Blaufärbung ebenso wie den stolzen Admiral oder den schwarzweißen Gitterspanner. Dass viele Arten auf dem Rückzug sind, habe einen Grund in den stark gedüngten Wiesen, auf denen viele Raupen nicht überleben könnten, sowie in den monokulturartig aufgereihten Fichtenforsten, in denen kein einziger Schmetterling zu Hause sei, bedauert der Experte. Umso mehr ist Bücker daran gelegen, alle Falter in Hagen zu erfassen, da nur so der Fortbestand der Arten geschützt und gefördert werden kann.